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Massengrab 1945 - 1946

Vorschaubild Massengrab 1945 - 1946

Das Massengrab 1945 - 1946 auf dem Friedhof

 

 

(Baudenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes für Mecklenburg-Vorpommern)

 

 

 

1945 und 1946
Ein Grab auf dem Friedhof Neukalen erinnert und mahnt

 

Pastor Dietrich Waack

 

 

"Weil die Toten schweigen, beginnt immer wieder alles von vorn."



   Noch lebt Vergangenheit fort in der Erinnerung derer, die sie am eignen Leibe erfuhren. Da sind die Erlebnisse derer, die als Soldaten in russischen Wäldern am Wolchow oder im Raum Leningrad lagen. Da sind Frauen und Kinder von damals, die die Brandbombenteppiche zwischen "Christbäumen" über Dresden niedergehn sahen. Es gibt andere, die Schlitten, Pferdewagen und Menschen im Eis der kurischen Nehrung untergehn sahen.
   Superintendent Stern, der 1945 nach Neukalen kam, erzählt in der Chronik, wie das ostpreußische Neidenburg im Januar 1945 besetzt und völlig zerstört wurde. Er kam dann in der Folgezeit mit vielen andern Menschen aus dem Osten zu uns. Sie kamen in langen Trecks mit Pferdewagen über die Landstraßen. Viele wurden Opfer vom Maschinengewehrfeuer angreifender Flugzeuge. Tausende kamen mit der Bahn aus Schlesien, aus dem Sudetengebiet, aus der Slowakei, aus Hinterpommern, aus Gebieten östlich der Oder. Sie wollten nach Westen, um dem Chaos zu entfliehen. Aber es blieb auch eine große Anzahl von Flüchtlingen in Mecklenburg. Untergebracht wurden sie teilweise in den winzigen Privatwohnungen der Städte und Dörfer des Landes. Oder sie mußten vorlieb nehmen mit Massenquartieren, wie der Neukalener Ziegelei.
   Eine Krankenschwester erzählt aus der damaligen Zeit von Neukalen, den Verhältnissen in der Stadt und von den Menschenschicksalen, die sich hier abspielten. Die Flüchtlinge saßen mit zu vielen Menschen in zu kleinen Unterkünften. Viele wurden krank. Epidemien breiteten sich aus. Im heutigen evangelischen Kindergarten wurde damals ein provisorisches Krankenhaus eingerichtet. Als Labor diente einer der WC - Räume. Eingeliefert wurden Patienten mit Diphterie oder Geschlechtskrankheiten. Rasch waren Ambulatoriumsgebäude und Kindergarten überfüllt. Zusätzlich breitete sich Typhus aus. In einer weiteren damaligen Gaststätte wurde ein weiterer Krankensaal geschaffen. Verantwortlich für die vielen Patienten dort waren eine Kindergärtnerin, eine Hebamme, eine Krankenschwester.
   Der damalige Neukalener Arzt Dr. Rademacher hatte die Verantwortung für medizinische Betreuung. Die Möglichkeiten, diese Verantwortung zu praktizieren, waren minimal. Zu essen gab es den ganzen Tag über nur Wassersuppe mit ein wenig Mehl darin. Die damalige Köchin, Frau Schultz, wohnt noch in Neukalen.
   Die Menschen kamen verlaust, verdreckt und oft sehr ratlos an. Das Pflegepersonal erlebte, wie die Läuse in Klumpen aus der Kleidung fielen. Auch die Schwestern wurden krank. Ununterbrochen kamen Menschen, die um Hilfe baten. Eine Mutter brachte ihren Sohn und starb gleich danach. Eine junge Frau rief nach ihrer Mutter und starb. Niemand wußte, wie sie hießen oder woher sie kamen. Die Papiere fehlten. Jeden Tag mußten viele Tote zum Friedhof gefahren werden. An manchen Tagen waren es sechs Menschen, die der Fuhrunternehmer Wilken zum Friedhof brachte.
   Superintendent Stern berichtet, daß er auch viele katholische Christen auf dem letzten Weg geleiten mußte, weil zunächst kein katholischer Priester erreichbar war. Er schreibt: "Der Winter 1946 war ebenso wie der Herbst 1945 immer noch eine dunkle Zeit der Seuche und des Todes."
   Im Jahre 1946 sind etwa 230 Personen auf dem Neukalener Friedhof begraben worden. Mehr als 70 Begrabene waren nicht identifizierbar. Eine große Anzahl der Toten mußte ohne Sarg in einem Massengrab beerdigt werden. Dies Grab wurde 1951 mit einem Denkmal versehen. Der Steinmetzmeister Behrendt war dazu vom Kirchgemeinderat beauftragt worden. Die Inschrift ist verfaßt von Frau Elsbeth Fischer. Sie lautet:

„Bete, daß Gott Frieden schenkt, Dir und den etwa 100 Seelen, deren Leib hier eingesenkt.“



Dazu enthält das Grabdenkmal einen Hinweis auf Hebräer 13 Vers 14:


„Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

 


Dabei steht die Jahreszahl 1945 / 46.

 

 

Massengrab 1994

 

 

Die Toten schweigen. Aber sie mahnen auch, daß wir ihre Wege und unsere Wege bedenken.