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Die Herstellung des Leuchtgases

 

   In den Retortenöfen - technisch richtig als Horizontalretortenöfen bezeichnet – befinden sich, umgeben von gemauertem Ofenkörper, die gemauerten Retorten in ovaler Form von 360 mm Durchmesser und einer Länge von 3,5 m. Der Retortenmund ist mit einem gusseisernen Verschlussdeckel und abgehendem Mundstück sowie Steigerohr versehen.

   Die Füllung der Retorten erfolgt mit 100-200 kg Steinkohle. Diese wird von außen  auf 1000 - 1300 Grad Celsius erhitzt. Dazu befindet sich unterhalb der Retorten im Ofenkörper, tiefer als die Ofenhausebene, ein gemauerter Generator. Er wird mit Koks gefüllt, vergast und verbrennt diesen. Die freiwerdende Wärme zieht in Heizkanälen als Abgas/Rauchgas um die Retorten, bis zum Schornstein. Die Steinkohle wird in den Retorten unter Sauerstoffausschluss indirekt erhitzt und entgast. Der Halbgeneratorofen ist anpassungsfähig an kleine Werke und beschickbar von der Bedienebene aus.

   Bei der Entgasung entstehen gasförmige brennbare Stoffe, wie Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Methan sowie weiterhin belastende Stoffe wie Teer, Schwefelverbindungen, Ammoniak und Schadstoffwasser. Dieser Mischung wird über die Steigerohre zur Teervorlage - Lage oberhalb des Ofenkörpers - geleitet. Sie dient zum ersten Abtrennen des Teers und bildet einen sicheren Schutz beim Öffnen des Retortenmundes vor rückschlagendem Gas aus Apparate- und Produktionsleitung.

   Um den Druck von den Retorten zu nehmen, wird in größeren Betrieben ein Gassauger aufgestellt, welcher das Gas aus den Retorten absaugt und nach dem Behälter drückt. Der Gassauger wird gewöhnlich hinter den Kühlern angeordnet. Das in den Kühler gelangende Gas wird darin soweit abgekühlt, daß fast aller Teer sich niederschlägt. Der noch vorhandene geringe Rest Teer, und vor allem das Ammoniak, werden im Wäscher, wo dem Gase eine sehr große Wasserfläche geboten wird, von dem Wasser aufgenommen, so daß hinter dem Wäscher das Gas von Teer und Ammoniak frei ist. Aus dem Wäscher gelangt das Gas in die Reiniger und kommt dort in Berührung mit künstlich alkalisiertem Eisenoxydhydrat, wodurch der vorhandene Schwefelwasserstoff gebunden wird. Vermöge der Alkalisation werden auch die geringen Spuren anderer Verunreinigungen noch aufgenommen, so daß nur vollständig reines Leuchtgas die Reiniger verläßt. Es wird dies an einem Probierhahn mit einem in Bleizuckerlösung getränkten Fließpapierstreifen kontrolliert.

   Aus der Reinigung gelangt das Gas durch den Stationsgasmesser in den Gasbehälter und aus diesem je nach Bedarf in größeren oder geringeren Mengen in die Stadtrohrleitung, nachdem es vorher den Druckregler passiert hat. Dieser dient dazu, die Druckschwankungen, welche vor allem durch den verschiedenen Gaskonsum sowie durch den verschieden hohen Stand des Gasbehälters und durch Einfluß von Wind und Wetter auf den Behälter entstehen, auszugleichen und das Gas mit einem konstanten, gleichmäßigen Druck, der nach Belieben reguliert werden kann, in die Leitung zu geben.

   Der Gasbehälter stellt einen Ausgleich zwischen Produktion und Gasabgabe her und dient gleichzeitig als Vorratsbehälter. Derselbe hat einen Nutzinhalt von 400 cbm und ist mit schmiedeeisernem Bassin hergestellt. Das Bassin hat 11,4 m Durchmesser und 4,5 m Höhe, einen flachen Boden und ist aus 6 mm starken Blechen hergestellt. Die Glocke ist aus 2 mm starken Blechen mit kräftiger Mantel- und Deckenversteifung hergestellt und durch obere und untere Führungsrollen geführt. Das Führungsgerüst besteht aus 8 Führungsständern, die durch Horizontalringe und Diagonalanker miteinander und mit dem Bassin fest verbunden sind. Um den oberen Bassinrand läuft eine mit Geländer versehene Gallerie, zu der eine eiserne Treppe führt. Für die Ein- und Ausgangsrohre und den Wassertöpfen ist unter dem Behälter ein gemauerter Schacht angelegt. Das Behälter – Fundament besteht aus einer Ringmauer mit Sandschüttung innerhalb derselben und einer darüber befindlichen Isolierschicht.

   Sobald nach vier bis sechs Stunden die Kohlen vollständig entgast sind, werden sie mittels eiserner Krücken aus den Retorten herausgezogen und innerhalb des Ofenhauses sofort mit reinem Wasser aus dem Löschtrog übergossen und dadurch abgelöscht, wobei nur Wasserdampf und keinerlei schädliche Gase entstehen. Der so gewonnene Koks wird im Hofe gelagert und teils selbst verbraucht, teils verkauft.

   Der Teer und das Ammoniakwasser laufen in die für sie bestimmte Grube und werden mittels Pumpen in Fässern gefüllt und verkauft, wobei jede Belästigung durch Dünste ausgeschlossen ist.

   Die Reinigungsmasse wird nach längerer Benutzung gesättigt; sie muß alsdann aus dem Kasten entfernt und durch frische ersetzt werden. Die alte Masse wird dann im Regenerierschuppen in etwa 15 – 25 cm hoher Schicht ausgebreitet und von Zeit zu Zeit umgearbeitet. Bei dem Zutritt des Sauerstoffes der Luft wird der Schwefel des Schwefeleisens wieder in reinem Schwefel verwandelt. Ist die Regeneration etwa 30 – 40 Mal ausgeführt, so ist die Reinigungsmasse derart mit Schwefel gesättigt, daß sie mit Vorteil verkauft und auf Berlinerblau und ähnliche Verbindungen verarbeitet werden kann. Andere Abfallprodukte entstehen bei der Gasbereitung nicht, abgesehen von etwas Graphit aus den Retorten.

   In dem Gaswerk werden außer einem Meister regelmäßig 2 – 3 Arbeiter beschäftigt, die sich, da Tag- und Nachtbetrieb herrscht, so ablösen, daß jeder einen Feiertag um den anderen 36 Stunden frei hat.

   Vor dem 1. Weltkrieg mussten die ersten Ofenarbeiter oder Feuermänner 12 Stunden je Schicht arbeiten. Je Schicht waren folgende Arbeiten 9 x auszuführen (bei einem 3er Ofen):

- Transport der Steinkohle aus dem Kohleschuppen, je Retorte 200 kg

- öffnen und ausbringen des heißen Kokses von 1000 Grad Celsius, ablöschen mit Wasser

- säubern der Steigerohre vom Teer mit 4 m Stoßstange

- einbringen der neuen Steinkohle, Einwurf mit der Handschaufel bis zu einer Wurflänge von 3,5 m

- Abtransport des Kokses an den Sortierplatz

- pumpen von 400 l Wasser mit einer Handpumpe in die Hochbehälter

- Beschickung des Generators mit 400 kg Koks, säubern und ausbringen der Asche

 

   Am Tage waren Mithilfen bei der Kokssiebung, dem Koksverkauf, Entladung der Pferdefuhrwerke mit Steinkohle vom Bahnhof, Reparaturarbeiten u. a. notwendig. Ein Hilfsarbeiter war zeitweise in der Tagschicht anwesend. Die enorme Belastung bei Hitze, Staub und Schadstoffen standen nur die kräftigsten Mitarbeiter durch. Zum Berufsbild gehörte auch der Abschluss einer Schlosser- oder Schmiedelehre. Nach 1919 wurde jedoch der 8-Stunden Tag eingeführt, eine elektrische Wasserpumpe montiert und 1954/56 eine Lademaschine angebaut.

 

 

   Im Vertrag mit der Firma Francke war festgelegt, die technische Ausrüstung der Gasanstalt in allen Anforderungen dem Stand der Zeit anzupassen. Bei genauer Betrachtung muss jedoch festgestellt werden, dass Nachrüstungen mit Teerscheider und Gassauger möglich und vorbereitet waren, jedoch erst 1951 erfolgten. Die Gasausbeute erhöhte sich sofort um 12%. Der fehlende Sauger war die Ursache für erhöhten Verschleiß der Retorten, der Druck in den Rohrleitungen zum Aushub des Gasbehälters musste in diesen entstehen, Mauerrisse waren die Folge.