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Die Sankt Georg Stiftung

 

Wolfgang Schimmel



   „Die kirchliche Stiftungen verdanken in der Mehrzahl ihre Entstehung der freien Liebe wohltätiger Christenherzen; sie dienen theils zur Unterstützung von Armen, Kranken und anderen hülfsbedürftigen Personen verschiedenen Standes und zur Versorgung von Prediger – Wittwen, theils zu Studien-, Schul- und Missionszwecken.“ So steht es in dem Büchlein „Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg – Schwerin“ von E. Millies aus dem Jahre 1900. Hier ist auch die noch heute bestehende St. Georg – Stiftung zu Neukalen verzeichnet.
   Während bei vielen anderen Stiftungen Mecklenburgs die Entstehung und der Stifter bekannt sind, so kann man dieses auf Grund fehlender Urkunden von dem Neukalener St. Georg – Stift leider nicht sagen.
   In den Bruchstücken des ältesten Stadtbuches von Neukalen findet man erste Hinweise: 1399 wird die Jürgenswiese („Jurisewysck“) im Schlakendorfer Schlag erwähnt, 1400 ein Ackerteil, Jart genannt, welches beim heiligen Georg lag („sanctum Georrium“) und 1414 ist von sechs Morgen Acker beim Sankt Jürgen („zunte Jurien“) die Rede. Die St. Georgskapelle, im Volksmund auch St. Jürgen genannt, lag vor dem Mühlentor auf dem St. Georgsfeld (heutiger Friedhof). Der heilige Georg galt als der Schutzheilige u. a. der Bauern, Sattler, Schmiede, Böttcher, der Pferde und des Viehs, der Wanderer, der Spitäler, der Gefangenen, der Soldaten, der Reiter. Er war einer der 14 Nothelfer. Eine St. Georgskapelle war im Mittelalter in fast jeder Stadt vorhanden. Sie war ursprünglich für die Unterbringung der vom Aussatz (Lepra, Miselsucht) Befallenen eingerichtet und lag meistens unfern einer Hauptstraße (in Neukalen also am Landweg in Richtung Dargun). Dort wohnten die Kranken und riefen von Ferne das Erbarmen der Vorübergehenden an, die ihre Unterstützung in einen Opferstock am Wege niederlegten.

 

So könnte man sich die St. Georg Kapelle vor dem Mühlentor vorstellen. (Zeichnung: Johanna Kasch)

 

So könnte man sich die St. Georg Kapelle
vor dem Mühlentor vorstellen. (Zeichnung: Johanna Kasch)

 

 

   Nach der Reformation, spätestens aber am Anfang des 17. Jahrhunderts, hatte sich das Bild der Stiftung schon gewandelt. Die Hauptaufgabe ihrer Mildtätigkeit war auf die Unterbringung und Verpflegung von Witwen gerichtet.
   Genaueres erfahren wir erstmals aus dem Visitationsprotokoll von 1622 über die St. Georgsstiftung:
   "18 Gulden bekommen hieuon die Boginen Jehrlich, Von dem Vberligen werden die S. Jürgens gebeuwte in esse erhalten, vnd was daran nicht spendiret wirtt auf zinß gethan." [Von den Geldmitteln erhielten die Insassinnen also 18 Gulden; der Rest wurde für die Instandhaltung der Gebäude genutzt oder gegen Zinsen verliehen.] Vorsteher des St. Georg war 1622 Johannes Raschenn.
   1637 wurde das für die Aufnahme von sechs Witwen bestimmte Haus mit 3 Zimmern für je 2 Personen, wozu noch ein Garten und Brunnen gehörte, durch Kriegseinwirkungen völlig zerstört. Die Stift - Benefiziaten waren danach verschollen. Der dazu gehörende St. Georgs - Friedhof bestand weiter. Jedenfalls erfahren wir 130 Jahre später, daß im 7jährigen Krieg die Einzäunung und das Tor des St. Georg - Friedhofs vor dem Mühlentor verbrannt war und erneuert werden mußte.
   Um 1647 hatte man innerhalb der Stadtmauern in der Töpferstraße (heute Lutherstraße) ein anderweitiges Haus mit einer Stube und zwei Kammern für 36 Gulden angekauft und als St. Georg Hospital eingerichtet. Im alten Stadtbuch wird berichtet, daß Hans Zehle 1650 die Hausstelle neben dem St. Georg gekauft hatte und hier ein Haus erbaute.
   Im Visitationsprotokoll von 1647 findet sich folgender Text über das St. Jürgen –, bzw. St. Georg – Hospital:
   "St. Jürgen zu Nienkalden
Das Arme Haus ist vor der Kriegsruin, alhie für dem Mühlen Thor gestanden, ist ein Zimmer von 3 Wohnungen und jede auf 2 Personen gewesen mit einem Garten dabey und einem Sode, ist nunmehr alles verwüstet.
An Acker
Acht Morgen, alß 3 1/2 auf den Begienen Kamp
Anderthalb Morgen auf dem Garten Hofe
Zwo Morgen aufm Schüttlande, und
Eine Morgen bey dem Salmer Berge
Der Acker ist unter die Bürger ausgethan worden, und für jede Morgen bey guter Zeit 8 Scheffel gegeben
Eine Wische, die Baginen Wische davon der p. t. Pastor zwey Rücken nach Feldwärts Jährlich Amts halber zu genießen hat. Die Wische haben die Bürgern alle Jahr umschichtig, ihrer Sechs geworben, und ein jeder Jährlich 12 Scheffel dafür gegeben.
In diesem Armen hause sind Sechs Persohnen, welche Alters und anderer Unfälle halber sich nicht erhalten können, aufgenommen worden.
Müßen sich aber vorher mit 17 Gulden einkaufen, davon E. E. Rath als Provisorn 6 Gulden dem aeltesten Bürgermeister absonderlich 12 Schilling und jedem Vorsteher 6 Schilling zugekommen Die übrigen 10 Gulden sind alsbald dem Sct. Jürgen zum Besten auf Zinse ausgethan worden.
Haben Jährlichs zu heben gehabt eine jegliche Persohn 10 Scheffel 2 V. allerley Korn ums 4te Jahr, 10 Scheffel wegen eines Ende Ackers auf dem Schüttlande und dann 3 Gulden Geld.
Wan aber Persohnen gewesen, die das Geld sich einzukauffen nicht baar aufbringen können, haben sie ihre Hebung an Gelde 4 Jahr müßen stehen laßen, v ist damit ihr schuldiges Geld abgeleget, hernacher seind sie zur Hebung kommen.
Die Vorsteher dieses Arm - Hauses sind hiebevor vom Rath zween Bürger verordnet worden, welche den St. Jürgen, die Einkünfften verschaffen, das Gebeüde bawen und beßern, und dem Rathe alle Jahr Rechnung davon thun müßen. Es sind aber solche Rechnungen vom H. Superintendenten, wenn die Kirchen Register abgelegt, oder sonsten Visitation gehalten, zugleich nachgeleget und durchgesehen worden. Anjetzo seynd von den Herren Visitatorn zu Vorsteher des St. Jürgens bestellet v. beeidiget, Johann Rabandel und Martin Wulff, die hinfüro die Restanten fleißig einfordern und Register halten, und den Armen ihren Unterhalt an Gelde v. Korn verschaffen sollen.
Wenn eine Persohn im Armen Hause verstorben, ist der Bettgewandt und was sie sonsten in den St. Jürgen mit sich gebracht, darinn verblieben, oder die Erben haben es mit 5 Gulden lösen müßen.
Nach erlittener Kriegesruin sind zwo Personen wieder eingenommen, und jede 20 Gulden geben müßen. Hievon sind dem Rath von jedem Post die gewöhnliche 7 Gulden abgerechnet, bleiben dem St. Jürgen 26 Gulden.
Noch hat Jochim Krüger für Knesebecken Garten dem St. Jürgen entrichtet 10 Gulden.
Diese 36 Gulden sind zu Erkauffung eines Armen Hauses angewandt."

   Im Visitationsprotokoll von 1662 finden wir folgende Beschreibung des St. Jürgens (St. Georgs):
   "Daß Hauß von 3 gebindt, in Holtz gekleimet, eine gute thüere zum eingange, mitt zugehorigen Heßpen.
   Der Boden mitt Bohlen geleget. Eine fertige stube mitt der thüer, und 6 gute fenster, der Boden gewunden, der Ofen muß gebeßert werden, Noch 2 Kammern drinnen, mitt fertigen thüren, in einer ist nur ein fenster. Eine zimliche achter thüere. Daß Dack von Rohr, ist in zimlichen Stande. Eß ist nur ein giebel an diesem Hauße, weilen Hanß Zehlen Hauß daran gebauet, und eine Wandt, die beide Häußer scheidet, sonst ist ein weinig Hoffraum darbey."

   1691 wurde ein neues St. Jürgen – Haus erbaut.

   1694 schrieb der damalige Vorsteher des St. Georg Hospitals Christoff Schultzen:
   „Der St. Jürgen ist vor alters vor den Müllen Dohr bey den St. Jürgens Kirchhoffe gestanden, aber im Kriges Ruin vor wüstet. Nach der Zeit ist er in die Stadt vor leget in der Pöter Straß auff ein halb Erbe gebauet von deß St. Jürgenß Mitelen. Daß Hauß ist auff 4 Person angeleget und gibet ein Jeder 20 Gulden. Der E. E. Raht dieser Stadt pretentirt daß halbe ein kauffs geld welches sie vor dehm genommen haben, aber deß H. Supperendendes schein lautet daß sie von 20 Gulden nur 7 Gulden haben sollen und der elteste burgemeister absonderlich 12 Schilling und jedem Vorsteher 6 Schilling. Der Vorsteher wird von den H. Superendenden auch den H. Preposito und die H. beambten auch von einen E. E. Raht Eidlich angenommen auch da vor muß er seine rechnung ablegen.
    [seitliche Ergänzung: Die vorigen Vorsteher aber haben 2 Gulden von den Einkeüffer Embfangen vor alles und ist ihnen nicht geweigert vor den also habe ich eß auch bekommen.]
Waß die armen leüte vor Hebung zu genissen haben ist wie folget
Auß den Register jährlich eine jede Person 3 Gulden geld von den beginenacker auff den Schorentihnschen Felde an unser Scheid welches ihm vor alters den bericht nach eine Hochadlige Jungfrau zur Pfingstgabe geschenket sonst ist hir da von keine nachricht es träget jährlich 2 Gulden und teillen daß geld unter ein ander und wird nicht in die rechnung geführet eß kan auch der Acker höher auß getahn werden nach belieben.
Hir nach folget der Acker davon sie ihr Korne haben
   auff den gard hoffe 6 Scheffl Saht

   vom Schütlande biß an daß heydalsche brock 8 Scheffl Saht
   der Kampf bey den Scheünen 12 Scheffl Saht

   noch daselbst vor über bey den scheünen 2 Scheffl Saht

   auß den Malchinschen Dohr vor den Salmer berg

   biß an den brink 4 Scheffl Saht
-------------------------------------
   Ist Sum 32 Scheffl

   Die 4 arme leüte bekommen ein jede Person jährlich 10 1/2 Scheffl bringet auff 4 Portion 42 Scheffl daß müsen die den acker haben alß 10 Scheffl mehr alß die ein Saht geben, beschweren sich daß eß nicht hir Stadt gebrauch sey sondern biten ein wenig linderung.
   Noch ist eine wiese vor den Müllen Dohr so beginen wisch wird genandt an der Müllenbech wird jährlich von den Regirenden Burgemeister und St. Jürgens Vorste[he]r auch 4 von der Bürgerschafft nach der rege geworben jedoch ein jeder 8 Schilling gibt thut 2 Gulden so von der beginen wisch in den Registern berechnet werden.
   2 Wiesen so nicht groß liegen im Vogelcken Sang gebraucht der St. Jürgenß Vorsteher jährlich dazu bekombt er 2 Gulden geld auß dem Register zu seiner besoldung.
   Die halb Hauß wise zum St. Jürgen gibet jährlich 6 Schilling liget am See bey Zehlen Erben wird berechnet im Register 1 Scheffl Saht am Warsauer Wege, an Zehlen Erben belegen gibet dem St. Jürgen 1 Scheffl Korn oder 12 Schilling. Wird im Register berechnet davon gibt der St. Jürgen jährlich geistl. cheiten geld 5 Schilling 6 Pfennig.
   Der Küster bekomet jährlich auß dem St. Jürgen 1 Gulden 12 Schilling. Und wan die armen leüt auß dem St. Jürgen sterben werden sie von ihren Eigenmitl begraben wanß da ist, und daß gut so sie hinter lassen können ihre Erben mit 5 Gulden lösen aber man hat hir keine schrifftliche nachricht von den 5 Gulden pretentirt der E. E. bahr raht die helfft.
   Eß ist von der Stete worauff der St. Jürgen stehet ein ohrt vor alters vor kauffet, an die beyligende stete, welches itzo Hieronimus Schwovius im gebrauch hat, vor 6 Gulden wehre dihnlich wieder da zu bey zu bringen zu mallen einen alten menschen bey der hand garten Frücht haben könte ist auch eingelöset laut register.“

   Das St. Georg Stift, auch Hospital, heiliger Geist oder Armenhaus genannt, hat bis 1850 etlichen Witwen, die sich in das Stift eingekauft hatten, auf ihre alten Tage Obdach und Unterhalt gewährt. Ihre Zahl erreichte aber nie wieder die vor 1637 dagewesene Höhe, ist nie über vier angewachsen. Als Bedingung der Aufnahme wurde 1647 hingestellt, es sollen nur arme Leute, die ein gutes Zeugnis haben, aufgenommen werden. Wer dieser Wohltat teilhaftig werden wollte, mußte sich mit 17 Gulden, später mit 20 Gulden, noch später mit 22 Gulden 12 Schilling einkaufen. Konnte jemand dieses Kaufgeld nicht baar aufbringen, so trat auch wohl Stundung ein, es wurde dann in den vier ersten Jahren des Aufenthalts im Stifte die baare Geldhebung zurückbehalten und die Auszahlung des Jahrgeldes im Betrage von 3 Gulden geschah zuerst im fünften Jahre. Beim Tode der Stiftsarmen pflegte ihr Bett und anderes in dasselbe Mitgebrachte dem Stifte zu verbleiben, oder die Erben mußten es für 5 Gulden lösen. War eine Stelle im Stift erledigt, so verliehen die beiden Vorsteher, unter Vorbehalt der Genehmigung des Rats, die erledigte Stelle einer anderen Person. Manche Protokolle darüber sind noch erhalten:
   "Protocollum gehalten in presentia Bürgermeister und Rath zu Nienkalden den 31 May 1758
   Nachdem die Herrn Vorsteher des hiesigen sogenannten St Georg dem Magistrat an gezeiget, wie die in dem St George durch den todes fall der Krügersch erledigte Stelle hin wieder um der Wittwe Koßelsche solte auf ihr anhalten Conseriret werden, fals ein E. Magistrat hie wieder nichts zu erinnern hätte, und offerirten zu gleich dem Magistrat, das denen selben observantzmäßig zukommende fixum von denen Ein kauffs Gelder nemlich 7 Rthlr. und dem Worthabenden Bürgst 12 Schilling.
   Da nun abseiten des Rahts wieder dieser Frauen nichts zu erinnern gewesen, sind solche 7 Rthlr. angenommen und die Herrn Vorsteher darüber quitiret ut supra                                                    In fidem
                                                Friederich Bischoff
                                                        p. t. Sect."

   1790 wurde ein neues Armenhaus angekauft für 160 Rthlr. N 2/3 von Johann Jochim Lückstädt (heute Klosterstraße 6). Es wurde nun zur Aufnahme und Unterbringung armer Witwen in den St. Georg genutzt. Im Volksmund sprach man vom Kloster, so daß die Straße mit der Zeit "Klosterstraße" genannt wurde.
   Das alte Haus (wahrscheinlich das heutige Hausgrundstück Nr. 13 in der Lutherstraße) wurde am 29.12.1791 für 104 Rthlr. N 2/3 an den Tischler Johannsen verkauft.

 

In diesem Haus, Klosterstraße 6, war bis 1850 das St. Georg Hospital untergebracht

 

In diesem Haus, Klosterstraße 6, war bis 1850
das St. Georg Hospital untergebracht

 

 

   In früheren Zeiten hatte der Magistrat an der Verwaltung des Stiftes teilgenommen, was aber kirchlicherseits in Abrede gestellt wurde. In den Jahren 1770 - 1782 hat es deshalb zwischen Stadt und Stiftung einen Rechtsstreit gegeben, in dem die Stadt für sich in Anspruch nahm:
    1. Nutzung an einem Teile der der Stiftung gehörigen Beguinenwiese,
    2. die Zustimmung der Stadt zur Aufnahme der Hospitalitinnen,
    3. eine Gebühr von 7 Gulden von dem Eintrittsgelde und von 12 Schilling für den Bürgermeister,
    4. Mitwirkung der Stadt bei Bestellung des Provisors,
    5. Prüfung der Jahresrechnung,

   Der Rechtsstreit wurde 1782 durch einen gerichtlichen Vergleich beendet, in dem der Stadt der ewige Niessbrauch an der Beguinenwiese gegen eine Jahrespacht von 16 Schilling für jede Cavel zugestanden wurde; sie aber dafür auf die Ansprüche entspr. Punkt 4 und 5 verzichtet.
   Die Aufnahme einer auswärtigen Hospitalitin gab dann im Jahre 1804 Anlass zu einem erneuten Rechtsstreit, in dem die Stadt die Feststellung begehrte,
   1. dass die Aufnahme von Hospitalitinnen nur mit ihrer Zustimmung geschehen dürfe,
   2. dass von dem Eintrittsgelde, das die Hospitalitinnen bei ihrer Aufnahme zu zahlen hatten, ein Teil an die städtischen Beamten gezahlt werden müsse,
   3. dass die auswärtigen Hospitalitinnen sofort wieder aus dem Stifte zu entlassen sein.
    
   Dieser Prozess wurde durch Vergleich vom 5. October 1804 beendet, in dem bestimmt wurde, daß der Magistrat bei künftigen Aufnahmen von Hospitalitinnen in der Weise mitzuwirken habe, dass die aufzunehmenden Personen dem Bürgermeister vor der Aufnahme namhaft gemacht werden müssten und bei nicht zu beseitigenden Widerspruche seinerseits die Herzogliche Landesregierung über die Aufnahme entscheiden solle. Bei diesem Zustand blieb es bis zum Verkauf des St. Georg Hospitals.

   Im Jahre 1850 entschloß man sich, das St. Georg Hospital in der Klosterstraße (damalige Hausnummer 80, heutige Hausnummer 6) zu verkaufen und die Geldmittel der St. Georg - Stiftung für andere Zwecke zu verwenden.
   Die vier Insassinnen des Hospitals wurden mit Geld abgefunden. Sie wurden am 12.3.1850 durch den Hospitalvorsteher Müller darüber informiert. Es waren zu dieser Zeit:
die Witwe des wail. Zieglermeisters Maas (seit Ostern 1848),
die Witwe Wenzel, Maria, geb. Glasow (ebenfalls seit Ostern 1848),
die Witwe Stemwedel,
die Witwe Hinckfoth.

   Sie erhielten folgende Schreiben:

   "An die beiden Hospitalitinnen Wittwe Maas und Wenzel
   Mit schmerzlichen Bedauern muß ich nach Beschlußnahme Allerhöchster Behörde und im Auftrage des Herrn Superintendent Schmidt zu Malchin Ihnen beiden eröffnen, daß über das St Georg Hospital und dessen Vermögen anderweitig verfügt worden, das Hospitalhaus verkauft und Sie in Gemäßheit der Bedingungen bei Ihrer Aufnahme jetzt gekündiget werden. Ihre bisherige Wohnung darin Michaelis d. J. zu räumen, daß Sie bis Michaelis d. J. noch Ihre Emolumente beziehen und ihr Einkaufsgeld mit 24 Rthlr. courant zurück erhalten werden. Mit Michaelis d. J. aber alle Verbindlichkeit des St. Georg Hospitals gegen Sie aufhören wird.
   Neukalden 12. März 1850                      JFMüller
                                                pt. Hospital Provisor"

   Bei den andern beiden Frauen waren die bei der Aufnahme getroffenen Vereinbarungen anders, und sie erhielten das folgende Schreiben:

   "An die Wittwe Hinckfoth und Stemwedel
   Da über das St Georg Hospital Vermögen bereits höheren Orts verfügt worden das Haus worin Sie wohnen verkauft werden soll, so habe ich in Auftrag des Herrn Superintendent Schmidt zu Malchin Ihnen zu eröffnen, daß Sie solches verlassen und sich zu Michaelis d. J. eine andere Wohnung miethen.
   Da Sie aber auf Ihre Lebenszeit Anspruch auf alle Emolumente, d.h. Wohnung, Geld, Garten und Korn haben, so wünscht die Oberbehörde einen Accord mit Ihnen dahin abzuschließen, daß sie hinfür an baaren Gelde entschädigt werden, und können Sie billiger Weise dasjenige alljährlich verlangen, was die Maas und Wenzel erhalten haben, nämlich jede von Ihnen 16 Rthlr. 16 Schilling courant und eine jährliche Miethe von 6 bis 7 Rthlr.
   Ihre Erklärung hierüber, diesen Vorschlag anzunehmen, oder ob Sie hiergegen noch was einzuwenden haben, erwarte ich innerhalb drei Tagen, weil ich über die Ausrichtung des mir gewordenen Auftrags berichten muß.
   Neukalden den 12 März 1850.                JFMüller
                            pt. Hospital Provisor"

   "An den Herrn St Georg Hospital Provisor JFMüller hieselbst.
   Wenn über das St. Georg Hospital wie Sie uns mittheilen höheren Orts verfügt ist, so möchten wir uns dem nicht gerne wiedersetzen, so ungerne wir unsre Wohnung auch verlassen, die uns lieb geworden und in der wir unsre Lebenszeit beschließen zu dürfen geglaubt und an die wir auch ein Recht haben.
   An Auskünften können wir beide wohl mehr verlangen aus dem Hospital als 16 Rthlr. 16 Schilling cour., welches die Maas und Wenzel erhalten haben, indem diese ja nur unter den so gestellten Bedingungen aufgenommen sind, für unsere Verhältnisse wären 18 Rthlr. cour. nicht zuviel, da die Heitzung uns nun ja auch mehr kommt als bisher und wir ja noch gar nicht wissen, wie und wo wir ein Unterkommen finden.
   Was die Miethe anlangt, so ist für 6 bis 7 Rthlr. keine Wohnung zu finden die nur im Entferntesten unsre jetzige Wohnung gleich käme, kaum das unbedeutendste Hinterstübchen ist dafür zu haben, wie wir denn augenblicklich eine Wohnung zu erhalten, überhaupt Noth haben werden. Hier durfte uns Niemand jagen, wir hatten Stube mit hellen Fenstern, Kammer, Bodenraum, Hof und ein kleines Gärtchen, den Thorweg zum Trocknen der Wäsche bei schlechtem Wetter und die warme geschüzte Lage des Hauses nicht in Ansehung zu bringen. Das läßt sich nicht für 6 bis 7 Rthlr. cour. irgend wo im Orte herbeischaffen. Eine wenn auch nur kleine Stube wird nicht unter 12 Rthlr. cour. zu haben sein, und so machen wir auf eine solche Miethe für uns jede mit Recht Anspruch.
   Auf andere Bedingungen hin können wir uns nicht einlassen und müssen die Herren die darüber verfügt haben auch das Bedenken, daß es einen Unterschied macht, ob wir bei fremden Leuten im Hause wohnen oder dem Hause angehören ein bleibendes Anrecht daran rechtmäßig haben, oder jährlich die Kündigung entgegen sehen können.
   Neukalden 15 März 1850
                            Wittwe Stemmwedel
                            Wittwe Hinkfoth
                            Hospitalitinnen."

   Man einigte sich schließlich:

   "1. die genannten beiden Wittwen Stemwedel und Hinckfoth räumen Michaelis dieses Jahres ihre bisherige Wohnung in dem St Georg Hospitalhause hieselbst und geben ihre Rechte an dasselbe, sowie die bisher genossenen Natural Emolumente gänzlich und für immer auf
   2. dagegen erhalten sie von Michaelis 1850 an alljährlich
   a, Wohnungs Entschädigung 24 Rthlr. courant
   b, Entschädigung für alle übrigen baar und
      Natural – Emolumente 32 Rthlr. 32 Schilling courant
   --------------------------------------------
   Summa 56 Rthlr. 32 Schilling courant"

   Mit diesem Geld waren beide einverstanden. Die Witwe Hinkfoth, geb. Lindemann starb am 20.6.1878. Sie hatte zuletzt 85 Mark jährlich aus der Stiftung erhalten.

   Folgende Bekanntmachung wurde ausgerufen, an der Kirchentür ausgehängt und im "Malchiner Amtsboten" sowie in der "Rostocker Zeitung" inseriert:

 

Annonce vom 22.6.1850

 

 

   "Zum öffentlich meistbietenden Verkauf des St. Georg-Hospitalhauses hieselbst, welches im baulichen Stande sich für jeden Handwerker eignet, ist ein Termin auf
   Sonnabend, den 6. Julius d. J.
   Vormittags 11 Uhr
angesetzt. Kaufliebhabern, welche dasselbe vorher in Augenschein nehmen wollen, steht auch die Einsicht der möglichst billigen Verkaufsbedingungen bei Unterschriebenem frei, und werden selbige hiedurch geladen, sich gedachten Tages auf hiesigem Rathhause einzufinden und bei annehmlich befundenem Bot unter Vorbehalt allerhöchster Genehmigung den Zuschlag zu gewärtigen.
Neukalden, 22. Junius 1850.               J. F. Müller,
                                    p. t. Hospital Provisor"

   Das Gebäude war vor dem Verkauf auf 437 1/2 Rthlr. taxiert worden. Bei der Versteigerung erstand der Stellmacher Brandt jun. das Haus und bezahlte dafür 400 Rthlr. Die vier Insassinnen räumten das Haus. So lautete der Kaufkontrakt:
 
   "Kaufcontract über den Verkauf des St Georg Hospitalhauses zu Neukalden
   Da in Grundlage des subhaftations Protocolls vom 6. July 1850 nach welchem der Rademacher Brandt jun. in Gemäßheit der sub C. anliegenden Bedingungen 365 Rthlr. geboten, sich aber unterm 10 ejusdem erklärt seinen Meistbot zu 400 Rthlr. cour. unter denselben Bedingungen zu erhöhen und diese Offerte nun mehr Allerhöchst genehmiget worden, so ist nun nachstehender Verkauf und Kaufcontract unter beiden Contrahenten abgeschlossen und vollzogen.

   §. 1.
   Der unterschriebene Notar und Hospital Provisor Müller verkauft und überläßt dem Rademacher Brandt jun. hieselbst das hiesige St Georg Hospitalhaus für die Summe von Vierhundert Rthlr. courant.

   §. 2.
   Der Rademacher Brandt jun. unterwirft sich bei Acception des Kaufpreises von vierhundert Rthlr. courant den sub C. zum subhaftations Protocoll de 6 d. M. anliegenden Bedingungen.

   §. 3.
   Der Käufer Rademacher Brandt zahlt bei Unterschrift dieses Contracts baar (100 Rthlr.) Hundert Rthlr. courant. In Termino Michaelis d. J. zahlt derselbe vor der Tradition des gedachten Hauses dreiunddreizig Rthlr. 16 Schilling courant. In Termino Anthoni 1851 das zweite Drittheil des Kaufpreises mit Hundertdreiunddreizig Rthlr. 16 Schilling courant mit Zinsen zu 4 prC von Michaelis 1850 an mit ein Thaler 16 Schilling das letzte Drittheil bleibt auf halbjährige Kündigung sub jure reservati dominii zur ersten Hypothek zinsbar zu vier proCent stehen.

   §. 4.
   Die Tradition geschieht in Ter. Michaelis d. J. und zwar nach §. 3. der Anlage C. zum subhaft. Protocoll.

   §. 5.
   Der Käufer unterwirft sich ganz den Bedingungen in Anlage C zum subhaftat. Protocoll.

   §. 6.

   Nach Bezahlung des zweiten Drittheils des Kaufpreises von Seiten des Käufers in Ter. Antoni 1851 wird demselben das Haus nach Inhalt des §. 9. der Bedingungen zu Stadtbuch verlassen, so wie Käufer sich weiter den Bedingungen sub 10, 11 und 12 unterwirft.

   §. 7.
   Dieser Contract ist doppelt ausgefertiget, wovon jeder Contrahent ein Exemplar erhalten, nachdem selbiges durch beiderseitige eigenhandige Namens Unterschrift vollzogen worden und zwar das Haupt Exempl. Verkäufer, das Duplicat aber der Käufer erhalten.
   Geschehen Neukalden den 23. Juli 1850.

Johann Brandt junior                       

 

JFMüller

Notar immatr.

Hospital Provisor"

   Nach dem Verkauf des Hospitals wurde der Wirkungskreis des Stifts wesentlich umgestaltet. Man stellte ihm in erster Linie die Aufgabe, Leute, welche im Begriffe stehen zu verarmen, auch solcher Wohltat würdig erscheinen, wo möglich vor dem gänzlichen Verarmen und dem Anheimfallen an die Armenkasse zu bewahren. In zweiter Linie sollte dann auch Schulgeld für ärmere Kinder, um dieselben der Wohltat eines besseren Unterrichts teilhaftig zu machen, bezahlt werden. Es leidet kaum Zweifel, daß man bei dieser dem Stift gesetzten Aufgabe mehr Gutes damit fördern konnte als früher. Ob diese Aufgabe auch der Absicht des Stifters entsprach, ist bei dem Dunkel, welches über Ursprung und älteste Geschichte des Stiftes herrscht, nicht mit Gewißheit zu entscheiden, wenn gleich eine mehrhundertjährige Geschichte es wahrscheinlich macht, daß das Stift von seinem Ursprung her zur Gewährung von Wohnung und Unterhalt an arme alte Frauen bestimmt war. Schon 1798, als die Regierung nähere Nachrichten über Ursprung und Geschichte des Stifts begehrte, ließen sich solche über das Georgsstift aber nur mangelhaft geben.

   Ein entsprechendes Regulativ für die St. Georg - Stiftung wurde 1853 erlassen:

   "Friedrich Franz von Gottes Gnaden, Großherzog von Mecklenburg
   Nachdem Wir für die Verwaltung der St. Georgs - Stiftung und des in Zukunft damit verbundenen Armenkastens in Neukalden zwecks Verwendung der disponiblen Ueberschüsse dieser pia corpora für die dortigen Armen und zur Beschulung armer Kinder nach den Grundsätzen einer christkirchlichen Armenpflege nunmehr haben ein Regulativ entwerfen lassen, welches sub hodierno oberbischöflich von Uns genehmigt und bestätigt ist: so theilen Wir euch solches hieneben in beglaubter Abschrift zu eurer Kenntnißnahme mit, und eröffnen euch zugleich, daß Wir Unsern Superintendenten Schmidt zu Malchin beauftragt haben, den von Uns zunächst aus dem Pastor Breuel, Hospitalprovisor Müller, Küster Wiebcke und Tischlermeister Fischer zu Neukalden zusammengesetzten und bestellten Stiftungsvorstand fördersamst einzusetzen und die Stiftungsverwaltung regulativmäßig einzurichten. Auch bleibt euch unverhalten, daß nicht nur fernerhin die ganze Rein - Aufkunft des Armenkastens und mindestens jährlich 24 Thaler aus der St. Georgsstiftung alljährlich für Beschulung armer Kinder in Neukalden, wiewohl nach Vorschrift der §§ 4 und 5 des Regulativs, aufgewendet werden sollen, sondern auch schon für die nächste Zukunft außerdem der dortigen Armuth jährlich etwa Sechzig Thaler Courant, nach dem Ableben der jetzigen Beneficiatinnen und nach dem Eintritt einer Veränderung in der Person des Hospitalprovisors aber bedeutend größere Summen zu Gute kommen werden.
   Gegeben durch Unsern Oberkirchenrath,
              Schwerin am 13. Juli 1853

   Confirmation des Regulativs für die Verwaltung der St. Georg Stiftung und des Armenkastens zu Neukalden.

   Wir Friedrich Franz
   von GOTTES Gnaden Grossherzog von Mecklenburg, Fürst zu Wenden, Schwerin und Ratzeburg, auch Graf zu Schwerin der Lande Rostock und Stargard Herr.
   Urkunden und bekennen hiemit für Uns und Unsere Nachfolger an der Regierung, daß Wir das hierneben angeheftete Regulativ für die Verwaltung der St. Georg Stiftung und des Armenkastens zu Neukalden in allen seinen Bestimmungen, wiewohl unter ausdrücklichem Vorbehalt der Aufhebung oder Abänderung derselben in einzelnen Puncten, sofern Uns solche Aufhebung oder Abänderung dem frommen Zwecke der gedachten kirchlichen Stiftung förderlich erscheinen wird, Kraft dieses, so viel aus oberbischöflicher Macht und Gewalt geschehen mag, genehmigt und bestätiget haben, übrigens Unseren oberbischöflichen Rechten unnachtheilig, auch sonst Jedem an seinem erweislichen Rechte unschädlich.
   Urkundlich unter Unserm Handzeichen und Insiegel.
   Gegeben durch Unsern Oberkirchenrath,
   Schwerin am 13. Juli 1853.

   Regulativ für die Verwaltung des St. Georg – Stifts und des Armenkastens zu Neukalden.
   Nachdem in Folge Oberbischöflicher Verfügungen das dem St. Georg – Stift zu Neukalden gehörige Haus verkauft und die zwei berechtigten Hospitalitinnen nach Vereinbarung mit denselben durch baares Annuum auf ihre Lebenszeit abgefunden worden; so sind nunmehr wegen der künftigen Verwaltung und Verwendung des Stiftsvermögens nachfolgende Bestimmungen getroffen worden, welche beziehungsweise auch für den Armenkasten gelten.

   §. 1.
   Das St. Georg – Stift in Neukalden bleibt, wie der Armenkasten, nach wie vor eine selbstständige kirchliche Stiftung, welche, da nach dem Verkauf ihres Hauses der Zweck eines Hospitals oder Armenhauses nicht mehr verfolgt werden kann, ihre Mittel zur Unterstützung nothleidender Glieder der evangelisch lutherischen Stadtgemeinde zu Neukalden (mit Ausschluß der ländlichen Eingepfarrten) verwendet.

   §. 2.
   Die in Aeckern, Wiesenkaveln und Kapitalien bestehenden Fonds der Stiftungen sind niemals anzugreifen, vielmehr sorgfältig zu conserviren. Die Kapitalien sind wo möglich zum Ankauf von Gärten, Aeckern oder Wiesen zu verwenden, sonst aber gegen pupillarische Sicherheit in dem für alle kirchlichen milden Stiftungen bestehenden gesetzlichen Wege zu belegen. Die Grundstücke sind meistbietend zu verpachten.

   §. 3.
   Die aus den Zinsen und Pächten und für den Armenkasten noch aus den Erträgen des Klingbeutels sich ergebenden jährlichen Einkünfte sind, soweit sie nicht von dermalen etatisirten Salarien, Abfindungen und Verwaltungskosten absorbirt werden, nach folgenden näheren Bestimmungen zu verwenden.

   §. 4.
   Nach Oberbischöflicher Verfügung de 2. April 1850 werden bereits jährlich für die Beschulung armer Kinder evangelisch lutherischer Eltern der Stadt Neukalden 24 Rthlr. Courant aus dem St. Georg – Stift und die ganze Netto – Aufkunft des Armenkastens verwendet. Dies soll auch fernerhin geschehen; der Stiftungsvorstand bestimmt jedoch nach vorherigem Benehmen mit dem Magistrat, für welche Kinder das Schulgeld ganz oder theilweise aus den vorbezeichneten Mitteln berichtigt werden wird.

 

   §. 5.
   Auch sollen die Schulgeldunterstützungen nicht ferner in einer Summe an die Schulkasse, sondern direct von der Stiftsverwaltung an die zu unterstützenden Kinder zur Abgabe an die Schulkasse gezahlt werden, damit die Kinder und ihre Eltern erfahren und wissen, daß sie von der Kirche Wohlthat empfangen. Die Stifts – Verwaltung aber soll es als unerläßliche Pflicht ansehen, sich christlich um die recipirten Kinder, ihr geistliches und leibliches Wohl zu bekümmern und namentlich strenge darauf zu halten, daß dieselben die ihnen geöffnete Schule regelmäßig besuchen.

   §. 6.
   Die übrigen disponiblen Mittel der St. Georg – Stiftung sind für die Armuth in der Art anzuwenden, daß damit solche Bedürftige, welche noch nicht der Communal – Armenkasse verfallen sind, vielmehr hiervor bewahrt werden sollen, unterstützt werden. Als solche Bedürftige gelten vorzugsweise Familienväter, Wittwen mit Kindern, die der Aufhülfe in ihrem Erwerbsbetriebe bedürfen, wenn sie durch Krankheit oder andere Unglücksfälle oder durch zeitweilige Unzulänglichkeit ihrer Subsistenzmittel herunter zukommen und der Orts – Armenkasse zu verfallen in Gefahr sind. – Ob die Unterstützung in baarem Gelde, in Naturalien oder in welcher Weise sonst gewährt werde, steht zum Ermessen der Stiftsverwaltung. Die selbstverschuldete Noth ist zwar in geeigneten Fällen nicht unberücksichtigt zu lassen, der unverschuldeten Noth aber allemal der Vorzug zu geben.

   §. 7.
   Die Stiftsverwaltung wird selbst beurtheilen, in welchen Fällen es angemessen oder nothwendig ist, dem Armenkollegio von gemachten Verwilligungen Kenntniß zu geben.

   §. 8.
   Es versteht sich von selbst, daß die Stiftsverwaltung bei der Spendung äusserer materieller Hülfen nicht stehen zu bleiben, sondern die beneficirten Dürftigen auch in Berathung und christliche Pflege zu nehmen haben wird.

   §. 9.
   Bei allen Verwendungen der Stiftsmittel, wird es vorzugsweise normirender Grundsatz bleiben müssen, - wie auch §. 6. bereits angedeutet ist – daß Bedürftige immer nur eine zeitlang bis zur Aufhülfe unterstützt werden. Ständige Verwendungen an Arme, bei denen keine Aussicht ist, daß sie der Hülfe nach einiger Zeit wieder werden entbehren können, sind mit seltenen Ausnahmen nicht gerechtfertiget.

   §. 10.
   Um in vorgedachter Weise das Stiftungs – Vermögen zu erhalten, zu verwalten und zu verwenden, bestellt der Oberbischof einen Stiftungsvorstand, bestehend aus dem Ortsprediger, als Vorsitzenden und zwei bis vier christlichen Hausvätern der Gemeinde, welche sämmtlich – mit Ausnahme des derzeitigen Hospital – Provisors – ihr Amt aus christlicher Liebe unentgeltlich verwalten.

   §. 11.
   Die speciellen Geschäftsverrichtungen wird der Stifts – Vorstand selbst zu ordnen haben unter Aprobation Seitens des competirenden Superintendenten; doch werden dabei folgende Puncte festzuhalten sein. Es sind regelmäßig Conferenzen des Vorstands zu halten; in nöthigen Fällen beruft der Vorsitzende entweder nach eigenem Ermessen oder in Folge eines dringlich befundenen Antrags eines Mitgliedes außerordentliche Conferenzen, - für welche Zeit und Ort zur Bestimmung des Vorsitzenden stehen. Von jedem Mitgliede kann die Theilnahme an den Genüssen des Stifts für Kinder und Bedürftige beantragt, aber nur von dem gesammten Vorstande, eventualiter durch Stimmenmehrheit, beschlossen werden. Bei Stimmengleichheit entscheidet hier der Vorsitzende. Dasselbe gilt von dem Betrage jeder zu bewilligenden Unterstützung. Die Beaufsichtigung der Beneficirten des Stifts können die Mitglieder unter sich vertheilen. In den Sitzungen ist ein kurzes Protocoll in einem Protocollbuche zu führen.

   §. 12.
   Eins der Vorstandsmitglieder ist Berechner. Derselbe erhebt die Pächte, Zinsen und andre Gefälle, zahlt die bewilligten Unterstützungen entweder an den zu Unterstützenden oder an ein beschlußmäßig designirtes Vorstands – Mitglied auf des Empfängers Quittung aus, leistet auch die sonstigen Ausgaben des Stifts, wie des Armenkastens und legt über dies alles jährlich Rechnung ab. Er ist schuldig, den Vorstands – Mitgliedern in den Conferenzen stets Auskunft über den Stand der Casse zu geben. Auch liegt ihm die Verpachtung der Grundstücke, sowie die Belegung und Kündigung von Kapitalien nach Berathung mit den übrigen Mitgliedern des Stiftungs – Vorstandes ab, doch versteht es sich von selbst, daß hiefür jedesmal ordnungsmässig der Oberbischofliche Consens durch den Superintendenten einzuholen ist, wie denn überhaupt für dies ganze Berechnungsgeschäft die wegen Administration der kirchlichen Güter bestehenden Vorschriften allen Inhalts in Kraft bleiben.
   Für jetzt tritt der bisherige Hospital – Provisor Müller als Berechner in den Stiftungs – Vorstand ohne irgend wesentliche Veränderung seiner bisherigen Stellung und Verpflichtung, und behält er auch ad dies officii diejenigen Revenüen, die er bis jetzt aus dem Stift bezogen hat. Der künftige Berechner wird dagegen, wie alle Vorstands – Mitglieder, sein Amt unentgeltlich verwalten; jedoch werden selbstverständlich alle baare Auslagen für Schreibmaterialien, Copialien, Porto u. s. w. von der Stiftskasse ersetzt.
   Die Berechnung des Armenkastens geht von Johannis 1853 auf ein Mitglied des Stiftungsvorstandes über.

   §. 13.
   Nach Jahresschluß sind die Jahresrechnungen von dem Berechner dem gesammten Stiftungs Vorstande zu eventuellen Bemerkungen und zur Mitunterschrift vorzulegen und also an den competirenden Superintendenten und Kirchensecretair zur Revision einzusenden. Einer Correvision durch das Großherzogliche Amt bedarf es fernerhin nicht mehr, dagegen hat der Superintendent die revidirten Rechnungen an den Oberkirchenrath zur Superrevision einzusenden.

   §. 14.
   Wenn ein Vorstands Mitglied durch Tod oder sonst wie ausscheidet, hat der Ortsprediger davon sofort bei dem competirenden Superintendenten die Anzeige zu machen und zugleich nach Berathung oder in Uebereinstimmung mit den übrigen Vorstands – Mitgliedern ein geeignetes neues Mitglied in Vorschlag zu bringen, damit die Ergänzung oberbischöflich verfügt werde.

   §. 15.
   Dem competirenden Superintendenten liegt außer dem in den vorstehenden §. §. bereits Erwähnten die gewissenhafte Beaufsichtigung der Stiftsverwaltung ob, und wird derselbe nicht versäumen, so oft sich Gelegenheit oder Veranlassung dazu bietet, an Ort und Stelle Einsicht von derselben zu nehmen und den Segen der Stiftung mit Rath und That zu fördern.

   §. 16.
   Vorstehende Bestimmungen, deren Aenderung nach Nothdurft von Oberbischofswegen vorbehalten bleibt, treten mit Johannis 1853 ab in Kraft."


   1877 berichtete Pastor Klähn über die St. Georgs – Stiftung:

   „Zweck der Anstalt: Aus der Stiftung erhalten solche Arme in der Stadt Neukalen, die der Communal - Armenkasse noch nicht verfallen sind, Unterstützungen im Gesamt - Betrage von 375 Mark jährlich. 72 Mark erhalten jährlich arme Schulkinder, 85 Mark alljährlich ad dies vitae eine noch lebende frühere Hospitalitin des St. Georgs - Stiftes, der jährliche Überschuß wird nach Abzug von 146 Mark 48 Pfennig, welche Summe an verschiedene Kirchendiener als Pensionen resp. Salarien und feststehende Zulagen jährlich gezahlt wird, capitalisirt.
   Größe des Stiftungsvermögens: 11317 Mark 14 Pfennig Antoni 1877. Außerdem 2734 Quadratruten Acker und 1 Wiese.
   Größe der jährlichen Einnahmen: 1487 Mark 2 Pfennig im Jahre 1876.
   Namen der Vorsteher, Berechner: Der Vorstand besteht aus dem Pastor Klähn, Küster Knoll, Webermeister J. Schwarz und Tischlermeister L. Wasserstrat, der erstgenannte ist zugleich Vorsitzender und Berechner.“

   Zur Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens ist ein Vorstand eingesetzt, bestehend aus dem Ortspastor als Vorsitzenden und zwei bis vier christlichen Hausvätern der Gemeinde. Zu Armenunterstützungen werden um 1900 jährlich etwa 500 Mk. verwandt und ferner einstweilen die Ueberschüsse, welche nach Bestreitung für Salarien, Pensionen und sonstiger Kosten und nach Vorwegnahme der regulativmäßig zur Beschulung armer Kinder bestimmten 72 Mk. verbleiben. Das Capitalvermögen des St. Georg – Stifts betrug um 1900  20 000 Mk., das des Armenkastens 3800 Mk. Außerdem besitzt das St. Georg – Stift mehrere Ackerstücke, welche eine Jahrespacht von 600 Mk. eintragen, der Armenkasten ein Ackerstück mit einer Jahrespacht von 71 Mk.

   Der Vorstand der St. Georg - Stiftung führte regelmäßig seine Sitzungen durch, um die Geldbeträge des St. Georg – Stiftes zur Unterstützung armer Schulkinder (meistens je 3 - 5 Mark, im Einzelfall auch bis zu 12 Mark) festzulegen. So wurden z. B. ausgezahlt: 1898 = 667 M, 1899 = 673 M, 1900 = 689 M, 1901 = 682 M, 1902 = 665 M ...

   Ab 23.7.1922 waren im Vorstand der St. Georgsstiftung:
   Zigarrenmacher Friedrich Stahl
   Rentner Friedrich Fehlhaber
   Dann gibt es nur noch wenige Nachrichten über die Verwendung der Geldmittel des St. Georg – Stiftes. Um 1951 wurde ein bestimmter Teil des Stiftungsaufkommens für katechetischen Unterricht verwendet. 1958 legte man nach langjähriger Unterbrechung wieder eine besondere Stiftrechnung beim Oberkirchenrat vor. 1960 wollte man die geringen Einkünfte aus der Stiftung der Kirchenrechnung zuführen. 1970/1971 gab es in Bezug auf die Verwendung der Einkünfte Reibereien zwischen Propst Beenken und dem Oberkirchenrat, die nicht zufriedenstellend geklärt werden konnten.

   Um 1975 setzte sich der Vorstand des St. Georg Stiftes wie folgt zusammen: Friedrich Pauls, Krummestraße; Berta Graf, geb. Nickel, Amtsstraße; Anna Klawitter, geb. Seehafer, Wallstraße.

   Das St. Georg – Stift Neukalen gibt es noch heute. Die Stiftung besitzt ein kleines Kapitalvermögen und 4,7382 ha Äcker, Gärten und Wiesen, welche verpachtet sind.

   Am 1.12.1999 trat eine neue Satzung für das St. Georg – Stift in Neukalen in Kraft. Im Sinne des Stiftungszweckes sollen von den Einkünften hilfsbedürftige Personen, insbesondere im Bereich der Kirchgemeinde Neukalen, unterstützt und die diakonischen Aufgaben der Kirchgemeinde Neukalen gefördert werden.


   Als Vorsteher (Provisor) des St. Georg - Stiftes sind genannt:

Johannes Raschenn                                          

1622

Johann(es) Rabandel                                    

gen.: 1639 ... 1659

Zacharias Blancke                                  

gen.: 1642 ... bis 1661 (Bürgermeister)

Martin Wulff                                                

ab 1647

Jochim Hünerjäger                                           

ab 14.8.1661

Christoff Schultz                                   

ab 1691... gen. bis 1705 (Ratmann und Bürgermeister)

Friedrich Justus                                                

ab 1723 bis 1757

Friederich Bischoff                                       

ab 1757 bis 1781

Hinrich David Justus                                     

ab 1757 bis 11.2.1800

Georg Christian Dolberg                              

gen.: 1791 ... 1829 (Kaufmann)

Bernhard Johann Christian Petri                                      

gen. 1830 (Bürgermeister)

 

Johann Friedrich Müller                                        

ab 24.6.1830 bis 1857

 

Ab 1857 ist der jedesmalige Pastor Vorsteher der St. Georgsstiftung.