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Die Familie Justus in Neukalen

 

Wolfgang Schimmel

 

   Im 18. Jahrhundert war die Familie Justus eine angesehene und geschäftstüchtige Familie, die in vielerlei Hinsicht das Leben und die Entwicklung in Neukalen mitbestimmte.

 

   Friedrich Justus, geboren 1683, war bis 1713 als Schreiber am herzoglichen Amt in Neukalen angestellt. Am 27.9.1713 heiratete er Ilsabe Weinholtz, geb. Stolle, die 48jährige Witwe des Bürgermeisters Daniel Weinholtz, die aber bereits am 15.12.1715 verstarb. Es war damals nicht ungewöhnlich, daß man eine ältere Witwe zur Frau nahm, um sich berufliche Vorteile zu sichern. Daniel Weinholtz, war bis zu seinem Tod am 31.7.1712 Bürgermeister in Neukalen. Er war ein angesehener Kaufmann und besaß ein Haus in der Mühlenstraße (heute Wilhelm-Pieck-Straße). Friedrich Justus führte nun das Geschäft des Verstorbenen weiter.

 

   Am 22.3.1714 wurde er zum Bürger Neukalens aufgenommen. Der Eintrag im alten Stadtbuch lautet:

    "Anno 1714 den 22 Marty Ist Bürger geworden. Friedrich Justus hadt sein Bürger Eydt abgeleget hadt gegeben 7 R".

   Da der Name Justus vorher in Neukalen nicht vorkommt und das Aufnahmegeld mit 7 Gulden recht hoch war, muß man davon ausgehen, daß Friedrich Justus nicht aus Neukalen stammte.

 

   Nach dem Tod seiner ersten Frau Ilsabe heiratete der Kaufmann Friedrich Justus die Tochter des Neukalener Bürgermeister Jacob Ahrens: Dorothea Ahrens (auch Ahrndsen geschrieben), gebürtig aus Grimmen in Pommern, gestorben nach 1763 in Neukalen. Mit ihr hatte er folgende Kinder:

 

1. Friederich Justus, geb. am 29.9.1722 in NeukaIen, gestorben am 16.5.1784 in Hamburg.

2. Johann David Justus, wahrscheinlich vor 1778 in Neukalen verstorben.

3. Jacob Mathias Justus, seit 1755 Angestellter des Hauses Henry Carver zu Birmingham, gestorben in Ramsgate bei London um 1809, Kaufmann in Leinen und Getreide zu London. 

4. Katharina Dorothea Justus, dreimal verheiratet: 1. mit Friedrich Franck, Kaufmann und Ratsherr zu Gnoien; 2. mit Adolf Hinrich Fischer, Kaufmann und Ratsherr zu Gnoien; 3. mit Theodor David Lohse, Kaufmann zu Gnoien. 

5. Joachim Christian Justus, geboren am 8.3.1732 in Neukalen, gestorben am 30.5.1802 in Hamburg.

6. Hinrich David Justus, geboren am 8.3.1732 in Neukalen, gestorben am 11.2.1800 in Neukalen an Schlagfluß. 

7. Anna Dorothea Justus, geboren am 9.5.1734 in Neukalen, gestorben am 19.3.1795 in Hamburg. Sie war zweimal verheiratet: Am 7.4.1755 in Hamburg mit Peter Hinrich Lange, welcher am 7.10. 1765 in Hamburg starb. Am 22.11.1768 in Hamburg mit Johann Hinrich von Essen, welcher am 14.8.1710 in Hamburg geboren wurde und am 14.11.1779 in Hamburg starb.

8. Eva Dorothea Justus, geboren 1735 in Neukalen, gestorben am 11.4.1778 in Rostock. Sie war zweimal verheiratet: Am 4.7.1766 mit Peter Adolf Heydemann, Domänenpächter in Kützerhof und Lehnenhof, vordem Gutsbesitzer in Ranzin in Pommern, gestorben am 11.9.1767 in Kützerhof. Am 8.7.1768 mit Albert Gottlieb Ludwig Taddel, Advokat und Amtshauptmann zu Dargun, Domänenpächter von Lehnenhof und Kützerhof, gestorben am 5.3.178l in Rostock.

9. Sophie Dorothea Justus, geboren in Neukalen, verheiratet mit dem Bürgermeister Fiedler in Gnoien.

 

   Bevor wir über die Söhne (1), (2), (5) und (6) mehr berichten, noch einiges aus dem Leben ihres Vaters Friedrich Justus:

 

   Schon bald wurde er Mitglied im Bürgerausschuß und war ab 1721 Kirchenvorsteher und Vorsteher der St.Georgs – Stiftung. Am 2.3.1722 wurde er aus den Reihen der worthabenden Bürgerschaft an Stelle des verstorbenen Ratmannes Schwovius zum Ratmann gewählt. Der Amtmann Müller protestierte zwar gegen diese Ratswahl, da Schwiegervater und Schwiegersohn nicht gleichzeitig im Magistrat sitzen dürften, er hatte aber keinen Erfolg mit seinem Einspruch.

 

   In den Jahren 1732 ... 1739 wird Friedrich Justus auch als Gerichtsassessor genannt. Um 1733 war Friedrich Justus Vormund der Matthiesen Kinder, zu denen er ein verwandtschaftliches Verhältnis hatte. 

   

   Bei dem großen Feuer im Jahre 1734 wird auch sein Haus in der Mühlenstraße in Schutt und Asche gelegt. Das von ihm neu erbaute Haus (86 Fuß lang und 44 Fuß breit) gehörte zu den größten in der Stadt. Als Kaufmann betrieb er in diesem Haus auch nebenbei einen Ausschank.

 

   1738/39 gab es Streit zwischen dem Ratmann Friedrich Justus und dem Stadtrichter Hilgendorf. Man warf sich gegenseitig Ver­nachlässigung der Amtsgeschäfte vor. Davon ist ein viele Seiten umfassender Schriftverkehr erhalten geblieben.

 

   Als Ratmann war Friedrich Justus bis 1749 tätig. Es ist zwar nicht ganz sicher, da die alten Kirchenbücher 1777 bei einem Großfeuer verbrannten, aber man kann wohl davon ausgehen, daß sein Schwiegervater, der Bürgermeister Jacob Ahrens, 1749 starb. Jedenfalls wird Friedrich Justus als verdienstvolle und geschätzte Persönlichkeit am 21.6.1749 zum Bürgermeister gewählt.

 

   Es existiert heute noch ein silberner Schützenzunftorden mit folgender Inschrift: "Frierich Justus Bürgermeister 1752". Diesen Orden stiftete er als Schützenkönig.

 

   Friedrich Justus war vom 21.6.1749 bis zu seinem Tode am 6.6.1757 Bürgermeister in NeukaIen. Wann seine Witwe starb, ist nicht bekannt, 1763 lebte sie jedenfalls noch. Einige Nachrichten erinnern noch an sie:

   Am 28.12.1757 wurden der Witwe Justus drei Pferde von einem Preußen bei Beestland an der Trebel abgespannt und entwendet. Sie gab an: eine braune Stute zu 38 Rthlr., zwei schwarze Stuten zu je 20 Rthlr.

 

   Am 28.3.1758 wurde der Knecht der Witwe Justus von den Preußen aufgegriffen, um als Husar zu dienen.

 

   Am 27.7.1758 wurden als Vormünder der Kinder der Witwe Justus Michael Plötz und Johann Reincke bestimmt. 

 

   Die "Frau Witwe Bürgermeisterin Justen" hatte in der Zeit des 7jährigen Krieges vom 21.12. - 23.12.1758 Einquartierung: 1 Major und 1 Capitain mit seiner Gemahlin, 6 Personen, 20 Gemeine.

 

   Nun zu einigen Söhnen:

 

   [1] Friederich Justus, geb. am 29.9.1722 in NeukaIen, führte die von seinem Vater 1723 in Neukalen gegründete Firma „Friederich Justus“ in Hamburg seit etwa 1745 fort und kaufte dort ein Patrizierhaus in der Alten Gröninger Straße als Wohn- und Geschäftshaus. Während die väterliche Firma ursprünglich mit einer Vielzahl von Produkten handelte, spezialisierte sich Friederich Justus alsbald hauptsächlich auf den Ankauf, Verkauf und die Fabrikation von Rauchtabak.

Am 21.1.1755 heiratete er Elisabeth Getrud, Tochter von Hinrich Christian Büsch (geb. 15.3.1730, gest. 24.4.1791).

1778/79 war er Präses der Hamburger Commerz Deputation, der späteren Handelskammer, und wurde 1783 in das Gremium der Oberalten gewählt. Die im Staatsarchiv Hamburg aufbewahrten 293 Geschäftsbücher der Firma ab 1752 geben eine Übersicht über Art und Umfang der Geschäfte; Justus hatte vielfache Beziehungen zum Ausland (St. Petersburg, Libau, Riga, Mitau, Stockholm, Bordeaux, Malaga, Lissabon, Livorno, Amsterdam, London, Liverpool u. a.). Er selber reiste wenig, sandte aber einen seiner Brüder des öfteren nach dem Osten bis Riga und einen anderen Bruder nach England, wo dieser sich später in London etablierte. Justus Rauchtabake waren berühmt im In- und Ausland. Er verarbeitete nur Tabakblätter aus dem amerikanischen Raum, keine europäischen Ursprungs, die er als qualitativ schlechter bezeichnete. Seine Fabrikations- und Handelsmethoden waren bahnbrechend. Er legte besonderen Wert auf die Verpackungsart und verkaufte seine besten Tabak-Sorten in Bleidosen mit Prägung einer seiner Handelsmarken Seit 1754 handelte er seine Tabake ausschließlich unter nur von ihm geführten Marken: das war der Beginn der Schutzmarken. In einer seiner Marken erscheint das „Lamm mit Fahne“, das Wappentier der Familie Justus. Es spricht für die Qualität seiner Tabake, daß bereits 1776 seine Marken vielfach nachgeahmt wurden. In den folgenden Jahrzehnten lag die Firma im Streit mit Fälschern in anderen Teilen Deutschlands, die aber gerichtlich nicht zu fassen waren, da die Regierungen in Preußen, Hannover und anderen Staaten solche Nachahmungen nicht untersagten. Justus befaßte sich auch mit Charterung von Schiffen, Beteiligung an Reedereigeschäften, Seeversicherungen und Spedition in Hamburg als Umschlagsplatz. Er verlieh Kapitalien an Rittergüter zu 5 %, zog es aber später vor, sich mit 3 % am Hamburger Platz zu begnügen. Die Hamburger Kirchengemeinde unterstützte er mit zinslosen Darlehen. Er bemühte sich auch um Reformen im Hamburger Zollwesen. Justus hinterließ seinem Sohn Georg Hinrich eine blühende Firma, deren Tradition auch heute noch in der 8. und 9. Generation in Hamburg unter dem Namen Friederich Justus & Co. fortgesetzt wird. Friederich Justus starb am 16.5.1784 in Hamburg.

 

   [2] Johann David Justus wurde am 18.7.1746 als Bürger aufgenommen, muß zu diesem Zeitpunkt also mindestens 22 Jahre alt gwesen sein:

„Anno: 1746: d: 18ten July: hat Johan Daviedt Justus sein Bürger Eydt abgeleget vndt an E E: Raht endtrichtet 1 R“ (1 Gulden).

1751 heiratete er Lucia Plagemann aus Neukalen. Er arbeitete als Branntweinbrenner. Nach dem Tod des Vaters 1757 bekam er das Haus Mühlenstraße 53 (später Wilhelm-Pieck-Straße 10). Johann David Justus ist wahrscheinlich vor 1778 in Neukalen verstorben.

 

   [5] Joachim Christian Justus, geboren am 8.3.1732 in Neukalen kam zu seinem Bruder Friederich nach Hamburg und heiratete am 14.2.1764 Maria, die Tochter von Hermann Joachim Stresow (geb. 24.6.1744, gest. 11.2.1775) und am 23.4.1777 Elisabeth, Tochter von Julius Peter Stampeel (geb. 16.2.1749, gest. 31.5.1813). Joachim Christian Justus starb am 30.5.1802 in Hamburg.

 

   [6] Hinrich David Justus, geboren am 8.3.1732 in Neukalen, wurde am 10.5.1756 zum Bürger von Neukalen aufgenommen und bezahlte dafür 1 Gulden. Er betrieb als Kaufmann auch einen Ausschank nebst Brennerei. Am 30.10.1758 wurde er zum Ratmann gewählt und übte diese Funktion bis zu seinem Tode aus. Als Ratmann war er nebenbei auch noch Kirchenvorsteher und zuständig für das St. Jürgen-Hospital sowie das Armenhaus. Als sein Vater, Friedrich Justus, am 6.6.1757 starb, wurde das große Haus geteilt. Er bekam das Haus Mühlenstraße 52 (später Wilhelm-Pieck-Straße 12).

Vom 23.4. bis 27.4.1760 war er nach Sternberg zum städtischen Convent depotiert. Im Auftrag der Stadt machte er zur Zeit des 7jährigen Krieges mehrere Reisen nach Rostock, Tessin, Güstrow, Dargun und Malchin, um Lieferungen an die Armee zu überbringen. Als Ratmann war er abwechselnd für die Stadtkämmerei (Stadtwirtschaft) oder für das Gericht zuständig. Er war ein angesehener Bürger mit großen Besitzungen. 1772 bezahlte er zum Beispiel 8 Rthlr. 24 Schilling 6 Pfennig an Steuern. Das war mehr als das Doppelte der nächstfolgenden prominenten Bürger; die meisten Einwohner bezahlten um 1 Rthlr. oder nur einige Schillinge. Als sein Besitz sind aufgeführt:

51 3/4 Morgen Acker, ein Haus, 4 Pferde, 9 Kühe, 5 Schweine, 10 Schafe. 

1782 hatte er bereits 56 Morgen Ackerland, der Nächstfolgende 26 Morgen, die meisten nur einige Morgen.

 

   1779 sollte der Kirchhof um die Kirche geschlossen und außerhalb der Stadt ein neuer Friedhof angelegt werden. Diese Forderung hatte die herzogliche Steuerkommission erhoben. Der Rat der Stadt suchte Ausflüchte. Der Ratsherr Justus sagte beispielsweise: "daß er es für verrückt hielte, daß NKalden der erste Ort im Lande seyn sollte, da der Kirchhof außerhalb der Stadt verlegt werden soll".

 

   1785 erhielt der Senator Justus die Nutzung der Bültenwiese zugesprochen.

 

   1762 brannten Scheunen in Neukalen ab, die von den Preußen angesteckt waren. Justus gehörten davon 4 (!) Scheunen vor dem Mühlentor und 1 Scheune vor dem Malchiner Tor.

 

   Hinrich David Justus war mit Augusta Elisabeth Justus, geb. Friedlandt (auch: Fredeland, Fredlandt) verheiratet. Seine Schwiegermutter, Justina Elisabeth Fredlandt, geb. Scheel, die am 11.5.1802 als Witwe mit 74 Jahren in Neukalen starb, wohnte bei ihnen.

 

   Hinrich David Justus starb am 11.2.1800 in Neukalen an Schlagfluß. Seine Witwe Augusta Elisabeth Justus (geb. 1.3.1747 in Rostock) betrieb das Kaufmannsgeschäft anfangs weiter, weilte dann aber häufig bei ihren Kindern (so 1806 in Rostock und später in Lüchow). Ihr Haus in der Mühlenstraße wurde 1811 an den Zimmermann Jochim Hinrich Gesch verkauft, welcher es 1814 an Georg Carl Matthaei verkaufte. 

 

   Die verwitwete Senatorin Augusta Justus starb am 7.11.1820 in Lüchow und wurde am 13.11.1820 in NeukaIen (ohne Grabstein) beerdigt.

Als Kinder des Hinrich David Justus und seiner Frau Augusta Justus sind überliefert:

   

   1. Eine Tochter mit unbekannten Namen.

   2. Maria Dorothea Justus, geb. 9.12.1776 in Neukalen, gest. 8.5.1840 in Lüchow, Heirat am 2.4.1799 in Neukalen: Daniel Joachim Friedrich Pogge (geb. 1.4.1765 in Groß-Methling, gest. 14.1.1846 in Lüchow). Ein Sohn von ihnen war der Rittergutsbesitzer Julius Mathias Pogge zu Wolckow und Lüchow (geb. 30.4.1805 in Diekhof bei Güstrow). Als dieser am 10.11.1868 in Wolckow starb, mußte auch der Grundbesitz in Neukalen geklärt werden. Hierbei werden als Schwestern genannt: Amalie Pogge, verh. Hand (geb. 29.12.1801 in Lüchow), Carolina Pogge, verh. Burchard (geb. 28.11.1807 in Diekhof) und Friederika Pogge, verh. Burchard (geb. 10.8.1811 in Lüchow).

   3Sophia Hanna Charlotte Justus, geb. 21.8.1777 in Neukalen, gest. 22.7.1802 in Neukalen an Scharlachfieber. Sie wird als seine “nachgelaßene dritte Tochter” bezeichnet.

   4. Elisabeth Margaretha Justus, geb. 23.1.1781 in Neukalen, gest. 10.6.1812 in Neukalen an Schwindsucht, verheiratet mit dem Acciserat J. G. Crumbiegel in Rostock, deren Sohn Julius Crumbigel lebte 1868 in Ludwigslust.

Siegel des Ratmanns Hinrich David Justus (1757).

Siegel des Ratmanns Hinrich David Justus (1757).

 

 

Unterschrift Hinrich David Justus.

Unterschrift Hinrich David Justus.

 

 

Wappen der Familie Justus.

Wappen der Familie Justus.

 

 

Alte Tabakdose der Firma Friederich Justus, gegründet 1723 in Neukalen.

Alte Tabakdose der Firma Friederich Justus, gegründet 1723 in Neukalen.

 

 

Reklameschild Justus Gold - Friederich Justus, Tabakfabrik Hamburg, gegr. 1723.

Reklameschild Justus Gold - Friederich Justus, Tabakfabrik Hamburg, gegr. 1723.