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Neukalener Schulgeschichte(n) Teil 1

 

Wolfgang Schimmel

 

Erste Nachrichten

über eine Schule in Neukalen

   Die Anfänge des Schulwesens in Neukalen bleiben im Dunkel der Geschichte verborgen. Es ist nichts mehr darüber bekannt.

   Vor dem 30jährigen Krieg soll eine Schulpflicht bestanden haben, doch liegen darüber nur unklare Angaben vor, wie Richard Pagels es formulierte.

   Die Schule war in früheren Zeiten immer eng mit der Kirche verbunden, ja sie ging aus der kirchlichen Unterweisung hervor. Der Schulmeister ist bis 1773 immer auch Kantor gewesen. Vielleicht ist die Schule in der Zeit der Reformation entstanden. Jedenfalls ist zu dieser Zeit Kirchenacker an das fürstliche Amt vergeben worden, wofür das Amt dem Pastor und dem Schulmeister jährlich eine Besol­dung zahlte.

   Einzelheiten über das Neukalener Schulwesen erfahren wir erstmals aus einem Kirchenvisitationsprotokoll von 1622. Der damalige Schulmeister Arnold Frölich bringt einige Beschwerden [gravamen] an und erhält darauf auch Antworten. Die betreffenden Auszüge sollen hier wortgetreu wiedergegeben werden:

   "Meine bereitwillige vnd schuldige Dienste sambt wundschung eines frewdenreichen tages zuvor. Wolledle, gestrenge, ehrwurdige vnd hochgelarte Herrn Visitatores, denselben kan ich schrifftlich nicht verhalten, das etliche gravamina bey dieser Schulen verhanden sein, welche ich aus hochdringender noth specificiren muß; freundlich vnd dienstlich bittend, die Herrn Visitatores wollen sich mit allem Fleis darhin bemuhen, damit dieselben abgeschafft werden:

   1. Das erste gravamen ist, das alle sachen, derer ich benötigt bin, ietz noch eins so tewr geworden sein, als sie fur 10 iahren, da meine bestallung gemachet ist, gewesen sein. Bitte derhalben umb ein augmentum meiner besoldung.

   2. Darnach ist dis mein beschwer, das kein unterscheid alhier gehalten wirdt unter den generalibus vnd specialibus funeribus, sondern das ich nur für eins so woll, alß für das ander 6 Schilling bekomme. Bitte derowegen freundlich, einen unterscheid zu machen, vnd mir mehr geld an zu ordenen.

   3. Das dritte gravamen ist, das ich für die Brautmissen nichts mehr als eine geringe suppe, welche ich meinen adiuvanten geben muß, bekomme. Bitte derhalben ein besser ordnung zu machen, das ich nicht gantz vnd gar umbsonst auffwarten vnd figuraliter singen muge.

   4. Endlich gelanget an die Herrn Visitatores mein freundliches Bitten, Sie wollen den Juraten demandiren vnd aufferlegen, das sie den obersten bodem auff der Schulen vollenkomlich verfertigen lassen.

   Solches umb die wolledlen vnd hochgelarten Herrn Visitatoren hin wieder nach meinem geringen vermögen zuvorschulden, will ich allzeit willigk erfunden werden, Womit ich Sie dem schutz der heiligen Engelein getrewlich thu empfehlen.

    Datum Newenkahlen den 5. July Anno 1622"

 

   Der Schulmeister erhielt auf seine Beschwerden folgende Antwort:

   "Ad Grauamina des Schulmeisters

   Ad 1. Muß sich der Schulmeister gedulden bis zur Continuation vnd endtschafft der Visitation vnd vnsers gn. f. vnd H. Verordtnung.

   Ad 2. Wirt man schwerlich bey der Gemeine etwas erhalten konnen, weill hirin ein iglicher seinen freien Willen haben will. Jedoch soll künfftig wenn noch Zeit vbrig hievon mitt dem rathe geredet werden.

   Ad 3. Der ihm ein brautmiß will singen laßen, soll dem Schulmeister zu der brautsuppen 16 Schilling geben, oder die brautmiß laßen anstehen.

   Ad 4. Sollen die Juraten auff des Schulmeisters anfoddern vom Hauptmann zu Verfertigung des bodens in der Schulen erinnert werden."

 

   Schon zu dieser Zeit wurde das Schulgeld für arme Schüler, deren mit­tellose Eltern das Schulgeld nicht aufbringen konnten, aus dem soge­nannten "Armenkasten" bezahlt.

 

   Im nächsten Visitationsprotokoll aus dem Jahre 1647 lesen wir über die Schule:

   "Schule zum Newenkalden          

   Ligt nach der Kriegesruin, wie der Augenschein gibet nun ins Neundte Jar elendig vnd wüste, ist zwar zimlich vndter Dache danieden aber an Fenstern vnd Wänden allenthalben offen, darinn sich daß Viehe des Sommers schattet. Wird auß der Kirchen gebawet vnd gebessert.

   Hebung [Einnahme] der Schulmeister

   30 Gulden auß der Oeconomie

   1 Drömbt Rogken / 1 Drt Maltz oder Gersten vom Fürstl. Hause allhie wegen Kirchen Acker dafür er dem Pastorn mit einer Predigt subleviren muß.

    1 Morgen Acker hinter dem Hasselbusch

 

   Accidentia

   Für die Institution von iedem

   Kinde alle Quartal 4 Schilling

   Todtengeld für eine alte Person 8 Schilling

   für ein Kind 4 Schilling

   Für die Brautmeß zu singen   16 Schilling

   Hat seinen Tisch bey den Bürgern vnd Nottürfftige Holtzung von der Stadt vor sich, vnd in die Schule.

   - - -

   Wegen der Schul zum NKalden

   Gravamen

   Daß in Entstehung der Hebung vom Fürstl. Hause allhie vnd wegen der geringen Besoldung auß der Oeconomie vnd daß die Schul nicht repariret der Schulmeister, wen einer da ist, mit Tischen vbel versehen wird, bißher die Schule mit einem tüchtigen Gesellen nicht hat konnen gebürlich bestellet werden. Wers wol Zeit, weil die Jugend, Gott lob, mit Macht daher wechset, daß dießfals Rath geschaffet würde.

   Vorschlag wegen eines Schulmeisters

   Wan einem Qualificirten Gesellen vnd Schulmeister allhie zu den vorigen 30 Gulden noch 10 Gulden auß der Kirchen vnd den etwas mehr Acker, noch 1 Morgen zu der vorigen vom Geistl. Acker, wen er bißweilen nicht vollen Tisch hette, zugeordnet würden. Er alßden dafür neben der Schule alle Sonntage die Nachmittagspredigt halten vnd den Catechismum erkleren mucht, wie derglei­chen zu Schwan Sültz vnd Cracow geschiht, vnd alßden der p. t. Pastor daß Examen Catechismi mit den Kindern vnd Gemeine in der Kirchen anstellet.

   Welches sonsten dem Prediger, wen er des Sontages zwei, bißweilen alß des Sommers dreimal auff den Sontag geprediget, zuviel vnd schwer fällt. Wür­de durch Gotts Gnade dieser Gestalt der Catechismy in die Leute sonderlich in die Jugend gelangen vnd die Zuhörer des Examinis Catechetici (daß sie annoch sehr befrembdet) mit der Zeit besser gewohnet vnd also ein Christenthumb erbawet werden.

   (seitliche Anmerkung: Mitt dem itzigen Schullmeister ist ein Vergleich getroffen, ins künftige wirt der H. Superintendens wegen I. f. G. fernere Verordnung machen.)

   - - -

   Schulmeister Joachimus Küster ist ad tempus angenommen vnd bey den Kindern sehr fleißig gewesen."

 

   Soweit die originalen Auszüge aus dem Visitationsprotokoll von 1647, welche die Schule in Neukalen betreffen.

 

   Das Schulhaus lag an der südlichen Seite des Kirchhofes, welcher sich in damaliger Zeit um die Kirche herum befand. Es hatte ein so schadhaftes Dach, daß es sich kaum lohnte, dasselbe auszubessern. Im Schulhause fehlten Fenster und Türen, so daß Schweine und Hühner bei Sommerszeiten darin Schatten suchten. Auch mit dem Einkommen des betreffenden Lehrers (es wird nur ein Lehrer genannt) war es schlecht bestellt. Sein sogenanntes Meßkorn war seit Jahren ausgeblieben. Das Schulgeld, so er von jedem einzelnen Kinde erhielt, war in gleichem Maße, wie die ganze Bevölkerung, zusammengeschmolzen. Der Freitisch (freie Mittagsmahlzeit), den er bei den Bürgern der Stadt gehabt hatte, wurde verweigert, ebenso der mit dem Pastor gemeinsame Freitisch am Sonntage auf dem Amtshaus. Unter diesen Umständen war es daher kein Wunder, wenn die Lehrer sich nach einer besser besoldeten Stelle umsahen.

   Von 1641 bis 1643 war kein Schulmeister da. 1647 wird Joachim Küster als Schulmeister seit 1644 genannt; ein fleißiger Mann, aber ohne Lehrgeschick, wie es heißt. Ihm fehlte die Gabe des Unterrichts in bedeutendem Maße, so daß Pastor Arnoldi selbst den Katechismus auf- und vorsagen mußte. Man hatte ihn eigentlich nur genommen, weil man keinen anderen bekommen konnte. Joachim Küster muß etwa 1654 gestorben sein. Seine Witwe wird später als Hausfrau des Ernst Mathies erwähnt.

   Außer dem Schulunterricht beim Kantor wurden einige Kinder von Privatpersonen - es handelte sich hierbei vielfach um Frauen -  unterrichtet. Diese Einrichtungen bezeichnete man als Nebenschulen. Einerseits wurden sie geduldet, weil die Zahl der Kinder für einen Lehrer zu groß war, obwohl eine Qualifikation der Lehrpersonen in den Nebenschulen nicht nachgewiesen werden brauchte und eine Inspektion nicht stattfand, andererseits schmälerte dieses den Verdienst des Kantors. Die meisten Kinder gingen allerdings erst im Alter von 13 bis 14 Jahren in die Schule.

   Auch der Pastor beschwerte sich 1662 da-rüber, daß der Freitisch, welchen Pastor und Schulmeister von Alters her des Sonntags auf dem Amtshause gehabt haben, in Abgang gekommen ist oder in Abgang kommen will. Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Die herzoglichen Beamten behaupteten, daß dieses keine Gerechtsame gewesen sei, sondern aus des Amts gutem Willen geschehen ist.

   Im Visitationsprotokoll von 1662 wird Christian Höffer als Lehrer genannt. Über die Schule lesen wir:

   "Alß haben die Herrn Commissarii auch Nachfrage gethan, Ob auch alle Schuele gehalten würden wer dieselbige halte, und von weme er bestellet, haben zur Andtwortt gegeben, daß alda Schuele gehalten würde, und wehre nur ein Schuelmeister daselbst, der von I. F. Dl. [Ihre Fürstliche Durchlaucht] alß Patrono dieser Kirchen und Schuelen, Vociret.

   Anno 1649 den 6. Novemb. bin ich Endesbenanter alhie zum Newencalden von dem Sehl. Herrn Pastore Christophoro Arnoldo, in Volmacht des Herrn Superintendentis M. Danielis Arnoldi pia recordationis fürm Ministerii vnd gantzer gemeine publice examiniret, vnd darauff pro ludimoderatore intro­duciret worden.

   Meine Besoldunge von der stadt ist Dreyßig Gulden, vom fürstl. Hause 2 Drtt Korn, als Ein drtt Rogken vnd Ein drtt gersten.

   Aus der Armenkasten vier Gulden.

   Die andern accidentia sein sehr schlecht.

                                                           Christophorus Höffern

                                                           p. t. Ludimoderator

                                                           Neocaldensis.

 

   Fürstl. Mecklenburg. Hoch- vnd Woluerordnete Hern Commissarii.

   Edle, Grosachtbare, Wolwürdige, Hoch- vndt Wolgelarte, Grosgünstige Hochgeehrte Herrn, E. E. vnd Wolwürd. G. mus ich Vnterdienstlich berichten, das nunmehro ins 14 Jahr ich alhie in der schule aufgewartet, vnd zwar mit großer mühe vnd arbeit, zumaln die Knaben, so balt daß früe Jahr angehet, aus der Schule bleiben, der eine hütet die Ochsen, der ander die Pferde, Schweine und Gense, also das ich den sommer über keine Knaben habe, vnd kan bisweilen, Vornemblich des Sonnabents nicht gesungen werden, vnd wen eine Leiche sol zur Erden bestetigt werden, mus ich herumb gehen vnd bitten welche zusammen, vergeßen also alles was sie im Winter gelernet haben vnd im angehenden Winter mus ich mit großer mühe aufs newe wider mit ihnen anfangen, vnd bekommen also den Sommer über von den Knaben kein schuelgelt.

   Wen nun bisweilen noch wol etliche Kinder in die Schule gingen, so sind alhie zwey Weiber, die locken die madlein vnd theils Knaben zu sich vnd informiren die, vnd nehmen mir also mein Brod für dem munde wegk.

   Es haben auch Je vnd allewege die Schueldiener alhie einen freyen Tisch gehabt, auch solches mir promittiret vnd anfangs gehalten worden aber als das Kriegswesen eingerißen, hatt solches einen stilstandt gewonnen, vnd muß ich also itzo in Summa paupertate leben, weil ich nur 30 Gulden Besoldunge habe, vnd 2 Drtt Korn vom fürstl. Hause, wirt nun ein Christlich Hertze bedencken, wie lange ich mit den meinigen dauon leben kan.

   Gelangt demnach an E. E. vnd wolw. G. mein Vnterdienstliches pitten, Sie wollen zu erhaltunge der schulen gute anordnunge machen, daß (1) die leüte mügen vermahnet werden, daß sie ihre Kinder zur schule schicken, vnd (2) die Beyschulen mügen abgeschaffet werden. Dan (3) daß mir meine Tische der Zusage nach, vnd wie es meine antecessores gehabt, gegeben, oder an deßen statt Jehrlich ein gewißes müge vermacht werden.

   Wie solches alles zur Gottes Ehren geschieht, also getröste ich mich grosgönstiger erhörunge, weil es auch vmb E. E. vnd wolw. G. bey dem lieben Gott mit meinem gebete zuuerbitten, auch mit mügligster Dienstleistunge zuersetzen nicht vnterlaßen.

   Datum Newencalden, den 7. Novembris Anno 1662.

                                                           E. E. vnd wolwürd. G.

                                                                       Vnterdienstlicher

                                                                                   Christophorus Höfferus

                                                                                   p. t. Ludimoderator

                                                                                               ibidem"

  

   Ab 1649 war also Christoph Höffern Lehrer an der Schule in Neukalen. Er klagte, wie er sich die größte Mühe gibt, den Kindern was beizubringen. Sobald der Frühling da ist, bleiben ihm die meisten Knaben aus der Schule fort, der eine hütet die Ochsen, der andere die Pferde; wieder andere die Schweine und Gänse, so daß er den Sommer hindurch fast keine Kinder in der Schule hat. Wenn er eine Leiche zu Grabe singen soll, so muß er erst herumgehen und die hierzu nötigen sechs Knaben zusammenbitten. Auf diese Art vergessen die Kinder alles, was sie im Winter gelernt haben. Er, der Lehrer, sei der leidende hierbei, denn er erhalte auf diese Art kein Schulgeld. Wenn nun auch wohl noch etliche Kinder zur Schule kommen wollten, so sind hier zwei Frauen am Ort, welche die Mädchen an sich locken und informieren, ihm also sein Brot vor der Nase wegnehmen.

   Auch, klagt er weiter, daß er keinen Freitisch mehr bei den Bürgern hat. Sobald das Kriegswesen wieder einriß, namentlich um 1659 und 1660, ist es von selbst nachgeblieben. Da muß er nun in großer Dürftigkeit seine Tage verbringen. Er hat 30 Gulden Gehalt und 2 Drömpt Korn, davon kann er mit seiner Familie nicht leben. Laut Magistratsbeschluß wurde der Freitisch für den Lehrer wieder eingeführt, wie es von Alters her gebräuchlich war. Häufig gab es trotzdem Verweigerungen, die Verarmung der Bevölkerung hatte zugenommen.

 

   Es gab 1662 folgende Festlegungen:

   "Demnach die gemeine sich erkläret, dem Schuelmeister, wie von Alters gebrauchlich gewesen, hinwieder den Tisch zu geben, alß soll es auch hierbey also verbleiben." Das bedeutete, daß der Schulmeister wieder kostenlos reihum in der Stadt sein Mittag bekam. Außerdem wurden ihm jährlich 3 Gulden mehr an Gehalt zugesichert. Die baufällige Schule sollte wieder aufgebaut werden.

 

   Bei dem mangelhaften Schulbesuch, und wie nur ein Lehrer in der Stadt war, auf den Knaben und Mädchen gleicherweise angewiesen waren, ließen sich bedeutende Resultate des Schulunterrichts nicht erwarten. Je mehr die Bevölkerung Neukalens wieder zu ihrer vormaligen Höhe anwuchs und noch gar darüber hinausging, desto weniger konnte eine Lehrerkraft die Anforderungen erfüllen. Außer den Kindern, welche Nebenschulen besuchten, gab es viele andere, die bis zur Zeit ihrer Konfirmation in gar keine Schule gingen, oft unter dem Vorwand, daß die Eltern sie unterweisen würden. Tatsächlich aber wollte man das Schulgeld nicht bezahlen und die Kinder zu häuslichen Arbeiten einsetzen. Auf die Art mochte es eine verhältnismäßig nur geringe Zahl von Kindern sein, welche vor ihrem 12., 13. Jahre zum Kantor in die Schule kamen. Mit diesen kam derselbe dann kaum über die Elemente des Wissens hinaus: Einübung des Katechismus, Lesen, Schreiben und, wenn es hoch kam, die Anfangsgründe im Rechnen. Erst, wenn das Ende der Schulzeit herannahte, wurden ihm sämtliche größere Kinder anvertraut. Nun mußte er sie auf die Konfirmation vorbereiten und mit den größeren Knaben Singübungen anstellen, um sie für den Gesang im Gottesdienste und bei Leichenbestattungen zu befähigen. Da blieb für das Schreiben, Lesen und Rechnen kaum noch Zeit.

 

   Der Unterricht in den Nebenschulen und besonders der angeb­liche häusliche Unterricht, stellte sich, namentlich für größere Kinder, immer mehr als unge­nü­gend heraus, und so wurde der Besuch der öffentlichen Schule immer ent­schiedener auch von der Stadtobrigkeit gefordert.

   Mit der Landesverordnung vom 13. Dezember 1756 erließ der Herzog von Mecklenburg ein Gesetz, das alle Landesuntertanen anwies, ihre Kinder vom 6. Lebensjahre an zur Schule zu schicken. Es änderte sich trotzdem wenig.

   Auf die Klage des Pastors Böttger über die leeren Schulen droht Magistrat im Mai 1758, diejenigen Eltern, welche ihre Kinder nicht zur Schule schicken, der Kirchenordnung gemäß zu bestrafen. Beim Herbst - Bürgerrechte desselben Jahres werden wieder einige Bürger deshalb vorgenommen; sie sollten kirchenordnungsmäßig nicht allein das Schulgeld an den Lehrer bezahlen, sondern daneben noch zu einer Strafe verurteilt werden. Für dieses Mal sollen sie mit Bezahlung des Schulgeldes frei­kommen, bei dergleichen fernerem Verfahren aber haben sie eine verhältnis­mäßig unausbleibliche Strafe zu erwarten.        

   Je mehr man aber, zunächst auch nur hinsichtlich der größeren Kinder, darauf drang, daß dieselben die öffentliche Schule besuchten, desto mehr mußte sich die Unzulänglichkeit der einen Lehrkraft herausstellen.

   Die sogenannte Umspeisung oder der Freitisch des Lehrers war inzwischen aufgehoben und durch eine Kontribution, dem sogenannten Rektorspeisegeld, ersetzt worden. So quittierte Kantor B. Finck z. B. am 3.8.1761, daß ihm das halbjährige Speisegeld von Michaelis 1760 bis Ostern 1761 mit zehn Reichsthalern richtig ausgezahlt worden.

 

 

Ankauf eines Hauses als Schulgebäude 1775

 

   1773 wurde eine zweite Lehrkraft eingestellt. Der Kantor war nun der Rektor, und der neue Lehrer der Küster. Rektor war anfangs bloß ein Titel, denn zu regieren gab es nicht viel.

   Der Rektor unterrichtete die Knaben im alten Schulhaus an der südlichen Friedhofsmauer am Markt. Kurz vor der Konfirmation unterrichtete der Rektor auch die Mädchen. Das Schulhaus entsprach schon lange nicht mehr den Erfordernissen. Es wurde wohl bald nach dem Dreißigjährigen Krieg für den schulhaltenden Kantor neu eingerichtet, bot aber nicht genügend Platz.

   Auch das Küsterhaus am Markt, in welchem der Küster Unterricht für die Mädchen und sämtliche Kinder aus Schlakendorf und Salem erteilte, war nicht ausreichend. Aus einer Zeichnung von 1750 ist ersichtlich, daß in diesem Haus nur eine Schul­stube in der ersten Etage mit einer Grundfläche von 8 x 5 m vorhanden war.

   Ein neues Schulhaus sollte gebaut werden. Am 25.8.1763 schrieb der Superintendent Quistorp an den Herzog:

   "Durchl. p. p.

   Es ißt schon bei des vorigen Cantoris zu Neuenkalden, Sarcanders Zeiten darüber, bei mir Beschwerde erhoben worden, daß die Schul - Wohnung für eine so große Anzahl Kinder, als in solcher unterwiesen werden gar zu klein sey; und der itzige Cantor daselbst, Finck führt seit einigen Jahren eben dieselbe Beschwerde. Ich muß es auch gestehen, daß solche Grund habe, und daß es gewiß etwas Pein mit sich führendes und der Gesundheit unzuträgliches sey, in einem so kleinen Zimmer, als die Schulstube ist, mit einer solchen Menge von Kindern, als die Unterweisung des Cantoris daselbst erfordert, sich zu beschäftigen. Wäre es möglich, daß mit Zuziehung eines andern Zimmers die Schulstube vergrößert, oder das Haus auch selbst erweitert werden könte, so würde ich auch schon längst Verfügung dazu gemacht haben. Allein so ist keines von beiden practicable, und letzters desfals nicht, weil von dem auf der einen Seite an das Schulgebeude anschießenden Hause nichts zu erhalten steht, auf der andern Seite aber der Kirchhoff ist, und von solchem, weil die Gräber der Eingepfarrten daselbst sind, nichts abzunehmen steht, auch nicht der geringste Hofplatz bei dem Hause ist, der zu einer solchen Erweiterung angewendet werden könte; ersters aber aus der Ursachen nicht thunlich ist, weil alsdenn der ohnehin nur enge Raum für den Cantor und seine Familie für solchen noch behender werden, und solcher alsdenn fast gar kein Behältniß für daß seinige und zur Haushaltung unentbehrliche haben würde. Sol der Sachen also ein Wandel gegeben werden so ist kein ander Weg, besonders da zum Ankauf eines andern Hauses zur Schul Wohnung sich bis itzt keine Gelegenheit herfürgeben wollen, als daß ein neues, auf einem gantz neuen Platze erbauet, das itzige zum Prediger Witwen Hause, als das biß itzt dort auch noch fehlt, bestimmet, und inzwischen, bis eine Prediger Witwe dort entstünde, daßelbe vermiethet würde. Zu einem Platze zu der neuen Schul Wohnung mögte auch wohl zu gelangen sein, indem die Stadt nicht unabgeneigt gegen Bezahlung solchen von dem Terrain, so ohndeß zu dem Hertzogl. Amte gehöret, und an die Stadt von Hertzogl. Cammer vor einigen Jahren überlaßen ist, herzugeben und da die Stadt wegen der getreuen Information ihrer Kinder liebe für den itzigen Cantorem hat, so mögte solche auch wohl dahin zu bewegen sein, daß solche die zu diesem Bau nötige Hand- und Span- Dienste umsonst leistete. Die Kirche zu Neuenkalden, der die Erbauung und Erhaltung der Schule allein oblie­get, ist auch nicht unbemittelt, und mögte, fals Ew. Herzogl. Durchl. gnädigst ihr nur darin zu Hülffe kämen, daß Höchst Dieselben das zu diesem Bau nötige gesamte Holtz aus dero dortigen Forsten gnädigst zu schencken geruheten den Bau zu bestreiten wohl im Stande sein. Und so habe denn Ew. Hertzogl. Durchl. dies zu Höchst Deroselben Resolution: ob ein neues Schulhauß gebauet wer­den solle? unterthänigst vorzutragen, zugleich aber wenn die höchste Einwilli­gung erfolgete, auch zugleich darauf anzutragen nicht ermangeln sollen. Höchst Dero Amtmann Souhr zu Neuenkalden im gnädigsten Auftrage zu befehlen, des zu erbauenden neuen Hauses halber mit dem dortigen Kirchen Oeconomo Bür­germstr. Bischoff und dem Kirchen Provisore Rathsverwandten Justus in Confe­rence zu treten, mit solchen einen zu dem neuen Gebäude nötigen Platz zu erkiesen, solchen biß zur gnädigsten Ratification mit der Stadt zu behandeln; demnechst aber auch einen Riß und so wohl materialien, als Kosten Verschlag von dem aufzuführenden Gebeude zu Ew. Herzogl. Durchl. gnädigsten Ratifi­cation einzusenden, da denn Ew. Herzogl. Durchl. wenn solche von höchst denenselben approbiret würden, gnädigst geruhen würden, an höchstdero dorti­gen Forsten das nach dem Verschlage erforderliche gesamte sowohl Eichen, als tannen Holtz, als warum demüthigst hiemit nachsuche, ohnentgeldlich an­wei­sen zu laßen, und Höchst Dero Amtmann Souhr, daß Er denn mit Zuziehung des genannten Oeconomi und Provisoris zum Bau selbst zu schreiten habe, gnädigst zu befehlen. Der ich in tiefster Niedrigkeit verharre

   Ew. Herzogl. Durchl. unterthänigst gehorsamster Knecht u. getreuer Fürbitter

                                                                                   Bernhard Friederich Quistorp

   Rostock den 25ten Aug: 1763"

 

   Daraufhin erging am 1.10.1763 an den Amtmann Souhr von Schwerin der Befehl, mit Bürgermeister Bischoff sowie Kirchenprovisor und Ratsverwandten Justus zwecks Erbauung eines neuen Schulhauses in Verbindung zu treten. Am 12.5.1764 kam man diesbezüglich zu einer Beratung zusammen. Amtmann Souhr gab zu Protokoll:

   "Es wäre ihm von der herzogl. Regierung unterm 1tem Octbr. a. p. gnä­digst aufgegeben worden wegen eines neu zu erbauenden Schulhauses in Nienkalden mit dem hiesigen Oeconomio Herrn Bürgermeister Bischoff und dem Kirchenprovisoren Herrn Rathsverwandten Justus in Conferenz zu treten mit diesen einen zu dem neuen Gebäude nöthigen Platz zu erkiesen solchen biß zur Herzogl. gnädigsten Ratification mit der Stadt zu behandeln, hienegst aber einen Riß nebst Materialien und Kostenverschlag zur Herzogl. gnädigsten Genehmigung einzusenden, er hätte dahero um diesen gnädigsten Befehl diese unterthänigste genüge zu leisten, den heutigen Tag zu dieser conferentz bestim­met, und weilen der Platz zu dem neuen Schulhause zugleich biß zur Herzogl. Ratification mit der Stadt behandelt werden solte so hätte sich zu gleich das gantze Collegium Senatus zu dieser conferentz eingefunden.

   Zuförderst wolte Er denen Herrn Bürgermeister und Rathsverwandten die Intention des Herrn Doctoris Quistorff, wie der Bau ohngefehr zu beschaffen, vorstellen: Es solte nemlich ein neues Schulhauß auf einem neuen Platze erbauet die alte Schul Wonung aber zu einen Prediger Wittwenhause aptiret werden, hiernegst solte die Kirche die baaren Mittel so zu diesen Bau erfordert würden hergeben, und da die Stadt wegen der getreuen Information ihrer Kinder, Liebe für den jetzigen Cantorem hätte, und da alles ihrer Kinder halber geschähe jedoch citra consequentiam und ohne die aller geringste Folge aufs Künftige die dazu nöthigen Spann und Handdienste leisten.

   Herrn Bürgermeister und Rathsverwandten dankten zuforderst Ihre Her­zogl. Durchl. submissest daß höchst dieselben auf die erlaße Vorstellung des Superintendenten Quisdorff in Ansehung des hiesigen elenden Schulgebäudes gnädigst reflection nehmen und zu Erbauung eines neuen Schulgebäudes das benöhtigte an den H. Amtmann Souhr erlaßen wollen.

   In Ansehung des Platzes brachte der Herr Oeconomus und Provisor Herr Bürgermeister Bischoff und Herr Senator Justus, denjenigen Platz auf den alten Amtsbauhoffe, welcher gerade gegen des Riemers Schmidts Wohnung über­lege in Vorschlag und da der Herr Amtmann Souhr wieder diesen Platz alß den negsten und bequemsten nichts zu erinnern fand so stimmte auch das gantze Collegium Senatus zur Überlaßung deßelben an der Kirche für baare Bezahlung gar gerne ein, und so bald nur die Größe bestimmet wolten Sie auch den Preis festsetzen.

   Weil dem hiesigen Cantori die Beschaffenheit der Schule und der in derselben zu unterweisenden Jugend und wie viel Zimmer dazu erfordert würden am besten bekandt sein müste so ließ der Herr Amtmann Souhr demselben auch zu dieser Conference einfordern und wie derselbe erschienen, so ging seine Meynung dahin: daß ob gleich der Cantor nur die Knaben allein hieselbst in der Information hätte es doch zuträglich seyn würde wenn zwey Zimmer neben einander zu Schul Stuben angelegt würden damit die größeren Knaben von den a. b. c. Schützen separiret werden könten.

   Nachdem nun der Herr Amtmann Souhr mit den Herrn Bürgermeister Bischoff und den Herrn Rathsverwandten einen ohnentfehrigen Entwurf zu dem Riß des neu zu erbauenden Schulhauses 90 Fuß lang und 43 Fuß breit entworffen, so committirte der Herr Amtmann den gegenwärtigen Zimmer Mei­ster Lautenschläger  einen Riß ins Reine zu bringen, und zu gleich den Holtz Verschlag anzufertigen.

   Wen nun zu der Breite des Hauses a 43 Fuß noch ein Hofraum von 30 Fuß erfordert würde, so würde der gantze Platz zu diesem neuen Schulhause 90 Fuß lang und 73 Fuß breit sein müssen.

   Nach verschiedentlichen desfals geflogenen Handlungen mit den Magi­strat ward der Herr Amtmann für die Überlassung dieses Platzes mit demselben biß zur Herzogl. Ratification auf 40 Rthlr. Geld einig.

   In Ansehung der zu diesem Schulgebäude erforderlichen Spann und Hand­dienste gab Magistratus folgendes ad Protocollum: Wenn die Stadt in ihren vorigen Umständen wäre so würde einjeder Einwohner derselben mit Vergnü­gen zu diesen Bau in Ansehung der Fuhren und Handdiensten daß seinige dazu leisten, Allein da sie durch den Krieg und Brandt gäntzlich ruiniret und allen Menschen schuldig wären und die Stadt noch über dehm wie fast an keinem Orth im Lande die Pfarr Gebäude in baulichen Stande unterhalten müsse, so könte sie jetzt unmöglich, besonders da einjeder mit Aufbauung seiner verlohr­nen Scheune beyde Hände voll zu thun hätte, daß geringste zu diesen neuen Schul Gebäude, in Ansehung der dazu erforderlichen Spann und Handdienste da zu versprechen.

   Der Herr Amtmann Souhr.

   Er hätte diesen Einwurff des Magistrats wegen erlittenen Brands und der daher wieder aufzubauenden Scheunen und daß die Stadt jetzt da mit mehr den zu viel belästiget wäre, schon lange im voraus gesehen, und daher hätte er auch mit dieser conference und den Antrag nicht eilen wollen, da aber schon einige Scheunen im vorigen Jahre wieder hergestellet worden, in diesem Jahr auch bereits der Anfang mit Errichtung einiger derselben wieder gemacht, und in wenigen Jahren, diejenigen, so da anders bauen könten, bald die übrigen voll­en­den würden, so hoffe er dass die Stadt Niencalden und deren Einwohner sich alß den nicht weigern würden, die nöhtigen Fuhren und unumgänglichen Hand Arbeiten citra consequentiam dazu herzugeben, in dem ihnen hier unter alle Befugnisse daß dieses alß keine Schuldigkeit jemahls angesehen werden solte, vorbehalten bliebe.

   E. E. Magistrat und gesamte Bürgerschafft möchten nur in Erwegung ziehen, daß alles dieses zum Besten ihrer eigenen Kinder gereichte, und daß Ihro Herzogl. Durchl. Höchst zu verehrende Gnade es nur allein wäre die ihnen daß da zu benöhtigte Holtz Schenken und geschehen laßen würden, daß die baaren Mittel aus dem Kirchen aerario dazugenommen würden. Denn wann alles Holtz und übrigen Bau Materialien für baares Geld angefahren werden solten, so fürchte er daß die Kirchen Mittel zu diesem Bau nicht hinreichen würden. Um nun hievon des mehren urtheilen und der Herzogl. Regierung Bericht erstatten zu können, so wolle er sich von den Herrn Provisorum und Raths Verwandten Justus ein Verzeichniss von der Kirchen Umstände aus­ge­beten haben.

   Magistratus repetite priora und der Herr Oeconomus und Provisor ver­sprachen, das befohlene Verzeichniß dem Herrn Amtmann einzuliefern."

 

   Für das neu zu erbauende Schulhaus (geplant war es mit etwa 30 m Länge und 14 m Breite) nebst den dazu benötigten Ställen wurden veranschlagt:

              5013 Fuß Eichenholz

            12912 Fuß Tannenholz

            an baaren Kosten 1505 Rthlr. 1 Schilling

            Hand- und Spanndienste für 532 Rthlr. 32 Schilling.

 

   Protocollum gehalten auf dem Rathhause zu Nienkalden den 30ten Jan. 1766 sub praesidio

   des Herrn Amtmann Souhr

   in Gegenwart

   des Herrn Bürgermeisters Bischoff

   des Herrn Bürgermeisters Klasen

   des Herrn Rathsverwandten Bremer

   und der Ausschußbürger

   Der Herr Amtmann Souhr gab ad protocollum:

   Es hätten Ihro Herzogl. Durchl. auf unterthänigste Bitte und Vorstellung des hiesigen Küsters Schurich wegen der auf den Dörffern angelegten Schulen und wegen verhöung des Schulgeldes ihm untern 18ten Jul. a. p. gnädigst aufgegeben über die Beschwerden des Küsters in ansehung der Kinder vom Lande und überhaupt über den Umstand daß sich in den Dörfern eigen­mäch­tiger Weise Schulmeister gesetzt hätten und daß es angeblich die Schuldigkeit der Haußleuthe sey, die Dorfkinder nach Nienkalden zur Schule zu schicken, unterthänigst zu berichten.

   Zugleich aber auch Bürgermeister und Rath hieselbst die Billigkeit und Nothwendigkeit vorzustellen, daß dem Küster nach dem Gebrauch ander Örter wöchentlich ein Schilling Schul - Geld müße gegeben werden, mithin es so einzuleiten daß sich die Bürgerschaft zu dieser Erlegniß in Güte bequeme, welcher in Fall sie da wieder nichts zu Rechtbeständiges einzuwenden hätte kein Unrecht geschehen würde wenn Ihro Herzogl. Durchl. sonsten mittelst einer förmlichen Verordnung das wöchentliche Schul - Geld fest setzen würden.

   Der Herr Amtmann Souhr hätte also diesem gnädigsten Befehl sich heute unterthänigst unterziehen wollen, und da Magistratus so woll als die Ausschuß­bürger auf die Commissarische Notification sich gehorsamst hiezu in curia ver­sam­let, so wolle er zuforderst durch öffentliche Verlesung der gnädigsten Ver­ord­nung sich zu diesem Geschäfte legitimiren. Nach öffentlicher Verlesung des gnädigsten Rescripti hegte der Herr Amtmann Souhr zu E. E. Magistrat das sichere Vertrauen daß sie in ansehung des von dem Küster verlangten wöchent­lichen Schul - Geldes nemlich wöchentlich von jeden Kinde 1 Schilling die Billigkeit und Nothwendigkeit einsehen würden, und da er ihnen gleich nach dem Empfang der gnädigsten Verordnung seinen ihm gewordenen Auftrag angezeiget, und dabey ersucht hätte die Einleitung bey der Bürgerschaft zu dieser Erlegniß so zu beschaffen daß solche zur gnädigsten Zufriedenheit Ihro Herzogl. Durchl. ausfiehle, damit höchst dieselben nicht genöthiget sein dürften durch eine förmliche Verordnung das wöchentliche Schul - Geld fest zu sezzen, da den vielleicht solches höher hinnan gehen könte als wen sie sich jetzt in Güte zu einer billigen Erhöung bequemten.

   Er hätte zu dem Ende den gesamten Ausschuß der Bürger mit vorgela­den um ihnen zu gleich das Zweckdienliche zu eröfnen, und ihre Erklärung über den gnädigsten Antrag zu vernehmen.

   Bürgermeister und Rath wie auch Ausschußbürger, gaben hierauf in Antwort:

   Sie hätten nicht ermangelt die gnädigste Intention Ihro Herzogl. Durchl. der Bürgerschaft bekant zu machen, allein die Bürgerschaft hätte Ihnen zur Antwort gegeben: Wie sie sich zu Verhöung des Schul - Geldes für dem Küster nicht erklären könten: Ihr landkündiger armer Zustand, welchen ein Stein Erbar­men müste, wäre die wichtigste Ursache, da sie für Noth und Plage weder Aus noch ein wüsten, den ob Sie zwar mit Recht einwenden könten daß sie dem Küster keine Erhöung zu geben schuldig, da er die Kinder so ihm aus der Stadt hingeschickt würden, das a, b, c, zu lernen für des sonstigen Schul - Geldes völlig unterrichten könte: den schon mancher um diese 4 Schilling nicht habhaft zu werden sein Kind aus Noth zu Hause behalten müste; So würden sie doch dieses hinten an sezzen und die Erfüllung der Herzogl. gnädigsten Intention unterthänigst vorziehen; Sie hoffen also unterthgst Sr Herzogl. Durchl. würden Ihnen mit mehrem Auflagen als sie ertragen könten gnädigst verschonen, und da sie auch ihres dürftigen und Bettelarmen Zustandes ohngeachtet zu Abho­lung dieses Küsters von Schwerin 12 Rthlr. Kosten verwenden müßen, so beten sie unterthgst Ihro Herzogl. Durchl. möchten gnädigst veranstalten, daß Ihnen diese wieder vergütet würden. Magistrat und Ausschuß Bürger hätten da ihr eigener und der Bürger Elender Zustand Ihnen am Besten zur genüge bekand, nicht ferner in Sie dringen könen, sondern müsten gleichfals Sr Herzogl. Durchl. unterthänigst Bitten, Ihnen mit mehreren Auflagen gnädigst zu verschonen.

   Der Herr Amtmann Souhr: Er wolte gerne zugestehen daß die Noth hier in der Stadt Nienkalden besonders groß und vorzüglich sey, da sie überhaupt im ganzen Lande groß wäre und auch an denen Örtern, die nicht den Zehnten Theil der Drangsahle erlitten, so diese gute Stadt und deren Einwohner ertragen müßen; Allein alles dieses könte ihm unmöglich überzeugen daß der Bürger­schaft nicht so viel übrig sein solte, wöchentlich 1 Schilling zum Schul - Unterricht ihrer Kinder zu entübrigen. Rechtschaffene Eltern müste nichts mehr am Herzen liegen alß die Erziehung ihrer Kinder, und würden sie solche an allen andern Orten und bey allen andern Vorfällen es selbst entziehen, als es an den nöthigen Schul - Unterricht ihrer Kinder im geringsten ermangeln zu laßen. Sie möchten nur erwegen daß 4 Schilling Schul - Geld vor ein ganzes Quartal fast so viel wie nichts bedeutete, und Rücksicht nehmen, woher diese 4 Schilling Quataliter vor undencklichen Jahren bestimmet worden.

   Der Cantorals der eigentliche Schul - Mann hieselbst bekäme von der Stadt ein so genandtes Speise Geld und darneben wären ihm Quartaliter 4 Schilling Schul - Geld zugestanden worden. Da nun die Schule zu gewachsen und der Cantor dieselbe nicht allein vorstehen können, so wäre solche zwischen dem Cantor und Küster getheilet, und letzterem auch nur 4 Schilling und kein Speise Geld zugestanden worden. Es würde also die Billigkeit dem Küster das Schul - Geld zu erhöen von selbsten einleuchten, und wolte der Herr Amtmann dahero E. E. Magistrat und Ausschuß der Bürgerschaft noch mahlen ernstlich erinnert haben sich lieber in der Güte zu dieser Erlegniß zu bequemen, als die Verordnung zur Erhöung des Schul - Geldes zu erwarten.

   Anlangent die verlegten 12 Rthlr. Fuhrlohn vor die Transportirung des Küsters mit seinen Sachen von Suerin, so müste er sie des fals ad separatem verweisen.

   Magistratus und Ausschußbürger: Es wäre leider zu beklagen daß es mit Ihnen so weit gekommen, daß Eltern die Pflicht gegen ihren Kindern aus Armuth nicht beobachten können, es wäre eine harte Versuchung wenn einer 4 Schilling hätte, ob er nicht die Execution eher vom Halse kauffte als zu Schul - Geld anwendete; so nöthig als das Schulgehen, so unumgänglich wäre das Brod vor den Kindern, und hungeriche Kinder würden in der Schule auch nichts nütze. Das Schulhalten wäre des Küsters Haupt - Sache nicht, daß er da von leben solte; Sie hätten von der Bürgerschaft keine weitere Erlaubniß dem Küster waß einzuwilligen, und könten dahero vor sich nichts weiter bewilligen.

            Quibus conclusum Actum uti supra in fidem

                                               Georg Christ. Gielow

                                               Notar: Immatricul."

           

   Einstweilen wurde aus dem Schulhausneubau nichts. Die Bürger wehrten sich dagegen und begründeten dieses mit den schweren Zeiten; sie hatten weder Geld noch Interesse, allein schon das Schulgeld erschien ihnen zu hoch.

   Am 1.2.1775 empfahl Amtmann Souhr der Stadt, das um 1764 erbaute Haus des vor wenigen Jahren verstorbenen Oberförsters Stoldt als Schulhaus von den Erben zu kaufen. Das fand allgemeine Zustimmung, vor allem, da die Bezahlung mit 312,5 Rthlr. aus kirchlichen Mitteln geschehen sollte. Laut Anwei­sung vom 12.6.1775 an den Oeconomus Bischoff und den Provisor und Rat­mann Heinrich Daniel Justus hatten folgende Kassen das Geld beizusteuern:

            - aus dem St. Georg   125 Rthlr.

            - aus dem Armenkasten   125 Rthlr.

            - aus der Kirchenökonomie   30 Rthlr.

            - aus der Kirche   32 1/2 Rthlr.

 

   Dieses Schulhaus befand sich an der Stelle, wo heute das "Bürgerhaus" an der Ecke Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße / Rektorstraße steht. Zu seiner Einrichtung wurde alles eben noch brauchbare Material des an der Kirchhofsmauer, in einer Aus­deh­nung von 40 Fuß, gelegenen alten Schulhauses verwendet. Das neu ange­kaufte Schulhaus sollte die Wohnung des Rektors sowie die Räume der Rektorklasse enthalten. Die Küsterschule wurde im Küsterhause gehalten. Es wurde eine Vereinbarung zwischen Magistrat und dem Kirchenprovisorat getroffen, daß das neue Schulhaus, welches bisher zu Stadtrecht gelegen hatte, von allen und jeglichen Lasten (z.B. städtische Abgaben, Steuern u.ä.) befreit sein soll. In Anbetracht dieser Vergünstigung geht dafür der kleine Garten, den die Stadt schon dazugelegt hatte, wieder an die Stadt zurück. Es kommt zum Schulhause auch keine Wiese, wie sonst zu jedem anderen Hause. Das alte Schulhaus an der südlichen Friedhofsmauer am Markt wurde an den Bürger Schultze verkauft.

 

So etwa sah das alte Schulhaus in der Rektorstraße aus

So etwa sah das alte Schulhaus in der Rektorstraße aus

 

 

   1773 wurde Kantor Brüseke mit dem Titel eines Rektors eingeführt. Er unterrichtete ab 1775 im angekauften Schulhaus die Knaben, während Küster Schurich im Küsterhaus am Markt die Mädchen aus der Stadt sowie sämtliche Kinder aus Schlakendorf und Salem unterrichtete. Beide Schulen bestanden, wie sie auch räumlich getrennt waren, fast ganz unabhängig voneinander, nur daß der Rektor nach wie vor auch die Mädchen kurz vor ihrer Konfirmation und zum Zwecke der Vorbereitung auf dieselbe noch besonders in Unterricht nahm.

   Man mußte bald gewahr werden, daß auch zwei Lehrerkräfte nicht aus­reichten, wenn wirklich alle Kinder der Stadt von ihrem nunmehr bestimmten schulpflichtigen Alter an die öffentliche Schule besuchen sollten. Weil man nun aber für eine geraume Zeit an eine weitere Vermehrung der Lehrerkräfte nicht dachte, so mußte man notgedrungen auch private Nebenschulen ferner gewähren lassen. So gab es 1778 eine Nebenschule des Canditati Falius, über welchen es hieß: "... der so wenig examinirt ist, als wenig seine Schule unter Inspection stehet..."       

 

 

Erstes Schulreglement 1789

 

   1789 wurde vom Magistrat das erste Schulreglement entworfen, welches am 24.8.1790 vom Herzog bestätigt wurde:

 

"Reglement

für die Rector- und Küster Schule

zu Nienkalden

   Wann die bisherige Neukaldensche Schuleinrichtung nicht zweckmäßig befunden worden; indem der Rector einen Haufen Knaben in seiner Schule hatte, wovon einige beim A. B. C. andere im Buchstabiren, andere im Zusammenlesen geübt, noch andere aber in mancherlei nöthigen Kenntnißen gefordert werden sollen, bei welcher großen Verschiedenheit der Kinder er denn nicht alle seine Schüler hinlänglich beschäftigen, und der ihm anvertrauten Jugend so nützlich werden können, als bei einer beßern Einrichtung möglich ist, es auch für nothwendig gehalten worden, daß die großen Mädchen gleichfalls eine Stunde zum vollständigern Religions Unterricht bei dem Rector haben: So ist zu beßerer Einrichtung der Nienkaldenschen Schulen in vorstehenden Num­mern ein förmliches Schul - Reglement entworfen, und zur Landesherrlichen Bestätigung ehrerbietigst vorgelegt worden.

 

§. 1.

   Die öffentlichen Schul - Stunden, die sonst von 7 bis 10 Uhr Vormittags, und von 12 bis 3 Uhr Nachmittags herkömmlich waren, sind so verändert und umgesetzt, daß künftighin die erste Nachmittags - Stunde mit auf den Vormittag verlegt wird, und im Sommer also von 7 bis 11 Uhr, von Martini bis Fastnacht aber von 8 bis 12 Uhr öffentlicher Unterricht in beiden Schulen ertheilet wird.

 

§. 2.

   Dem Rectori werden die kleinen Knaben, die erst das A. B. C. und Buchstabiren lernen, gäntzlich abgenommen, und so lange dem Küster mit übergeben, bis sie ziemlich fertig lesen, und den kleinen Catechismus Lutheri, oder die 5 Hauptstücke, auch wol die im Landes Catechismus beigefügten grob­schriftigen Fragen wißen.

 

§. 3.

   Dagegen erhalten die Mädchen, so bald sie die unter der vorherge­henden Nummer bestimmte von den Knaben erforderte Geschicklichkeit erlan­get haben, bey den Rector den nöthigen Unterricht in der Religion, wozu ihm allein nach Entfernung der grösten Knaben die letzte öffentliche Vormittags Stunde gewidmet wird, deren die größern Knaben nach Absonderung der kleinen, ohne daß sie bey dieser Veränderung leiden, gar woll entbehren können. Die 5 übrigen Stunden bleiben die Mädchen beim Küster im Unterricht, der sie ferner im Lesen Catechismus - und Sprüche - Lernen, biblische Ge­schichte, Schreiben und s. w. übt.

 

§. 4.

   Um zu erfahren, ob die Knaben, und auch die Mädchen, so in der Küster Schule sind, die zur respee. Versetzung oder Mittaufnahme in die Rector Schule Fähigkeit besitzen? wird von den Prediger und Rector in Gegenwart des Magi­strats auf Ostern und Michaelis iedes mal eine Prüfung der Kinder in der Küster Schule angestellet, und demnächst die Versetzung vorgenommen. Letzterer hat dabei nur ein Votum negativum, falls er glaubt, daß er eins und das andere Kind, so man versetzen will in seiner Schule noch nicht brauchen kann. Uebrigens werden bey dieser Prüfung die in der Küster - Schule zurück­bleibenden Kinder nach ihrer verschiedenen Fähigkeit angezeichnet, damit man bei der folgenden Prüfung sehen könne, wie sie etwa zugenommen haben; oder, wenn das nicht ist, die Ursachen ihres Still Standes untersuchen, und die, so seit der letzten Prüfung ganz, oder ein volles Vierteljahr aus der Schule geblieben sind, von der Versetzung ausschließen könne.

 

§. 5.

   Die erste Stunde des öffentlichen Unterrichts in der Rector - Schule gehet mit Singen Beten Bibellesen und Aufsagen der Catechismus Lection und der etwa aufgegebenen Sprüche hin, bey welcher Gelegenheit denn den Kindern das Wort Gottes so recht wichtig zu machen, und das Lesen in demselben als die gröste Wohlthat vorzustellen, auch darauf zu sehen ist daß solches mit einer gewißen Feierlichkeit und Nachdencken geschehe, gesetzt auch daß von einem Kinde statt 8 bis 10 Verse nur 3 bis 4 Verse gelesen werden könnten. Die 2te Stunde ist der Erklährung des Catechismus; die 3te dem Schreiben, und 4te dem Religions Unterricht der großern Mädchen gewidmet. Nachmittags von 1 bis 2 Uhr wird nach abgekürtztem Singen, Beten, und Bibel Lesen die biblische Geschichte vorgenommen; von 2 bis 3 Uhr aber fält wieder Schreiben und auch Rechnen vor, iedoch letzteres nur auf dem Fall, wenn Rector wegen des in andern Sachen zu gebenden Privat Unterrichts es bequemer finden sollte, das Rechnen mit in die öffentliche Schule zu ziehen, zu welchem Geschäfte sich dann aber nur dieienigen qualificiren, die im Schreiben schon so geübt sind, daß sie der 2ten oder nachmittägigem Schreib - Stunde wohl entbehren können. Auf den Mittwochen und Sonnabend Vormittag, davon die Nachmittage frey sind, fallen nur 3 Stunden des öffentlichen Unterrichts weil die 4te zum Nachmittag gehöret hat, von welchen 3 Stunden am Mittwochen wegen der frühe vorfal­lenden Wochen Predigt nur eine Stunde übrig bleibt die den Knaben allein zur Übung in der Ortographie und in Verfertigung schriftlicher Aufsetze vorbehalten wird. Am Sonnabend wird in der ersten Stunde nach abgekürtzten Bibellesen und Aufsagen sogleich catechisirt; in der 2ten fält eine allgemeine Übung im Zahlen Aussprechen vor, womit das Bibel Aufschlagen verbunden wird, und in der 3ten kommen die Mädgen.

   In der Küster Schule wird der iedesmalige Nienkaldensche Prediger über­haupt es sich angelegen sein laßen, den Unterricht so nutzbar und zweckmäßig, als möglich einzurichten; wovon hier insbesondere nur das bemerkt wird, daß in der nemlichen Stunde, welche den großern Madchen in der Rector - Schule aus gemacht ist, hier unter Anleitung des Predigers, als Inspectors der Schule eine allgemeine Uebung zum rechten Verstande der Heils Lehre und des Landes Catechismus angestellet wird, auch auf die durch gangige Einführung beßerer Buchstabir - und Lese Bücher Bedacht genommen werden soll.

 

§. 6.

   Auf den Unterricht im Schreiben kann bei dem Rector ieder Knabe der den Zutrit zu seiner Schule hat Anspruch machen; wie denn auch keinem Mad­chen von der vorhin bestimmten Fähigkeit der Zugang zu seinem Religions Unterricht versagt werden mag. Auch darf der Küster nicht zuwieder sein, wenn wegen der wenigen Knaben vom Lande, die sonst allein in seine Schule gehö­ren, und besonders derer, die bald confirmirt werden sollen, mit dem Rectore solche Vereinbarung getroffen wird, daß sie dem volständigern Religions - Unterricht in seiner Schule mit beiwohnen dürfen, woneben sie übrigens die Küster Schule besuchen, und was herkömmlich ist, an letztern entrichten müßen.

 

§. 7.

   Dem Rectori stehet frei, an Kinder allerlei Gattung auch an Madchen, die die Küster Schule nicht besuchen, Privat Stunden zu geben, ohne daß letzterer verlangen darf, daß bei ihm als für die öffentliche Schule bezahlen.

 

§. 8.

   Von iedem Schul - Lehrer wird alle halbe Jahre bei dem Prediger ein Verzeichniß derienigen Kinder, die die Schule entweder ganz versäumet, oder sehr unordentlich besucht haben, eingereicht damit er die Aeltern an ihre Pflichten erinern, oder wenn dergleichen Erinnerungen nicht helfen wollen den Magistrat zu Anwendung triftigerer Mittel auffordern, und hiernächst auch auf desto gewi­ßern Grunde dieienigen Kinder von der Confirmation abhalten könne, die durch der Altern Schuld in Erkenntniß schwach geblieben sind. Zu welchen Ende iene Verzeichniße zum Nachsehen aufgehoben werden müßen.

   Kinder, die zur Rector Schule sich nicht qualificiret haben, sind überhaupt nicht zur Confirmation anzunehmen; es wäre denn, daß man wegen vorzügli­cher Schwäche des Verstandes auch vorzüglicher Nachsicht mit ihnen haben dürfte.

 

§. 9.

   Und da zum Wohl einzelner Menschen nicht nur, sondern auch einer kleinen oder größern Gesellschaft es so nothwendig ist, daß die Kinder von frühester Jugend an zur Sittsamkeit, Stille, Ordnung, Reinlichkeit und Fleiß angeführet werden; so hat der Schul Lehrer auch besonders hierauf sein Augenmerk zu richten, und sich die Bildung der ihm anvertrauten Jugend als des großesten Kleinods, was die Aeltern haben, zu solchen Menschen mög­lichst angelegen sein zu laßen. Zu welchem Ende er der Jugend denn in seinem ganzen Verhalten in und außer der Schule ein redendes Vorbild sein muß, und ihnen daneben denn die Schönheit und Wohlthätigkeit vorbeschriebener Eigen­schaften sowohl, als auch die Häßlichkeit und die traurigen Folgen des Gegen­theils bei allen sich ihm darbietenden Gelegenheiten liebreich aber auch nach­drücklich vorzustellen und es bei bemerkten Abweichungen hievon eben so wenig an wiederholten Erinnerungen, als bei wahrgenommener Befolgung seiner hierauf gehende Bemühungen an Aufmunterungen durch ein dem Kinde allenfals von ihm ertheiltes schriftliches Zeugniß seines Wohlverhaltens nicht fehlen zu laßen hat.

 

§. 10.

   Auch hat der Schul - Lehrer die Kinder zur Aufmerksamkeit, und zum Nachdenken auf und über sich selbst so wohl, als auch und über die sich ihnen darbietenden Gegenstände im gemeinen Leben, im Nathur Reiche und sonst wislich anzuleiten, und zu dem Ende öfters kleine, ihren Fähigkeiten angeme­ßene Versuche mit ihnen anzustellen, damit sie der so sehr nachtheiligen Gedankenlosigkeit mit ihren Folgen entgehen.

 

§. 11.

   Für den öffentlichen Unterricht in der Rector Schule gibt ieder Knabe, es werde die Uebung im Schreiben verlangt oder nicht, vierteliährig 12 Schilling und wenn er in öffentlicher Schule rechnet herkömmlich 20 Schilling. Dem Küster entrichtet dagegen iedes Kind, so lange es seines Unterrichts entweder ganz und allein, oder mit Ausnahme der einen Stunde genießet; also so wol die kleinern Knaben, als auch die großern und kleinern Madchen nach dem bishe­rigen Satz vierteliährig 4 Schilling. Die kleinen Knaben geben an letztern auch ihr Holtz oder Holtz - Geld ab; die großen Mädchen aber die die Rector - Schule mit besuchen, müßen dagegen ihr Holtz oder Holtz Geld auch an diesen ent­richten, und der Küster bekömt dafür weder Holtz noch Holtz Geld.

 

§. 12.

   Eben gedachten größern Mädchen, die bei dem Rector den Abgang des Schul - Geldes von den kleinern Knaben billig ersetzen sollten, will man, um den Aeltern bey Zurückbehaltung ihrer Kinder aus der Schule allen Vorwand zube­neh­men, und aller verdrießlichen Klagen überhoben zu sein, nicht gern ein höheres Schulgeld aufbürden, sondern wünschet, daß sie die Religions Stunde in der Rector Schule unentgeldlich genießen. Wenn nun nach gemachten Über­schlag ungefär 24 Kinder aus der Rector - Schule zurück in die Küster - Schule gegeben werden, wovon iedes sonst vierteliährig 8 Schilling Schul - Geld entrichtet hat, und daraus ein Abgang von 16 Rthlr. entstehet; so bezahlt Magi­stratus aus väterlicher Beherzigung der Armuth ihrer Commüne so lange, als es ohne eigenen Nachtheil der Kasse geschehen kann, zur Entschädigung des Rectoris wegen dieses Abgangs den 3ten Theil dieser Summe, oder 5 Rthlr. M. Val. iährlich an den Rector. Die übrigen 2 Drittheile werden bis zu einer andern Auskunft mit Höchster Genehmigung zur Hälfte aus der Oeconomie, und zur Hälfte aus dem Armkasten in N 2/3tel gegen Quitung an den Rector bezahlt.

   [Von Bürgermeister Bischoff hinzugefügt:] Solange die Schullehrer die ihnen in diesem Reglement vorgeschriebene Pflichten, sowol in Ansehung der Reformation selbst, als auch in Ansehung der Zeit derselben, auf das genaueste erfüllen, wird, der in §pho 12 festgesetzten Bedingung vorbehältlich solches a Magistrata genehmiget, jedoch ausdrücklich bedungen, daß die geringste Unter­laßung einer jener Pflichten, eo ipso der Magistratische Verbindlichkeit in Anse­hung des Reglements aufhebet.

NKald. den 15. Dec. 1789                         JCBischoff

            B. Bremer                                       H. D. Justus

            J. C. Dammann                              Jochim Stüdeman

            J. F. Sontag                                     Johann Conrath

            Johan Müller                                   Joh. Daniel Lübcke

            J Schroder                                       R H Fischer"

 

 

   "Dem Würdigen und Wohlgelahrten Unserm lieben andächtigen und getreuen Ehrn - Pastor Schmidt zu Nienkalden.

Friederich Franz von GOTTES Gnaden

Herzog zu Mecklenburg pp

   Würdiger und Wohlgelahrter, lieber Andächtiger und Getreuer! Wir haben, in Gemäßheit des nebst Unsrer Bestätigung urschriftlich beikommenden Reglements, für die dortige Rector- und Küster - Schule, die copeilich anliegenden Verordnungen respective an Bürgermeister und Rath daselbst und an den Oeconomum Bischoff erlassen, und befehlen euch nunmehr gnädigst, das besagte Reglement öffentlich in der Schule zu verlesen, und sodann die Einrichtung darnach zu treffen, auch auf deren Erhaltung sorgfältig zu wachen. An dem geschiehet Unser gnädigster Wille und Meinung. Gegeben auf Unsrer Vestung Schwerin den 24ten August 1790."

 

 

Schulangelegenheiten 1794 bis 1815

 

   Um 1794 klagt der damalige Rektor der Stadtschule, Johann Heinrich Christian Mecklenburg: Er hat außer der Schulstube nur zwei kleine Stuben, die eine davon muß er für sein Mädchen haben. So ist denn die andere Stube ihm alles in allem: Wohn-, Schlaf- und Studierstube, auch soll sie nächstens noch als Kinderstube benutzt werden.

   Auf diese Eingabe hin wurde das kleine Haus am Rektorhause, eine ehemalige Judenherberge, wofür die Kirche jährlich 4 Rthlr. an Miete einge­nommen hatte, zur Rektorklasse hergerichtet. Schon um 1805 wurde ein Neu­bau dieses Häuschens notwendig. Es wurde bei dieser Gelegenheit bedeutend erweitert, indem die halbe Breite der daneben laufenden verlorenen Gasse von der Stadt dazu hergegeben wurde. Es wurde geräumig genug, um noch eine zweite Klasse darin anzulegen; was denn auch 1826 geschah, wo es für die Conrektorklasse mitbestimmt wurde. Was der Rektor dadurch an bisher zu seinem Privatgebrauche gehabten Räumlichkeiten verlor, wurde ihm durch Er­wei­terung des Rektorhauses und Anlegung neuer Zimmer in demselben reich­lich ersetzt.

   Rektor Johann Heinrich Christian Mecklenburg verzog 1804 als Pastor nach Buchholz. Für ihn war bereits seit 1802 Georg Friederich Küffner in Neukalen tätig. Er bat am 16.12.1803 um Erbauung eines neuen Schulhauses:

 

   "Durchl.

   Da mir Höchstdero lezt erlassene, gnädigste Resolution in Betreff der Erbauung eines neuen Schulhauses für die hiesige Stadt unbekannt geblieben und es verlautet, daß die Beamten Ew: Herzogl: Durchl. sich dahin geäußert haben, daß in dem nächsten Jahre noch nicht dabey angefangen werden könne; so werden Höchstdieselben es huldreichst verzeihen, wenn ich durch das unangenehme Gefühl des kalten Winters, den ich jezt mit den Schul - Kindern in einer unbequemen Stube, wo der steinerne Fußboden uns nie warm werden läßt, zu bringen muß, angetrieben werde, Ew. Herzogl. Durchl. unter­thänigst zu ersuchen, daß Höchst Sie geruhen wollen, den Behörden gnädigst zu befehlen, daß in dem gegenwärtigen Winter schon die nöthigen Vorkeh­rungen getroffen werden, daß dies Schulgebäude am Ende des künftigen Sommers sicher vollendet sey. Der Tagelöhner arbeitet sich in der Kälte warm durch die angestrengte Bewegung seiner Glieder; den Schulmann fehlt bei seinen Geschäften dieses Mittel und es ist der Gesundheit zu nachtheilig und die Aussicht zu niederschlagend, noch einen ganzen Winter fast jeden Tag am Seid - Fel des Körpers frieren zu müssen; daß ich nicht anders, als mit der größesten Zuversicht von Ew. Herzogl. Durchl. landesväterlicher Milde die gnädigste Gewährung meiner devotesten Bitte hoffen darf.

   Daferne die nöthige Wärme der Stube bei einem Gebäude das von dreyen Seiten frey steht, nur durch massive Ausführung zu erzielen steht und Festigkeit und Dauer eine nüzliche und nothwendige Eigenschaft öffentlicher Gebäude ist, so füge ich noch die unterthänigste Bitte hinzu, daß Ew. Herzogl. Durchl. den Plan zur massiven Erbauung des hiesigen Schulhauses gnädigst zu genehmigen geruhen wollen.

   Durch die redlichste Pflicht Erfüllung werde ich es zu bethätigen suchen, daß ich in tiefster Devotion ersterbe, als

                                                         Ew. Herzogl. Durchl.

Nienkalden                                        treuester Unterthan

den 16. Decbr: 1803                         Friederich Küffner

                                                                  rector"

 

    1804 führte Rektor Küffner weitere Beschwerden über den schlechten Zustand des Rektor- und Schulhauses. Er äußerte 1804 auch die Absicht, einen zweiten Schullehrer einzustellen, da die Anzahl der Kinder sehr groß war. Sein Wunsch war nach wie vor die Errichtung eines neuen Schulhauses, welches nach einem Anschlag 54 Fuß lang, 20 Fuß breit und mit einem Stockwerk errichtet werden sollte.

   Eine Kommission zur Prüfung der Stadtgeschäfte im Jahre 1806 befaßte sich auch mit dem sogenannten Rektorspeisegeld. Der früher gebräuchlich gewesene Freitisch für den Rektor war vor vielen Jahren in einen Geldbetrag umgewandelt worden. Jeder konfirmierte männ­liche und weibliche Einwohner Neukalens hatte dazu jährlich 2 Schilling beizusteuern. Rektor Küffner beschwerte sich, daß - nach der Einwohnerzahl gerechnet - zuwenig Geld zusammenkommt (1805: 22 Rthlr. 23 Schilling, entspräche nur 276 Personen), und er sich davon kein Jahr ernähren könnte. Die Kommission vereinbarte mit der Stadt eine jährliche Zulage zu den auf­kommenden Rektorspeisegeldnern von 15 Rthlr. aus der Cämmereikasse.

   1806 beschwerte sich Rektor Küffner auch wegen seines Ackers. Er wurde von der Stadt wegen "Unfug" verklagt. 1808 verließ er Neukalen und ging als Prediger nach Gnoien. Für ihn kam aus Neuenkirchen der Rektor und Organist J. D. Walter.

   Um 1810 gingen etwa 90 Kinder in die Küsterschule. Dazu kamen 9 Kinder aus Salem und Schlakendorf sowie 2 Kinder aus Karnitz, die täglich zu Fuß den weiten Weg machen mußten.

   Ostern 1815 verließ Rektor Walter Neukalen und wurde Pastor in Schwaan. Für ihn kam C. F. Grimm aus Lübz, welcher ab Ostern 1815 in Neukalen als Rektor und Organist angestellt war.

 

 

Commissionsprotokoll von 1816

 

   Rektor Grimm forderte, daß sein Wohn- und Schulhaus dringend repariert werden müßte. Eine Kommission sollte die Mängel begutachten, und so kamen am 31.10.1816 Landdrost von Holstein, Forstmeister Major von Müller und Hofrath Köppen nach Neukalen. Das Protokoll darüber lautet:

   "In submißer Befolgung des allerhöchsten Regiminal - Commissorii vom 11 Septbr: h. a. hatten Praescripti sich heute cum me subscripto in dem hiesigen Rector Hause mit einander eingefunden, um die nötigen Reparaturen dieses Hauses zu beurteilen und solche nötigen Falls zur gehörigen Veranschla­­­gung zu befördern.

   Der Herr Landbaumeister Brandt, auf welchen jenes allerhöchste Com­mis­sorium mit lautet und deßen persönliche Gegenwart hier vorzüglich als nothwendig erscheinet, hatte dennoch eine Tagefahrt hieher, deßen Bestim­mung man ihn überall bey seiner Entfernung, auch öftere Abwesenheit, über­laßen hatte abgelehnt, ob demselben gleich von den allerhöchsten Commissorio eine beglaubte Abschrift communiciret und diese ganze Angelegenheit, als eilig und triftig bemerket worden.

   Unter diesen unangenehmen Verhältnißen hatten Praescripti es dennoch für höchstnothwendig erachtet, demnächst sofort zur Ausrichtung dieses Ge­schäftes auf heute einen Termin zu beramen und solches, da es nicht anders seyn konnte der Mitbeurteilung und Veranschlagung des mitanhero gebrachten Amtszimmermeisters Dietzsch zu überlaßen. Wenn nun abseiten des Herrn Landbaumeisters Brandt die bisherige Zögerung veranlaßt ist, der Herr Rector Grim aber auf die Versezung einiger Oefen äußerst eindrang, weil er sonst keine Schule halten könne; Er hette nun um so mehr, als der Herr Forstmeister Major von Müller solcher-halb gleichmäßig als Commissarius schriftlichen Antrag gemacht und dabey bemerkt hatte, daß er nicht nur die Beschaffenheit der Oefen, sondern auch alle nötig zu erachtende Reparaturen genau kenne, gemein­schaftlich und vorläufig die Umsezung des Ofens in der Schulstube und des Ofens in des Rectors Arbeitsstube der Anordnung der genannten Herrn Commissarii anheim gestellet und zwar dies alles auch noch um so mehr, als gerade diese beiden Oefen in dem Berichte des Herrn Bürgermeisters Petri d. d. 2 Septbr. als Notstand geschildert worden und daneben die gegenwärtige rauhe Jahrzeit schon eingetreten war, welche späterhin die Umsezung der Ofen sehr nachteilig und eine Uberheizung besorglich werden muß.

   Wenn nun diesem zufolge von dem Herrn Forstmeister Major von Müller vor allen Dingen allererst die so nothwendige Umsezung des Schulstubenofens veranstaltet werden wollen; so hatte demnach nach Aussage des Herrn Rectors Grim der Herr Bürgermeister Petri sich anhero verfüget und großen Unwillen über das in introitus bemerkte allerhöchste Commissarium bezeuget als welches nach seiner Meynung auf ihn hette gestellt werden müßen, bey welcher Gele­genheit er die Aeußerung hinzugefügt daß sein Schwiegervater der Kirchen - Provisor Dolberg der Umsezung des genannten Ofens auf keinerley Weise gestatten werde und solle.

   Da aber genannter Herr Kirchen Provisor sich bald nachher gleichmäßig eingefunden und er, der Herr Rector denselben die Nothwendigkeit dieses um­zusezenden Ofens dargeleget hatte, falls er den Schulunterricht nicht einstellen solte; so habe derselbe hierunter nachgegeben und gesaget, er, der Herr Rector möge den Herrn Forstmeister von Müller nur wißen laßen, daß er mit Umsezung dieses Ofens, welcherhalb bereits Anstand genommen fortfahren möge. Lezte­res sey demnächst auch auf solche Weise verfüget und der Auftrag solcherhalb dem hiesigen Töpfer Paul sen von dem Herrn Forstmeister von Müller erteilet worden.

   Da aber der Töpfer zur Zeit noch keine Hand angeleget habe, so sey der Herr Forstmeister Major von Müller das von demselben überreichte und sub lit: B hieneben gelegte original Schreiben des Kirchen Provisors Dolberg zuge­gangen. Auf den Wunsch des genannten Herrn Forstmeisters daß dies wider­spre­chende abseitige Betragen ad protocollum möge gerüget werden, ist das obige daher zuvor anhero registriret worden.

   Vor allen Dingen ließ man nun allererst den dem rufe nach geschickten und umsichtigen Töpfermeister Paul herbeyrufen, untersuchte mit ihm den Zustand sämtl. Öfen und begehrte demnächst sein Erachten über diese Oefen.

   Der Schulstubenofen könne durchaus also nicht beybehalten werden und müste nothwendig umgesezet werden. Er bemerkmalte hiebey die nemlichen Gründe, welche in dem oben angeführten Briefe des Herrn Bürgermeisters Petri Seite 2 bis 5 ausführlich angeführt sind. Mit Zügen müste aber dieser Ofen nothwendiglich versehen werden, und eben so nothwendig sey eine eiserne Thür an der Mündung dieses Ofens teils der beßern Heitzung und andern Teils der Abwendung aller Feuergefährlichkeit halber.

   Was den Ofen in der Arbeitsstube des Rectors beträfe so sey deßen Umsezung eben so nothwendig. Die alten Consolen könnten an beiden Oefen wieder gebraucht werden, ohne diejenigen welche gänzlich unbrauchbar wären, oder fehlten. Dieser lezte Ofen aber müste in einen Windofen umgeformt wer­den, zumal sichtlich der Feuerherd so sehr im Wege stehe, daß man zu Einlegung des Holzes fast gar nicht gelangen könne.

   Alle übrige Oefen könnten ausgeschmiert und tüchtig reparirt werden alsdann sie zum teil noch mehrere Jahre stehen könnten.

   Den Anschlag wolle er formiren und Commissiorii zustellen.

   Sehr gern hätte Commissio es gesehen, daß der Herr Kirchen Provisor Dolberg selbst mit gegenwärtig wäre zu welchem Ende man denselben auch gleich anfänglich um seine Anherkunft hatte ersuchen laßen. Derselbe hatte aber einiger Behinderung halber solches zur Zeit abgelehnet, jedoch mit dem Versprechen, nachhin zu erscheinen, daher man mit diesem Geschäfte bey der Sorge der gegenwärtigen Lage fortzufahren sich entschließen muste.

   Man schritt nunmehr zur Untersuchung der übrigen actenkundig gewor­de­nen Reparaturen und zwar unter Zuziehung des Amtszimmermeisters Dietzsch.

   Man befolgte in Anleitung des vorhergegangenen Berichts des Herrn Bürgermeisters Petri solcherhalb nachstehende Ordnung.

   1. Der Fußboden der großen Stube Eingangs des Wohnhauses rechter Hand ward von sehr schlechter Beschaffenheit befunden; und wenn gleich derselbe auch noch auf einige Zeit hinzuhalten seyn möchte, so ward es doch von Commissorio bey Gelegenheit dieser Besichtigung aller Mängel für sehr nüzlich erachtet, denselben jezt als neu zu legen mit in Anschlag zu bringen, zumal die Bretter allererst in diesem Winter zu schneiden und in dem künftigen Sommer zum austrocknen aufbewahrt werden müßen, so daß die neue Legung dieses Fußbodens allererst binnen Jahresfrist geschehen könne.

   Wenn nun auch der Herr Kirchen Provisor Dolberg inzwischen erschie­nen war, so trat derselbe nach mündlicher Besprechung der Commissarischen Meynungen sowohl in Betracht der obgedachten Oefen als auch des ebenbe­reg­ten Fußbodens allenthalben völlig bey und hielt derselbe durchaus für möglich.

   Ob und in wie ferne übrigens die alten aus dieser großen Stube auszunehmende Bretter annoch zu Belegung des Oberbodens zum Teil noch brauchbar seyn dürften, dies ist nach Meynung des Amtszimmermeisters nicht eher zu beurteilen als zur Zeit der Ausbrechung immaaßen dergleichen alte Bretter gewöhnlich auf der unteren Seite dem Zunder gleichen.

   2. Die Ablegung der Vorratskammer ist bereits vor etwa 4 Wochen beschaft und versichert der Herr Kirchenprovisor Dolberg daß die annoch nothwendige Verkleidung nachgeholt werden solle.

   3. Die Überlegung des Hausbodens betreffend, so ward von dem Herrn Kirchen Provisor Dolberg bemerkt, daß hierüber gar keine Contestation statt finde, weil bereits vor mehreren Jahren diese Überlegung nicht nur aller­höchsten Orts bewilligt sey, sondern die Bretter selbst auch schon lange hier vorrätig wären und soll damit gleichmäßig in künftigem Frühjahr zu Werke geschritten werden. Dieser Punct soll daher aus dem zu formirenden Anschlage gänzlich weg.

   4. Eben so verhalte es sich mit der Treppe nach dem Hausboden, als wozu der Herr Forstmeister von Müller bereits den Auftrag der zu verabrei­chenden Materialien erhalten hat und nicht minder

   5. sey es der nemliche Fall mit der Hausthür. Zu allen diesen wären die über die Geld Verwendung und zwar ad 2 et 3 an ihn, Dolberg, und ad 4 et 5 an den Herrn Bürgermeister Petri als Oeconomo erlaßen.

   6. Das heimliche Gemach [Toilette] ist bereits längst fertig und solcherhalb hier gegenwärtig nichts weiter zu bemerken.

   7. Die in Bley gelegten Fenster der schon oben bemerkten großen Stube im Wohnhause, sind an sich noch gut, müßen aber hier und da in den rahmen nachgekittet werden, als welches auf eine Kleinigkeit hinausläuft.

   8. Die übrigen Fenster und Fensterladen des Hauses sind durchgängig einer Reparatur bedürftig und kann man solcherhalb etwas bestimmtes und genaures nicht angeben. Alles gehet solcherhalb aber auf Kleinigkeiten hinaus und wird der Amtszimmermeister Dietzsch das Nötige dieserhalb in dem An­schlage bemerken.

   9. Die erste Thür beym Eingang in die große schon öfter bemerkte Stube des Wohnhauses muß neu und desgleichen in die an diese Stube stoßende Zimmer die Thür nach den Hof ebenfalls neu gemacht werden.

   10. Was die vorgeschlagene Zumauerung einer Fenster Lucht in der Arbeits Stube betrift, so war der Bewohner jezt anderer Meynung. Er wünscht den Beyhalt dieser Fensterlucht um das nötige Licht in diesem Zimmer zu behalten.

   11. Zu Hemmung des Rauchs in einer Stube des Schulhauses wird auf dem Rohr noch ein Knie von eisen Blech nothwendig.

   12. Das Loch über der Diele im Schulhause muß nothwendig mit einer Luke versehen werden.

   13. Der Damm auf dem Hofe vor den Ställen und vor dem Schulhause muß auf dem Hofe neu gelegt werden und will der Herr Kirchen Provisor Dolberg solcherhalb den Anschlag nachreichen um sodann alles in einem Anschlage des ganzen zusammen zu bringen.

   14. Das Dach muß in künftigem Frühjahr wieder revidiret und das nötige repariret werden.

   15. Noch ward vom Herrn Rector bemerkt und von allen Anwesenden so wie auch in specie von Herrn Kirchen Provisor Dolberg ganz richtig befunden, daß die schon zu heizende Schulstube dennoch immer sehr kalt sey und seyn müsse und die Kinder an dem hintern Ende der Stube entfernt vom Ofen nicht gehörige Wärme finden können, weil zumal die Außenwände so äusserst dünne sind.

   Es ward daher von allen für nüzlich und nötig erachtet, daß diese Wände mit hölzern Pluggen versehen und sodann 2 Zoll stark mit Haarlehm überworfen werde.

 

   Dn. per actis ward von dem Herrn Rector Grim noch besonders darauf angetragen: daß für die Schulkinder doch ein eigenes geheimes Gemach möge erbaut werden, da diese Kinder gegenwärtig allererst bey ihren Bedürfnißen aus dem Thore laufen müßen, weil hier auf dem Hofe gar keine Gelegenheit vorhanden. Auf einen leeren Plaz neben diesem Hause auf etwa 20 Schritt entfernt könnte dieses Apartement füglich angelegt werden.

   Sowohl der Herr Bürgermeister Petri, welcher sich zufällig eingefunden hatte, als auch der Herr Kirchenvorsteher Dolberg stimten damit völlig überein und es ward dem Amtszimmermeister Dietzsch daher die Mitveranschlagung solcherhalb auf gegeben."

           

   Ein Jahr später sah es dann so aus:

   "- die Hausthür ist fertig,

   - das heiml. Gemach war schon nach dem vorjärigen Commissioni Pro­to­coll fertig

   - die Fenster in der großen Wohnstube sind aber noch nicht nachge­kittet, auch

   - die Fensterladen noch nicht reparirt, die übrigen Fenster und Fenster­laden sind gegenwärtig zur Herstellung in Arbeit und sind gegenwärtig nach Anzeige des Herrn Rectors 3 neue Fensterladen in dem Wohnhause erforder­lich auch in der Schlafstube eine neue Fensterlucht.

   - Die Thür der großen Stube, eigentlich nicht die Eingangsthür von der Diele sondern diejenige zur Leutstube ist noch nicht gemacht, und die zweite Thür von der Kammer nach dem Hofe ist fertig aber noch nicht angeschlagen.

   - Das Knie auf dem Rohr des Ofens in der Arbeitsstube ist noch nicht vorhanden.

   - Die Luke über der Diele ist bestellt.

   - Der Damm auf dem Hofe ist seit 14 Tagen fertig.

   - Das Hausdach ist noch in dem vorjärigen Stande.

   - Die Schulstube ist bereits inwendig vorschriftsmäßig übersezt aber wegen der noch vorhandenen Feuchtigkeit noch nicht geweißt.

   Das für die Schulkinder zu erbauende Appartement ist nicht erbaut, weil dieser der Stadt gehörige Plaz dem vernehmen nach einem Manne geschenkt worden, der solcherhalb vielleicht Hinderniße in den Weg legt."

 

   Die Reparaturen am Schulhaus wurden fortgeführt. Insgesamt betrugen die Kosten 170 Rthlr. 14 Schilling N 2/3. Dazu kamen noch die Kosten für 800 Mauer- und 500 Dachsteine, welche 1817 aus dem Kirchenaerario durch den Kirchenprovisor Dolberg beglichen wurden. Am 2.9.1818 berichtete Forstmeister Major von Müller, daß "der Bau im hiesigen Rectorhaus vollendet ist".

 

 

Einführung des Conrectors Simonis am 14.7.1826

 

   Ostern 1819 verließ Rektor Grimm Neukalen. Vom Ministerium in Schwerin wurde der Rektor und Organist Friedrich Hartwig Harder ab Ostern 1819 nach Neukalen beordert. Seine Versetzung 1826 nach Levin führte dazu, daß man sich um eine Veränderung des mangel­haften Schulwesens Gedanken machte. Bürgermeister Petri schrieb besorgt:

 

   "An die Allerhöchste Regierung zu Schwerin. Allerdurchl.

   Aus einem, vielleicht wahren, vielleicht unwahrem Gerüchte haben wir erfahren:

daß Ew. K. H. die Gnade gehabt haben:

   den Rector scholae Harder hieselbst zu der bereits vacanten oder doch vielleicht baldigst vacant werdenden Pastorat - Stelle zu Levin, anstatt des dort abgehenden Pastorii Schulz zur Wahl als künftigen Pfarrherrn zu praesentiren.

   Es kann seyn, daß das Gerücht uns täuscht. Es kann nemlich vielleicht der Pastor Schulz gar nicht von seiner Pfarre gehen, vielleicht ist es auch nicht wahr, daß der hiesige Rector Harder im Falle des Abganges des Schulz prae­sentirt werden soll, und zweifelhaft bleibt es auch selbst dann, wenn die Prae­sen­tation des Rectorii Harder Allerhöchst wirklich (nach Abgange des Schulz) geschehen sollte, ob der Rector Harder zum Prediger in Levin erwählt werden wird, oder nicht.

   Sey diesem Allem aber, wie ihm wolle, so viel ist immer gewiß.

   1) daß unser würdiger Rector Harder, - welchen wir hier lieben und achten, dermaleinst nicht mehr Rector scholae bleiben wird, denn er ist ganz der Mann danach, daß jede christliche Gemeinde, welcher er praesentirt wird, ihn zum Nachfolger haben zu wollen wünschen muß. Er wird uns also über kurz oder über lang verlassen.

   2) Ist es leider ausgemacht gewiß, daß das Schulwesen hieselbst in deso­laten Umständen ist. Es scheint sonderbar, daß wir ad 1) den Rector scholae Harder eine Lobeserhebung machen, und daß wir uns ad 2) über desolate Zustände des Schulwesens hieselbst beklagen. Aber wahr ist leider, der Rector Harder ist ein braver Mann, auch ein braver Schulmann darum aber doch ist das Schulwesen schlecht und liegt der Grund nicht in der Individualität des Rectoris, sondern in der Volkszahl in Local - Umständen, zum Beispiel der Schulgebäude, in der jämmerlichen Erbärmlichkeit der vorbereitenden Schule des Küsters Walter, und in dergleichen Dingen.

   Jetzt ist der Zeitpunct da, wo der Bürgerschule hieselbst aufgeholfen wer­den kann. Wird dieser verabsäumt so bleibt es wahrscheinlich für lange Zeit noch Nacht in den Köpfen, und selbst in den Herzen der hiesigen Bürger - Jugend. Darum bitten wir Ew. Königl. Hoheit submissest um die Gnade

   Geruhen Allerhöchst Dieselben dem Superintendenten Kleiminger aller­gnä­digst zu committiren, daß er hier in loco den Umstand der Schulen strenge prüfe, daß er ferner auch hier in loco die Kräfte der sämmtlichen hiesigen piorum corporum, als: der Kirche, der Oeconomie, des Armen - Kastens, und des Hospitales, genau untersuche, und dann mit uns und etwa unter Zuziehung unsers trefflichen Predigers, des, mit allen Localitäten hieselbst vollenkommen bekannten Praepositi Brinkmann, über die bessere Einrichtung der Schule conferire, und über seinen Befund allerunterthänigsten Bericht abstatte.

   Da wir selbst diesen submissesten Antrag machen, so erhellt daraus, daß wir der guten Sache keine Schwierigkeit in den Weg legen werden, da der Su­per­intendent Kleiminger in aller Hinsicht dem Fache gewachsen ist, und da E. K. H. stets das Gute gewollt haben, so hoffen wir, daß auch das Gute hier würklich erreicht werden werde. Und das gebe Gott. In tiefster Ehrfurcht ersterben wir, als

   Ew: K. H. allerunterthänigster Bürgermeister und Rath

   Neukalden

   30ten October 1825.                                 

 

   Hochwürdiger Herr,

   Hochzuverehrender Herr Superintendent.

   In diesem Augenblicke - es ist 10 1/2 Uhr Abends - erfahre ich, daß der Herr Praepositus Brinkmann, und der Herr Rector Harder, Morgen frühe um 5 Uhr, sich auf die Reise zu Ihnen begeben wollen. Wahrscheinlich haben die Herren mit Ihnen Levinsche Pfarr - Angelegenheiten abzureden, auch vielleicht noch sonst andere Sachen abzumachen. Das sind nun Angelegenheiten, welche mich als privatum gewaltig interessiren, denn ich kann es nicht leugnen, ich wünschte meinen guten Harder gerne hier zu behalten, oder wenn ich dies nicht könnte, ihn frei vom Schul - Staube, und Nahrungssorgenlos gut angestellt zu sehen. Mag Er aber, und der würdige Herr Praepositus Brinkmann, und mögen Sie Hochverehrter Hochwürdiger Herr für dieses Mannes Wohlfahrt sorgen wie Sie wollen wie Sie können, ich kann nichts weiter dazu thun, und dieses ist auch nicht ferrago hujus libelli. Ein höherer Impuls treibt mich Ihnen in dieser Mitternachts - Stunde, ein par Worte zu schreiben. Möge mein Bemühen nicht vergeblich seyn.

   Die Schule hier ist gewaltig schlecht, und die Ursache liegt nicht in der Individualität des zeitigen Rectoris, sondern in der Volksmenge in der tiefen Er­bermlichkeit der vorbereiten sollenden Schule des Küsters Walter, im schlech­ten Locale der Schul - Stuben, vielleicht auch in den geringen Anstrengungen der hiesigen Bürger, zum herrlichen Zweck, und in anderen Kleinigkeiten. Genug, die Schule ist schlecht. Nicht gerade als sey sie der Maaßstab des Schlechtesten, nein so sey dies nicht gesprochen, aber doch provocire ich, auf das Urtheil der Herren Brinkmann und Harder, ob die Schule nicht würklich schlecht ist (nehmlich in Verhaltniß zur Idee einer erträglich guten Bürgerschule) und ob sie nicht mit den Kräften welche wir hier besitzen, und mit einiger Anstrengung von mehreren Seiten ohne große Schwierigkeit, besser einge­richtet werden könnte. Jetzt oder nie ist die Zeit da wo etwas Gescheuntes Ordentliches, und Ihrer Hochwürdiger Herren würdiges gewürkt werden kann. Wird diese Zeit versäumt, so ist vielleicht in langen Jahren keine Remedur möglich, und darum nun will ich Sie Hochverehrter Herr Superintendent dringend, gehorsamst, ergebenst, und mit was für Superlative Sie alles wollen allemal aber vom Herzen zum Herzen angesprochen haben, dahin

   Nehmen Sie sich bei dieser Gelegenheit der hiesigen Schule an.

   Lange schon war es mein Wunsch, mein ehrlicher Wunsch, für die hie­sige Schule etwas würken zu können. Nie hat sich die Gelegenheit so gut dar­ge­boten, als jetzt, und darum muß auch dieser Zeitpunct nicht versäumt wer­den. Ich bitte Sie recht herzlich recht dringend, helfen Sie zum guten Werke. Sie können viel, und daher hoffe ich auch das Sie wollen werden. Sie sind ja gut.

   Ich lege Ihnen hieneben die Abschrift einer Vorstellung ad Celh. Regimen bei, welche von hiesigen Magistratswegen, heute schon mit der Post hat abge­hen sollen, eingetroffener widriger Verhaltniße halber, aber noch nicht abgegan­gen ist, und erst mit nächster Post abgehen wird, eine Abschrift welche ich zufällig jetzt schon besitze. Sie sehen daraus, daß hier keine Schwierigkeiten gemacht werden, daß guter Wille da ist, und so wird ja wohl finis opus coronare. Mit vollenkomster Hochachtung unterzeichne ich mich als Ew Hochwürden gehorsamster

   Petri   [Bürgermeister]

   Neukalden

   den 30ten October 1825."

 

   Die Oberschulbehörde in Schwerin richtete ein dringliches Gesuch an den zuständigen Schulrat. Unter anderem hieß es:

   "In Betracht des dortigen Schulwesens committiren wir euch hierdurch: Mit Zuziehung des Präpositus und des Magistrats ebendaselbst, die jetzige Einrichtung der Schule genau an Ort und Stelle zu prüfen und mit Rücksicht auf die Vermögens - Umstände der dortigen geistlichen Stiftungen gutachtlich über die bessere Einrichtung der Schule zu berichten.

   Schwerin, d. 9. Nov. 1825."

 

   1826 befand es sich, daß 239 schulfähige Kinder die Rektorschule und 238 die Küster­schule besuchen sollten. Das konnte nicht länger so gehen.

   Laut Vereinbarung zwischen Superintendent Kleiminger und der Stadt vom 13.4.1826 wurde die Anstellung eines zweiten Lehrers (Con-rectors) beschlossen. Daraufhin erfolgte am 14.7.1826 die Einführung von Johann Enoch Simonis als Conrector (vorher war er in Gr. Upahl tätig). Rektor Buschmann und Conrektor Simonis teilten sich nun den Unterricht der Knaben. Der Küster­schule wollte man dadurch aufhelfen, daß man, da ein zweiter Lehrer für sie nicht zu haben war, doch wenigstens noch daneben eine Elementarklasse für die kleinen Mädchen zu Wege brächte, welche von einer dazu qualifizierten weiblichen Person, die sich mit dem Schulschillinge begnügen müßte, einzu­richten wäre. Der Pastor übernahm es, die geeignete Persönlichkeit heranzu­ziehen, auch dahin zu sehen, daß für die Schlakendorfer und Salemer eine eigene Schule in Schlakendorf errichtet würde, was aber erst 1843 mit dem Bau der Schule in Franzensberg erreicht wurde.

   Im übrigen erreichte man auch dies Mal noch nicht eine gründliche Verbesserung des Schulwesens. Es waren nicht allein die Mädchen noch ferner wesentlich auf Nebenschulen angewiesen, auch die Knabenschule faßte noch immer bei weitem nicht sämt­liche schulfähige Knaben. Es wurden sowohl bei der Knabenschule als bei der Mädchenschule gewisse Bedingungen nicht nur des Alters sondern auch der Kenntnisse für die Aufnahme gestellt, und so geschah es, daß viele Kinder weit über das achte Jahr, welches für die Aufnahme in die öffentliche Schule maß­gebend sein sollte, hin-auskamen, bevor sie Aufnahme fanden, weil es ihnen an den geringen geforderten Vorkenntnissen mangelte. Ja nicht wenige Kinder er­reichten das konfirmationsfähige Alter ganz oder beinahe, ohne in die Stadt­schule aufgenommen zu werden, da es ihnen gänzlich an Vorkenntnissen fehlte.

 

 

Die neue Schulordnung von 1829

 

Schul - Ordnung

für die in der Stadt Neukalden befindlichen Schulen

 

Capitel I.

Von der Schul - Verfassung im Allgemeinen

 

§. 1.

   Die hiesigen Schulen sollen ihren Zweck nach, Bürger - Schulen seyn und wenn freilich auch für solche Kinder, welche sich den Wissenschaften widmen dürften, durch Privat - Unterricht soll gesorgt und ihnen Gelegenheit zu der nöthigen Vorbereitung gegeben werden, so soll doch bei den öffentlichen Unterricht nur darauf Rücksicht genommen werden, den Kindern außer der christlich religiösen und sittlichen Bildung solche Kenntnisse und Fertigkeiten beizubringen, welche dem Bürgerstande nöthig sind.

 

§. 2.

   Um diesen Zweck um so sicherer zu erreichen, ist durch die allerhöchste Huld Sr. Königlichen Hoheit, neben dem Rector, noch ein Conrector ernannt und bestehen daher als Allerhöchst confirmirte Schulen

            a, die Schule des Rectors

            b, die Schule des Conrectors

            c, die Schule des Küsters

 

§. 3.

   Da aber diese drei Schulen bei der großen Zahl der hiesigen Jugend nicht genügen, so sollen bis dahin, daß die Stadt im Stande seyn wird, einen oder zwei tüchtige Unterlehrer anzustellen, noch ferner die drei bisher existiren­den Winkelschulen bestehen, doch so, daß auch sie, unter Aufsicht der Schul - Inspection stehen und daß, wenn eventualiter eine dieser Winkel - Schulen erlediget würde, sich keiner eigenmächtig und ohne Einwilligung der Schul - Inspection eine Winkel - Schule zu errichten erlauben darf.

 

§. 4.

   Sollten einer oder mehrere Bürger ihre Kinder den öffentlichen confir­mir­ten Schulen entziehen und sie einen etwa vorhandenen Hauslehrer übergeben, so sind sie gehalten, den Lehrer zu dessen Schule sie gehören, das ge­wöhnliche Schul und Holzgeld zu bezahlen.

 

§. 5.

   Der Rector ist der erste Lehrer und hat den Unterricht in der ersten Classe und in solchen Kenntnissen, die schon einige Bildung und Fertigkeit voraussetzen. Daneben hat er die Verpflichtung die Orgel zu spielen, den Kirchen - Gesang zu leiten, die Leichen zu begleiten und die gewöhnlichen Pre­digten, namentlich die Früh - Predigten an den hohen Festtagen, am Neujahrs­tage und die Haupt Predigt am Palm - Sonntage zu halten und liegt an solchen Tagen, wenn der Rector predigt, den Küster die Pflicht ob, den Kirchen - Gesang zu leiten. Dies ist auch der Fall bei Krankheiten des Rectors, wo gleichfalls sowohl beim Gottesdienst, als bei Leichenbegleitung der Küster den Gesang leitet.

 

§. 6.

   Der jedesmalige Conrector hat den Unterricht in der zweiten Classe zu besorgen. Dabey steht es den beiden Lehrern frei, wenn etwa der Eine oder der Andere in irgend einem Gegen-stand des Unterrichts mehr Fertigkeit hätte, sich darüber zu vereinbaren und den Unterricht darin in der ihm nicht zunächst ange­hörenden Classe zu übernehmen.

 

§. 7.

   Der Küster beschafft den Unterricht der weiblichen Jugend von der Zeit an, da sie Fertigkeit im Buchstabiren und nothdürftigen Lesen erlangt hat, bis zur Confirmation. Um aber der weiblichen Jugend Gelegenheit zur Ausbildung ihrer religiösen Erkenntniß zu gewähren, ist der Rector verpflichtet, die der Confirmation sich nähernden Mädchen von Michaelis bis Ostern wöchentlich 4 Stunden, nämlich Montag, Dienstag, Donnerstags und Freitags von 11 bis 12 Vormittags Unterricht zu ertheilen, so wie der Conrector dagegen ihnen diesen Unterricht an denselbigen Tagen von Ostern an bis Michaelis ertheilet.

 

§. 8.

   Zu den vorbereitenden und einstweilen bestehenden Winkel - Schulen gehören die Knaben und Mädchen bis sie einige Fertigkeit im Lesen erwerben und dürfte etwa das 8te Jahr, als die Zeit bestimmt werden, wo die Knaben von diesen Schulen zur Schule des Conrectors, die Mädchen aber zur Schule des Küsters übergehen und gehören.

 

§. 9.

   Die Schulgehörigkeit der Kinder männlichen und weiblichen Geschlechts geht mit dem zurückgelegten fünften Lebensjahre an und müssen von dieser Zeit an, alle Kinder bis dahin, daß sie confirmirt sind, zu der für sie respee gehörenden Schule geschickt werden.

 

§. 10.

   Um der Willkühr der Eltern in Absicht des Schul - Besuchs ihrer Kinder ein Ziel zu setzen, sind alle Eltern ohne Unterschied verpflichtet, vom 8ten Lebensjahre an, das gehörige Schulgeld für die Knaben an den Rector, als der aus den beiden Classen der Oberschule das Schulgeld bezieht und für die Mädchen an den Küster zu bezahlen. Wenn aber künftighin auch für die Vorbereitungs - Schule eigne Lehrer angestellt werden, und die bestehenden Winkel - Schulen aufhören, dann soll dieser Schul - Zwang dahin erweitert werden, daß schon mit dem vollendeten fünften Jahre die Eltern verpflichtet sind, das Schulgeld für ihre Kinder zu bezahlen. 

 

§. 11.

   Zu diesem Zweck sollen die angestellten Lehrer am Schlusse eines jeden Vierteljahres befugt seyn, ein Verzeichniß derjenigen Kinder, die die Schule nicht besucht haben, dem hiesigen löblichen Magistrat zu übergeben, welcher für die Eintreibung des Schulgeldes ohne processualische Verhandlungen auf dem kürzesten Wege sorgen, so wie derselbe auf gleiche Weise behülflich seyn wird, daß das Schulgeld von den säumigen Eltern eingetrieben werde.

 

§. 12.

   Uebrigens da bisher der Rector und Küster einigen notorisch armen Kindern unentgeldlich Unterricht ertheilt und eine nicht geringe Zahl derselben aus dem hiesigen Armen Kasten frei zur Schule gehalten, so soll es auch in Zukunft dabei verbleiben und der Rector so wie der Küster jeder zwei Kinder unentgeldlich in die Schule nehmen, für die dann übrig notorisch armen Kinder soll ferner das Schulgeld aus den Armen Kasten bezahlt werden.

 

§. 13.

   Die allgemeine Aufsicht über die sämmtlichen Schulen hat der jedes­malige Superintendent, die specielle Aufsicht aber unter dessen Leitung der jedesmalige Prediger in Neukalden und der Magistrat daselbst. Letztere beide sind zwar verpflichtet, für das Beßte der Schulen gemeinschaftlich zu sorgen, über die Beobachtung der Schul Ordnung zu wachen und darüber miteinander zu conferiren, wie die Schulen immer mehr eine zweckmäßige Einrichtung zu geben und den sichtbar werdenden Mängeln abzuhelfen sey, unterdessen soll doch dem jedesmaligen Prediger besonders das Innere des Schulwesens, was Unterricht, Methode, Disciplin u. s. w. anbetrifft, anheim gegeben seyn, darüber zu wachen und mit seinem Rathe den Lehrern behülflich seyn.

 

§. 14.

   Etwanige Anträge, die die Lehrer in Absicht der Schulen zu machen haben, mögen es Beschwerden über sich ergebende Mängel, oder Wünsche zur Verbesserung des Schulwesens seyn, werden zunächst bey dem Prediger angebracht, der darüber, wenn es nöthig ist, mit dem Magistrat conferirt und wo es erforderlich ist, davon den Superintendenten in Kenntniß setzt und dessen Rath und Bestimmung gebührend einholt.

 

§. 15a.

   Sollten Eltern mit dem Unterricht oder der Behandlung ihrer Kinder nicht zufrieden seyn und meynen, darüber gegründete Klage führen zu können, so dürfen sie darüber den Lehrer selbst nicht zur Rede stellen, noch viel weniger sich erlauben ihm darüber Vorwürfe zu machen und Grobheiten zu sagen und soll die Obrigkeit in solchem Fall auf die Klage des Lehrers ohne processua­lische Weiterung ein solches Benehmen ahnden. Haben Eltern Ursache zu gegründeten Klagen über einen Lehrer, so sollen sie solche zunächst bei dem Prediger anbringen, der diese Klagen sorgfältig zu prüfen, die Lehrer darüber zu vermahnen, und wo es nöthig, zurecht zu weisen hat. Nach Umständen dürften solche Beschwerden auch von der gesammten Schul - Inspection zu untersu­chen und dem Superintendenten eventualiter der Großherzoglichen höchsten Landes - Regierung zur Entscheidung vorzutragen seyn.

 

Capitel II.

Vom Schul - Unterricht

 

§. 15b.

   Die Grenzen der Schulen in der Stadt Neukalden sind folgendermaßen festgesetzt

   1. Zu den vorbereitenden Schulen, gehören alle Kinder, Knaben sowohl als Mädchen, von der Zeit an, wenn sie gesetzlich schulfähig sind, bis dahin, daß sie einige Fertigkeit im Lesen erlangt und also etwa bis zum 8ten Jahre.

   Alsdann

   2. gehen die Mädchen bis zur Confirmation in die Schule des Küsters wo sie zu größerer Fertigkeit im Lesen sollen gebracht und zu einem verständigen Lesen gewöhnt, in der Religion, biblischer Geschichte, Schreiben und Rechnen, besonders Kopfrechnen sollen angeleitet werden.

   3. Die Knaben gehen, wenn sie einige Uebung im Lesen erlangt haben, zur Schule des Conrectors und bleiben in dieser Schule bis dahin, daß sie im Schreiben so weit sind, daß sie etwas Dictirtes nothdürftig nachschreiben, in der Ortographie etwas geübt und im Rechnen die 4 Species und die Anfangsgründe der Regula detri begriffen haben. Alsdann gehen sie

   4. zur Schule des Rectors über

   5. Auf Anlegung einer Industrie Schule für die Mädchen soll Bedacht ge­nommen werden.

 

§. 16.

   Der Willkühr der Eltern ist es nicht überlassen, zu welcher Schule sie ihre Kinder schicken wollen, und keiner der Lehrer ist befugt, ein Kind in seine Schule aufzunehmen, welches für sie nicht gehört. In Absicht der Privatstunden, deren jeder Lehrer der beiden ersten Schulen wenigstens eine, wenn es von Eltern verlangt wird, geben muß, bleibt es den Eltern überlassen, bei wen sie solchen ihren Kindern wollen ertheilen lassen, so wie das dafür zu zahlende Honorar dem Lehrer gebührt, der den Privatunterricht ertheilt, unter dessen das Schulgeld für die öffentlichen Stunden, nach der bestehenden Einrichtung aus den beiden Classen der Oberschule allein dem Rector anheim fällt.

 

§. 17.

   Der öffentliche Unterricht sowohl in der Rector und Conrectorschule, als in der des Küsters, dauert täglich, Mittwoch und Sonnabend ausgenommen, fünf Stunden, nämlich 3 Stunden Vormittags und 2 Stunden Nachmittags. - Am Mittwoch und Sonnabend ist Nachmittags keine Schule, und am Sonnabend wird nur in zwei Stunden Unterricht ertheilt. Am Sonnabend giebt der Rector eine Singestunde, nach den öffentlichen Stunden, und die Kinder, welche er als tüchtig dazu auszeichnet, sind zur Bildung eines künftigen Singe Chors, gehal­ten, jede Stunde zu besuchen.

   Im Sommer hebt die Schule des Morgens um 7 Uhr an und dauert bis 10 Uhr, im Winter fängt sie um 8 Uhr an und endet um 11 Uhr. Nachmittags wird sie sowohl im Sommer als Winter von 1 bis 3 gehalten. Außer diesen fünf öffentlichen Stunden giebt, wie schon bemerkt ( § 7.) der Rector den Confir­mandinnen und den dazu heranreifenden Mädchen 4mal die Woche von Michaelis bis Ostern von 11 bis 12 Uhr Religions Unterricht, so wie der Conrector diesen Unterricht von Ostern bis Michaelis von 10 bis 11 Uhr Vormittags oder von 3 bis 4 Uhr Nachmittags ertheilt.

 

§. 18.

   Was den Unterricht im Allgemeinen anlangt, so ist dabei dahin zu sehen, daß dadurch der Verstand der Kinder geweckt und sie zum Nachdenken ge­wöhnt werden, daher das bloß Mechanische zu vermeiden und soviel möglich dahin zu sehen ist, das während des Unterrichts alle nützlich beschäftigt werden, und da dies nur zu erreichen seyn dürfte, wenn Fähigere zu den Fähigeren und die Ungeübteren zu den Schwächeren gesellt werden, so haben die Lehrer ihre Schulen in gewisse Unterabtheilungen zu ordnen und dafür zu sorgen, daß indem sie der einen Abtheilung besonders ihre Aufmerksamkeit weihen und unterrichten, die übrigen gleichfalls zweckmäßig beschäftigt werden, wobei freilich das mehr oder minder zweckmäßige der eigenen Beurtheilung und Erfahrung des Lehrers überlassen bleibt.

 

§. 19.

   Was nun die Gegenstände des Unterrichts selbst anbetrifft, so sind solche in den dieser Schulordnung sub A. B. u. C. beigefügten Lectionsplane bestimmt. Wobei es jedoch den beiden Lehrern der Oberschule freigegeben wird, mit Zuziehung des jedesmaligen Predigers und mit Genehmigung des Superintendenten zweckmäßige Abänderungen zu treffen.

 

§. 20.

   Die Lectionspläne sollen in den Schulen aufgestellt werden, damit sie den Lehrern, wie den Schülern gegenwärtig bleiben und der Unterricht so einen festen und bestimmten Gang gewinne.

 

Capitel III.

Von den Schulprüfungen und Versetzungen.

 

§. 21.

   Um das Interesse der Eltern für die Schulen zu erhöhen und den Eifer der Lehrer, so wie den Fleiß der Schüler zu beleben sollen zweimal im Jahre öffent­liche Prüfungen in allen Schulen gehalten werden, die eine am Donnerstage vor Palm Sontag oder in der vollen Woche nach Ostern und die zweite in der vollen Woche nach Michaelis und soll es den Eltern ohne Unterschied frei stehen, daran Theil zu nehmen, so wie der Prediger und der Magistrat sich dabey einzu­finden verpflichtet sind.

 

§. 22.

   Die Prüfungen geschehen, ohne eigentliche nähere Vorbereitung der Kin­der in denjenigen Unterrichtsgegenständen, womit die Kinder in dem verflosse­nen Jahre beschäftiget wurden, von den Lehrern selbst, doch steht es dabey dem Prediger und dem Magistrate frei, dem Lehrer die Stücke zu bezeichnen, über die eine Prüfung anzustellen seyn dürfte. Es werden dabei die Schreibe­bücher und in der ersten Classe des Rectors die schriftlichen Aufsätze des vorigen halben Jahres vorgezeigt. Auch können Einzelne von dem, was sie memorirt haben Proben ablegen. Bei diesen Prüfungen haben die Lehrer es bemercklich zu machen: welche unter ihren Schülern insonderheit durch Sitt­sam­keit, Ordnungsliebe, Folgsamkeit, Fleiß und Aufmerksamkeit ausgezeichnet haben, so wie auch die, die durch ihr Betragen, durch Trägheit und Ungehorsam Tadel verdienen, bemerklich zu machen seyn dürften.

 

§. 23.

   Auch bei den bestehenden Winkelschulen soll halbjährlich eine Prüfung stattfinden, um auszumitteln, welche Kinder in die Schule des Conrectors, oder des Küsters übergehen können.

 

§. 24.

   Nach geschehener Prüfung der Schule des Conrectors sollen diejenigen Kinder, welche dazu tüchtig befunden worden, in die Schule des Rectors ver­setzt werden und hat darüber allein die Schul Inspection etwa mit Zuziehung des Rectors und Conrectors zu bestimmen.

 

§. 25.

   Zu den Schulprüfungen sollen die Eltern jedesmal durch Ankündigung von der Canzel an den vorhergehenden Sonntagen eingeladen werden.

 

Capitel IV.

Von den Schul - Ferien

 

§. 26.

   Schulferien sollen stattfinden

   1. Vom Tage vor Weihnachten bis zum 2ten Tage nach Neujahr

   2. In der stillen Woche, vom Palm Sontag an, bis Mittwoch nach Ostern incl: so, daß am Donnerstage die Schule wieder anhebt, insoferne aber ein Jahrmarkt auf diesen Tag fällt, nimmt die Schule erst am Montage nach Quasimodogeniti ihren Anfang.

   3. In der Erndte vierzehn Tage oder 2 volle Wochen

   4. An den Jahrmärkten und da diese mit dem Pferdemarkt 3 Tage dauern, 3 Tage hindurch.

   5. an den beiden Tagen des sogenannten Königschusses

   6. die Michaelis Woche hindurch und wenn der Michaelis Tag auf einen Sonnabend oder Sontag fällt, allemal die darauf folgende Woche.

 

§. 27.

   Außer diesen bestimmten Ferien, soll sich kein Lehrer erlauben, eigen­mächtig die Schule ganze oder halbe Tage hindurch, auch selbst dann nicht auszusetzen, wenn auch durch besondere Veranlassung wie etwa in der Erndte beim Aehrenlesen die Zahl der zur Schule kommenden Kinder, sich auf wenige beschränckte.

 

§. 28.

   Sollte ein Lehrer durch Krankheit, oder durch sonst dringende Umstände veranlaßt werden, die Schule auf einen oder mehrere Tage aus zu setzen, so ist dies bei der Schul Inspection anzuzeigen. Eben dies muß auch geschehen, wenn ein Lehrer auf einen oder mehrere Tage zu verreisen genöthiget ist; sobald aber eine solche Reise über 8 und mehrere Tage dauert, ist davon dem Superintendenten die Anzeige zu machen.

 

Capitel V.

Von den Schulgesetzen

 

§. 29.

   Die Schulgesetze sollen hier nicht nach ihrem ganzen Umfang aufgestellt werden, da sich von den Lehrern voraussetzen läßt, daß sie darüber keiner ausführlichen Belehrung bedürfen, und die für die ihrer Leitung anvertraueten Kinder nöthigen Regeln leicht selbst entwerfen und ihre Schüler damit bekannt machen werden. Nur im Allgemeinen sollen

 

§. 30.

   die Lehrer daran erinnert werden, daß sie sich in aller Hinsicht eines anständigen christlichen Wandels und wahrer Gottesfurcht zu befleißigen haben, um dadurch um so eher ihren Belehrungen bei der Jugend Eingang zu verschaffen, so wie sie denn auch unausgesetzt den öffentlichen Gottesdienst beizuwohnen verpflichtet sind, um auch dadurch bei der Jugend die Achtung dagegen zu begründen.

 

§. 31.

   Die Schulstunden sind pünctlich abzuwarten und die Lehrer sollen sobald die Kinder anfangen sich zu sammeln, sogleich in die Schule gegenwärtig seyn, damit die Kinder nicht sich selbst überlassen zu Neckerey und Muthwillen Raum haben. Auch dürfen die Kinder nicht während den Schulstunden in Masse her­aus­gelassen werden, und wenn dies höchstens auf 5 Minuten beim Uebergang von einem Unterrichtsgegenstand zum andern geschieht, so hat der Lehrer gewissenhaft darauf zu achten, daß die Kinder sich ruhig und anständig be­tragen, keine Balgerey anfangen, nicht mit Steinen werfen und sonstigen Unfug treiben.

 

§. 32.

   Wie sie überhaupt es sich zur Pflicht zu machen haben, ein anständiges Betragen der Kinder zu fördern, darauf zu sehen, daß sie sich der Reinlichkeit befleißigen und höflich sich benehmen, so haben sie insonderheit darauf zu achten, daß sie beim Entlassen aus der Schule anständig und ruhig zu Hause gehen und nicht wie dies bei manchen Schulen der Fall ist, mit wildem Geschrey durch die Gassen toben. Um die Reinlichkeit zu befördern, sind in den Classen feststehende Dintenfäßer zu halten und jeder Schüler zahlt vierteljährig 1/2 Schilling Dintengeld.

 

§. 33.

   Wenn freilich wie schon § 29. bemerckt die speciellen Regula für die Schüler hier nicht sollen aufgeführt werden, so ist doch in Rücksicht auf sie folgendes zu bemerken

   1. Sie sollen mit dem Glockenschlag in der Schule seyn, um an den Gesang und Gebet Theil zu nehmen.

   2. Wie sie in der Schule der Aufmerksamkeit und Anständigkeit sich zu befleißigen haben, so sollen sie auch außer der Schule sich anständig betragen, und es wird daher den Lehrern zur Pflicht gemacht, auch außer der Schule ein wachsames Auge auf sie zu haben.

   3. Das von den Lehrern zum Auswendiglernen Aufgegebene, sollen sie außer den Schulstunden erlernen. In der Schulstunde selbst soll kein Memoriren stattfinden, ausgenommen, wenn der Lehrer einzelne Abtheilungen damit be­schäf­tigen will, unterdessen er eine andere Abtheilung anderweitigen Unterricht giebt.

   4. Kann ein Schüler nicht zur Schule kommen, so ist es dem Lehrer anzuzeigen.

   5. Die Schüler der beiden ersten Classen sollen den öffentlichen Gottes­dienst beiwohnen, nur bei strenger Winter Kälte mag es den Jüngeren erlaubt seyn zurückzubleiben.

   6. Die 6 ersten Schüler aus der Schule des Rectors müssen sich Sonnabends zur Vesper auf dem Orgelchore einfinden, so wie sie auch nach einer Reihenfolge das Anstecken der Gesänge für den öffentlichen Gottesdienst beschaffen.

 

Capitel VI

Vom Schulgeld und dem Gehalt der Lehrer

 

§. 34.

   1. In den bestehenden Winkelschulen und bis dahin, daß für die Elementarschule ein Lehrer kann angestellt werden, zahlen die Kinder den gewöhnlichen Schul Schilling wöchentlich, doch sollen sie auch gehalten seyn, diesen Schilling zu bezahlen, wenn sie die Kinder ohne dringende Noth wochen­lang von der Schule abhalten.

   2. In der Küster Schule wird in Gemäßheit des unter Direction des Herrn Superintendenten am 13 April d. J. abgehaltenen und demnächst Allerhöchst confirmirten Protocoll für jedes Kind im Sommer quartaliter acht Schillinge und im Winter mit dem Holzgelde 20 Schilling bezahlt. Für die Freischüler, welche der Armen Kasten bezahlt, werden quartaliter nur 6 Schilling erlegt.

   Die Mädchen, welche im Schreiben und Rechnen unterrichtet werden, zahlen 16 Schilling quartaliter.

   3. In der Schule des Rectors so wie des Conrectors zahlt jedes Kind in Gemäßheit des angezogenen Protocolls quartaliter 24 Schilling und in dem Winter halben Jahre jedes Quartal 12 Schilling Holzgeld.

   4. Die Mädchen welche im Winter halben Jahre zur Confirmation vorbe­reitet werden, zahlen 12 Schilling Holzgeld. Die Zuhörerinnen bezahlen nichts.

   5. Auswärtige haben das doppelte Schulgeld, mit Ausschluß des Holz­geldes zu entrichten und beide Lehrer es unter sich zu theilen.

 

§. 35.

   Die Einkünfte und Emolumente der Rectorstelle bestehen in folgenden

I. Stehende Hebungen

   A. An baaren Gelde.

   1. Aus der Großherzoglichen Kirchen - Oeconomie

   a, das jährliche Gehalt 18 Rthlr. 39 Schilling

   b, eine Zulage von 1 Rthlr.

   c, eine Zulage zur Entschädigung für früher an den Küster abgegebene Kinder 5 Rthlr. 24 Schilling

2. Aus den Kirchen Cassen

   a, das jährliche Gehalt 6 Rthlr. 6 Schilling

   b, Entschädigung für abgegebene Kinder 5 Rthlr. 24 Schilling

   NB. Alles Michaelis fällig

3. Aus dem Kirchen Aerario

   a, das Gehalt Michaelis fällig 3 Rthlr. 4 3/4 Schilling

   b, sogenanntes Beltgeld Weihnachten 40 Schilling

   c, Scheunen Miethe nach einem allerhöchsten Mandat vom 28 July 1828 jährlich Johannis postnumerando 16 Rthlr.

   d, für durchgehende Leichen jährlich Ostern 32 Schilling

4. Aus dem St: Georgs Stift Gehalt pro Michaelis fällig 4 Rthlr. 18 Schilling

5. Aus der Schlackendorffer Capelle für den, den Confirmanden zu ertheilenden Unterricht Ostern 3 Rthlr.

 

   B. An Naturalien

1. An Aeckern

   30 Scheffel Aussaat Landes, wozu noch seit Michaelis 1805 4 Scheffel Landes am Gorschendorfer Steige bei der Raths Lüchow  gekommen sind

2. An Korn, welches vom Amte Dargun wegen Schlackendorf gegeben wird

   a, 12 Scheffel Rokken gehäuft oder 15 Scheffel Rostocker Maaß

   b, 12 Scheffel Gerste dito - dito

3. An Holz

   a, von der Stadt Cämmerey postnumerando 3 Faden 4füßiges Buchen Blankholz, Neujahr fällig, doch wird es erst im Frühjahre angewiesen

   b, von der Großherzoglichen Forst werden 2 Faden 3füßiges Büchen Holz gegeben, doch muß von dem jedesmaligen Rector erst allerunterthänigst darum nachgesucht werden.

   C. Zufällige Hebungen

A. Das Schulgeld sowohl aus der Classe des Rectors, als des Conrectors, wie es § 24 angegeben ist. Jedoch zahlt der Rector an den Conrector von dem Schulgelde 30 Rthlr. N/3tel und überdem noch 10 Rthlr. N/3tel in Quartal ratis und also quartaliter 10 Rthlr. N/3

B. Von Hochzeiten aus der Stadt erhält der Rector jedesmal 32 Schilling

C. Von Leichen

   a, für die eines Erwachsenen 16 Schilling

   b, für eine Kinderleiche 8 Schilling gewöhnlich 16 Schilling

   c, einen besonders gewählten Gesang 2 Schilling, wird eine Rede gehalten, erhält der Rector dafür 1 Rthlr. und für den Gesang 4 Schilling

   d, Honoratiores bezahlen gewöhnlich 2 Rthlr. 24 Schilling bis 5 Rthlr.

D. In den Frühpredigten bezieht der Rector den Klingebeutel. Außerdem hat der Rector eine bequeme Wohnung mit Hofraum und Stallgebäude, einen Garten vor dem Amtsthor und einen am Knüppeldamm und Weidegerechtigkeit für soviel Vieh, als er durchwintern kann, doch bezahlt er das herkömmliche Hirtenlohn.

 

§. 36.

   Die Einkünfte des Conrectors bestehen

A. in stehenden Hebungen an baaren Gelde

   a, aus der Großherzoglichen Kirchen Oeconomie

   1. nach dem Allerhöchst confirmirten Protocoll vom 13 April 1826 jährlich in Quartal ratis zu erhebenden  50 Rthlr.

   2. Die vormals dem Rector aus obiger Casse Quartal ratis gezahlten 30 Rthlr.

   3. eine dem Rector vormals gezahlte Zulage von 10 Rthlr.

   b, aus dem St: Georgs Stift, die Michaelis fällige Zulage von 10 Rthlr.

   c, aus der Stadt Cämmerey

   1. das nach dem angezogenen Protocolle vom 13. April bestimmte Quartal ratis zu zahlende Salarium 50 Rthlr.

   2. das sogenannte Rector Speisegeld Ostern fällig 35 Rthlr.

   3. die sogenannte Entschädigung für abgegangene Kinder 5 Rthlr. 16 Schill.

   d, von dem Herrn Rector aus dem erhöheten Schulgelde zur Haus Miethe 30 Rthlr.

       von Eben demselben aus seinen anderweitigen Einkünften 10 Rthlr.

B. Accidentelle Hebungen hat der Conrector

   a, nicht, außer was der Privat - Unterricht ergiebt, da der Rector das Schulgeld seiner Classe mit bezieht und der Conrector an den Hebungen von Hochzeiten und Leichen keinen Antheil hat.

C. An Naturalien und anderen Emolumenten erhält der Conrector

   a, einen Garten

   b, zwei Fuder Heu

   c, den Bedarf an Torf von 10,000 Soden

       Auch hat er die Weide - Gerechtigkeit, wie der Rector.

 

§. 37.

   Die Einkünfte des dritten Schullehrers, welcher bis jetzt zugleich Küster ist, bestehen

A. An fixen Hebungen

   I. An baaren Gelde

   1. Aus der Oeconomie Casse

   a, in N/3 16 Rthlr.

   b, in m: v 5 Rthlr. 12 Schilling

   2. aus den Armen Kasten

   a, in N/3  5 Rthlr. 32 Schilling

   b, in m val 1 Rthlr. 8 Schilling

   3. Aus dem St: Georgs Stift in N/3  22 Rthlr. aus demselben in m: val 31 Schilling 9 Pfennig

   4. Aus dem Kirchen Aerario

   a, in N/3tel 32 Schilling

   b, in m: val   NB wird nach dem P. M. des Herrn Superintendenten Kleiminger vom 9. Febr 1831 aus der Oeconomie bezahlt 3 Rthlr. 18 Schilling 9 Pfennig

   5. Aus der Schlackendorffer Capelle in N/3  2 Rthlr. 24 Schilling

   II. An Naturalien hat er, als Küster

      8 Scheffel Hafer

      14 Mettwürste

      1 1/2 Schock Schafskäse

      164 Eier

   III. An Feurung 4 Faden 4füßiges Brennholz unentgeldlich gehauen und von den Salemer Bauern angefahren.

   IV. An Ländereyen

      14 Scheffel Aussaat Landes

      1 Garten von circa 30 Quadratruthen

      Uebrigens hat der Schullehrer und Küster eine freie Wohnung und die Weidegerechtigkeit für sein Vieh, aber kein Heu.

B. An Accidentien

   1. Das Schulgeld wie §. 34. bestimmt ist

   2. für Hochzeiten

   a, in der Stadt 8 Schilling

   b, vom Lande 24 Schilling

   3. für Kindtaufen, sowohl in der Stadt als auf dem Lande 4 Schilling

 

Capitel VII.

Vom Schul Fonds

 

§. 38.

   Es ist ein Schulfonds errichtet und als Grundlage haben dazu gedienet, die Aufkünfte der Vacanzzeit vom 16. April 1826 bis zum 14. July desselben Jahres, so wie sie sich aus den Auseinandersetzungs Vergleich zwischen dem vormaligen Rector Herrn Pastor Harder zu Levin und den jetzigen Lehrern Herrn Rector Buschmann und Conrector Simonis ergeben haben und in soferne sie eingegangen sind.

 

§. 39.

   Der jedesmalige Rector hat die Berechnung des Fonds und legt darüber den Schulvorstehern oder dem Herrn Superintendenten Rechnung ab; so wie er zunächst dafür zu sorgen hat, daß, wenn die aus der Vacanz Vierteljahr fälligen Hebungen eingegangen sind, dies Geld bei der Spar Casse zu Schwerin, oder sonst sicher untergebracht werde.

 

§. 40.

   Um diesen Schulfonds zu vergrößern soll jeder Schüler in der Rector und Conrector Classe gehalten seyn, bei der Aufnahme in solche 2 Schilling zu erlegen.

 

§. 41.

   Von den Zinsen dieses Fonds sollen mit Zuziehung des jedesmaligen Orts Predigers die für die Schule erforderlichen Charten, Vorschriften, Zeich­nungen und dergleichen für die Schule nöthigen Sachen angeschafft werden, so wie, wenn durch günstige Umstände der Fonds sich bedeutend mehrte, künftig­hin eine kleine Schulbibliothek könnte angelegt werden.

 

§. 42.

   Als Schulfeste können der 18. Juny und 18. October, um in der Jugend Liebe für den Regenten und das Vaterland zu wecken, unter Leitung der Lehrer zweckmäßig benutzt werden."

 

  

   Carl Voß schrieb zu den Einkünften des Rektors: "Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt, sagt ein altes Sprichwort. So auch die Einkünfte des betr. Rektors. Es mag verlockend klingen, 30 Scheffelaussaat Acker, ein Wohnhaus. Die 30 Scheffel Acker mußte er verpachten und erzielte meistens einen nur geringen Pachtschilling. Das Wohnhaus war sehr baufällig und mußten die größten Räume noch zu Schulzwecken hergegeben werden, so daß an Wohn­raum oft nur ein Zimmer, Kammer und Küche für die Familie blieb. Auch lag die Reinigung der beiden Schulstuben dem Rektor zu Lasten. Von der Stadt erhielt der Rektor 3 3/8 Faden Holz aus dem Stadtwald, Conrektor Simonis erhielt 2 1/2 Faden.

 

 

 Klage des Rektors Buschmann 1833

 

   In einem Schreiben vom 30.12.1833 beklagte sich der Rektor Busch­mann darüber, daß er mit seinem geringen Einkommen seine Familie nicht ernähren könne, da seit der Einstellung eines zweiten Lehrers [Conrector Simonis] ihm ein großer Teil seines festen Gehaltes abgezogen sei. Aus den Mitteln der Stadt erhielt der Rektor 40 Rthlr. baares Gehalt. Alle übrigen Ein­nahmen bestanden in Naturalien und dem Schulgeld. Dieses Schulgeld geht nur spärlich ein, teils durch die Armut der betreffenden Eltern, teils durch die Nach­lässigkeit in der Zahlung, so daß alle Vierteljahr ein bedeutender Rückstand da ist. Er richtete deshalb ein Gesuch an den Magistrat mit der Bitte, das Schulgeld einzufordern. Wörtlich schreibt er in diesem Gesuch weiter:

   "Mein Vorschlag geht dahin, daß Sie einen Mann aus ihrer Mitte, der ihr Vertrauen besitzt, die Einforderung allen Schulgeldes übertragen und daß mir alsdann, 14 Tage nach dem Ersten eines Vierteljahres, das Schulgeld gegen Quittung übergeben werde. Da ich wohl weiß, daß das Einfordern eine große Mühe macht, so bin ich gerne erbötig, diese Mühe durch 10 Rthlr. jährlich zu vergüten. Um baldige Berücksichtigung dieses meines Antrages bittend, nenne ich mich mit gebührender Hochachtung

   Ew. Wohl und Hochedelgeborenen

   ganz ergebenster

   J. F.Buschmann

   Rector

   Neukalden

   d. 30. Dez. 1833"

 

   Durch eine Missive ließ nun der Magistrat bei den Senatoren, Viertels­leuten und Bürgervertretern anfragen, ob sie gewillt wären, dieses Geschäft zu übernehmen. Jedoch der Ratsbote kehrte nach zwei Tagen mit dem Bescheid zurück, daß sich keiner bereitgefunden hätte, diesen Posten zu übernehmen. Sie waren einfach zu stolz als sogenannter Schulbote in der Stadt umherzugehen und die Pfennige und Schillinge einfordern. Es ist interessant, die Begründungen oder Ausreden zu lesen, welche den betref­fenden Herren die Annahme dieses Postens unmöglich machten:

 

    "1. Ich für meine Person habe zu viele und zu mancherlei Geschäfte, als daß ich imstande wäre, auch noch dieses zu übernehmen.

      O. F. Schuhmacher   Senator

 

   2. Ich begebe mich meiner Stimme, weil der Rektor mein Schwiegersohn ist.

       Dr. Willgohs   Senator

 

   3. Ich habe keine Neigung dem Wunsche des Herrn Rektor zu entsprechen

      Meyer   Stadtsprecher

 

   4. Meine sonstige Geschäftsführung leidet nicht, daß ich dieses kann.

      Salchow

 

   5. Ich kann es nicht!

      Stüdemann

 

   6. Ich will es nicht!

      Grohmann

 

   7. Ich mag es nicht!

      Seemann

 

   8. Ich kann es nicht von wegen mein Alter

      Busch

 

   9. Ich kann es nicht, wegen meine vielen Geschäfte.

      Burmeister

 

   10. Wegen meines Alters kann ich nicht.

      Kosegart

 

   11. Meine häuslichen Geschäfte wollten es nicht leiden, dem Herrn Rektor Buschmann dieses leisten zu können.

      J. C. Anders

 

   12. Wegen meine Geschäften kann ich es auch nicht.

      Teßmann

 

   13. Wegen mein Alter und Schwächlichkeit kann ich es auch nicht.

      H. Lückstädt"

 

 

Notwendige Reparatur des Rektorhauses 1836

 

   1836 war das Rektorhaus reparaturbedürftig. Rektor Busch­mann schrieb am 31.3.1836:

   "Allerdurchl.

   Schon vor länger als 3 Jahren zeigte ich dem hiesigen Kirchen Provisor mündlich an, daß die hiesige Rector Wohnung höchst baufällig sey, und einer allgemeinen durchgreifenden Reparatur höchst nothwendig bedürfe. Der Kir­chen Provisor besichtigte hierauf schon damals meine Wohnung, war wegen der Nothwendigkeit der Reparaturen völlig mit mir einverstanden u. nahm ein Verzeichniß dessen auf, was damals als das Nothwendigste erschien, mit dem Versprechen, es dem Herrn Superintendenten mitzutheilen und den Bau bei dem Großherzogl. Amte zu Dargun in Anregung zu bringen, an welches er vermöge seiner Instruction zunächst gewiesen zu sein erklärte. Das Ghzgl. Amt zu Dargun fand bis jetzt jedoch nicht für gut eine Zimmerbesichtigung zu ver­anstalten. Im Laufe der verflossenen Jahre thaten sich nach und nach an meinem Hause mehrere Mangel hervor, die den Bau nur noch nothwendiger erscheinen laßen. Auf einigen Stellen ist die Sohle so vergangen, daß man zum Theil mit dem Stocke durch und durch stoßen kann; auf mehreren Stellen ist das Mauerwerk mehrere Zolle weit hervorgetreten und droht auszufallen; einige Stender und Riegel sind theils vom Schwamme angefreßen, theils vermodert; alle Fenster sind so schlecht, daß sie keinen hinreichenden Schutz  gegen  Regen  und  Wind  gewähren, Haus- u. Hofthüre, sowie der Thorweg gewähren nicht mehr hinreichende Sicherheit gegen Diebstahl, und fast in jedem Theile des Hauses ist man immerwährenden Zuge ausgesetzt. Die eine Seite des Hauses habe ich vorzüglich des Zuges u. schlechten Ofens wegen als unbe­wohn­bar schon räumen müssen, und auf der andern ist der Raum so beschränkt, daß ich das älteste meiner Kinder anderswo unterbringen mußte. Ueberhaupt giebt es, wie die Rectorwohnung jetzt beschaffen ist, in der ganzen Stadt wenig ungesundere Wohnungen, und was das Aeußere betrifft, wohnen selbst die Thorschreiber hier anständiger als der Rector. -

Da nun bei den Anstrengungen, die mit meinem Amte verbunden sind, meine schwächliche Gesundheit ohnehin schon gelitten hat, ich auch in dem verflossenen Winter den nachtheil einer ungesunden Wohnung zu meinem u. meiner Familie Schaden empfinden mußte; Ew. K. H. aber weder den Verfall der Dienstwohnungen, noch bei Allerhöchst deren milden Gesinnungen wollen könne, daß die Gesundheit treuer Diener dadurch leide; so wage ich in tiefster Ehrfurcht mit dem zuversichtlichsten Vertrauen die unthgste dringende Bitte:

Ew K. H. wollen allergnädigst den höchst nothwendigen Bau der hiesigen Rectorwohnung noch in diesem Frühjahr verfügen.

Um so mehr glaube ich hoffen zu dürfen, daß dieser allerunterthgsten Bitte Ew. K. H. allergdgste Berücksichtigung finden werde, da eine Besichtigung dieser Wohnung von der Nothwendigkeit des Baues sowohl, wie davon aufs Klarste überzeugen wird, daß meine Darstellung nicht übertrieben ist; und ich sonst genöthigt sein würde, für den nächsten Winter eine andere Wohnung zu suchen, und, da mir als Theil meiner Besoldung freie Wohnung verheißen ist, Ew. K. H. Gnade ich wegen der Miethe in tiefster Unterthänigkeit werde anrufen müßen.

   In tiefster Ehrfurcht verharre ich Ew. K. H.

   unthgste

   JFBuschmann

   Neukalden, d. 31. März 1836"

 

 

Berichte über die Schule 1837 / 1844

 

   "Die hiesige Stadtschule ist in zwei Classen getheilt.

   Der Lehrer der zweiten Classe ist der hiesige Conrector Johann Enoch Simonis, 49 Jahre alt, und seit Johannis 1826 im Amte. Er hat in Rostock Theologie studirt, darauf als Hauslehrer conditionirt, und sich zuletzt bis zum Antritt seines Amtes bei seinem Vater in Reckenitz aufgehalten, den er in seinen Amtsgeschäften vorzüglich im Predigen unterstützte. Mit der Schulgemeinde steht er in dem freundschaftlichsten Vernehmen und sein Lebenswandel ist tadellos.

   Der Lehrer der ersten Classe ist der hiesige Rector Johann Friederich Buschmann, 39 Jahre alt, und ebenfalls seit Johannis 1826 im Amte. Er hat zuerst in Göttingen dann in Rostock Theologie studirt, und darauf 6 1/4 Jahre als Hauslehrer conditionirt. Mit der Schulgemeinde steht er in recht gutem Vernehmen, und befleißigt sich eines tugendhaften Lebenswandels.

   Der Schulbesuch in der zweiten Classe ist von denen, welche die Schule besuchen im Winter im Ganzen regelmäßig, weil manche Kinder zu Zeiten zu häuslichen und Feld - Arbeiten verwandt werden. Mehrere Kinder, welche den Jahren nach schulpflichtig wären, fehlen indessen, und besuchen theils noch gar keine Schule, theils befinden sie sich aus Mangel an gehöriger Vorbereitung noch in Schulen, wo sie den ersten Leseunterricht erhalten. In der ersten Classe ist vorzüglich im Sommer der Schulbesuch noch mangelhafter, eben weil die Kinder älter und stärker, daher zu häuslichen Verrichtungen brauchbarer sind. Ein Theil derselben besucht indessen die Schule regelmäßig. Zur Einreichung der Versäumnißlisten sind die Lehrer nicht besonders verpflichtet, daher diese nach dem Schlusse eines halben Jahres verworfen werden.

   Gegenstände des Unterrichtes waren in der zweiten Classe wegen der großen Anzahl der Schüler (104) außer Religion (Lernen des Landeskatechis­mus, Bibellesen) nur: Rechnen von der Zahlenkenntniß an bis zum Rechnen der 4 Species mit ungleichbenannten Zahlen; Schreiben von den ersten Strichen bis zum Zusammenschreiben nach Vorschriften von Heinrigs; Orthographie; Lesen wozu der sächsische Kinderfreund von Thieme seit 7 Jahren eingeführt ist. In der ersten Classe waren die Unterrichtsgegenstände im verflossenen Jahre: Religion (Glaubens- und Pflichtenlehre) nach dem Landeskatechismus und der Bibel; Bibellesen; Rechnen bis zu den Logarithmen bei Einigen; Schreiben nach Vorschriften von Heinrichs; Naturgeschichte, und zwar Pflanzenkunde; Weltge­schichte bis zum Mittelalter; Geometrie mit Meßkunst; Erdbeschreibung der Länder außer Deutschland und der außereuropäischen Welttheile; Zeichnen; Singen. Eigene Lehrbücher sind außer dem Landeskatechismus und der Bibel nicht eingeführt.

   Was die Schulzucht betrifft, so herrscht neben vernünftiger Strenge eine liebevolle Behandlung der Kinder, und es kann über Unfügsamkeit derselben im Ganzen nicht geklagt werden. Die Lehrer erfreuen sich des Zutrauens der Kinder."

 

   Anfang 1844 berichtet Küster Wiebcke u.a.:

   Er fungiere als Küster und Mädchenschullehrer. In die Mädchenschule gingen die Mädchen nach vollendetem 8. Lebensjahr, einschließlich die Kinder aus Schlaken­dorf und Salem. Wenn alle zur Schule gehen würden, wären es 160 Mädchen, zur Zeit besuchen etwa 130 Mädchen die Schule, die fehlenden besuchen theils Privat­schulen oder können noch nicht lesen.

   "Die Kinder aus den Domanial Dörfern Schlackendorf und Salem sind nach vollendetem 7. Jahre zu meiner Schule verpflichtet, und beträgt die Zahl aus

   Schlackendorf: 19 Kinder

   Aus Salem: 14 Kinder

                 ------------------------

   Im Ganzen 33 Kinder

   Selbige werden wenig zur Schule gehalten, selten kommen nur die Hälfte dieser Summe, weil es den meisten Katenleuten zu arm geht, als daß sie ihren Kindern die nöthigen Kleidungsstücke und Lebensmitteln, die zu einem Schul­weg über Feld erforderlich sind, mitgeben können. In Klassen kann ich meine Schüler nicht theilen, weil mir der dazu erforderliche Raum mangelt."

 

 

Veränderung des Schulwesens ab 1849

 

   1848 wird vom Magistrat, besonders vom Bürgermeister Mau, eine grundlegende Verbesserung des Schulwesens gewünscht. Am 21.11.1848 schrieb der Magistrat an die Landesregierung, daß eine Kommission geschickt würde, die eine Verbesserung des Schulwesens bewirken solle. Die Antwort lautete, der Magistrat möchte sich erst einmal selbst behelfen und zwei Lokale als einstweilige Schulstuben mieten sowie einen oder zwei unstudierte Lehrer einstweilen anstellen. Bürgermeister Mau schrieb erneut: "... In keiner Stadt ist das Schulwesen gewiß so mangelhaft wie hier und in solchem Zustande hat es sich schon einige Jahre befunden ..."

   Am 8.6.1849 erschienen dann Canzleirath Boccius und Schulrat Meyer im Auftrage der Regierung in Neukalen, um das Schulwesen neu zu ordnen. Man entwarf ein "Regulativ für die künftige Einrichtung des öffentlichen Schulwesens in Neukalden". Der Bau eines neuen Schulhauses wurde hierbei in Erwägung gezogen, scheiterte einstweilen aber am Geldmangel. Zwei Lehrer sollten neu angestellt werden. Es mußte deshalb Raum ge­schaf­fen werden für zwei weitere Schulklassen. Man wußte sich nicht anders zu helfen, als daß man in einem Privathaus zwei Zimmer für diesen Zweck mietete. So wurde denn nun an drei verschiedenen Stellen Schule gehalten. Es braucht wohl nicht erst vermerkt werden, daß solche äußere Zerrissenheit ein einmüti­ges Zusammenarbeiten der Lehrkräfte behinderte.

   Johannis 1849 waren etwa 450 Kinder schulpflichtig. In dem Regulativ gab es nun einige Festlegungen:

   Die Schulpflicht sollte nicht mehr mit dem zurückgelegten 5. Lebensjahr, sondern erst mit dem zurückgelegten 6. Lebensjahr beginnen. Außer den vorhandenen drei Lehrern soll die Anstellung von zwei unstudierten Lehrern erfolgen.

   "Bei der Zahl von fünf Lehrern erhält die Schule nachstehende Ein­richtung:

   a, die fünfte und vierte Classe werden gemischte, in welchen Knaben und Mädchen gemeinschaftlichen Unterricht empfangen.

   b, die dritte Classe ist eine abgesonderte Mädchenklasse.

   c, die zweite und erste Classe sind bloß für Knaben.

      Es wird angenommen, daß

   a, zur fünften Classe 100 Schüler

   b, zur vierten      "       100     "

   c, zur dritten       "         90 Mädchen

   d, zur zweiten     "         70 Knaben

   e, zur ersten       "          60      "

                      ---------------------------------

                      insgesamt 420 Kinder gehören werden.

   Bemerkung: In der abgesonderten Mädchenklasse soll, außer dem ge­wöhn­lichen wissenschaftlichen Unterrichte, durch eine vom Magistrate anzustel­lende Lehrerin Unterweisung in weiblichen Handarbeiten in täglich zwei Stunden nach der gewöhnlichen Schulzeit Morgens und Nachmittags ertheilt werden."

 

   Ab 9.10.1849 wurden nun zwei ausgebildete Lehrer eingestellt: Johann Carl Heinrich Harloff (als 4. Lehrer) mit einem jährlichen Gehalt von 200 Rthlr. und Friedrich Carl Ludwig Wagner (als 5. Lehrer) mit einem jährlichen Gehalt von 150 Rthlr.

   Als erste Handarbeitslehrerin stellte man ab Oktober 1849 Christiane Dorothea Elisabeth Zingelmann für ein jährliches Gehalt von 45 Rthlr. ein. Der Nähunterricht wurde in freiwilli­ger Beteiligung durchgeführt. Diese sogenannte "Industrieschule" fand in den Räumen des Küsterhauses statt.

 

   Die drei bisherigen Schulklassen blieben ziemlich unverändert bestehen. Es wurden zwei gemischte Unterklassen neu eingerichtet, in welchen sämtliche schulfähige Kinder der Stadt von den ersten Elementen des Wissens an so weit gebracht werden sollten, daß sie zum mindestens den bisher bei der Aufnahme gestellten Bedingungen entsprächen. Man hatte nun 5 Lehrer und 5 Klassen, die Knaben wurden in vier, die Mädchen in drei aufsteigenden Klassen unterrichtet; die beiden gemischten Unterklassen hießen die fünfte und vierte, die erste Mädchenklasse die dritte, die Konrek­torklasse die zweite, die Rektorklasse die erste. Es war Großes erreicht, die Nebenschulen waren nun endlich beseitigt, nun konnte man den Schulzwang wirksam handhaben, es konnte sich niemand mehr damit entschuldigen, daß Kinder wegen mangelnder Vorkenntnisse in der öffentlichen Schule nicht ange­nommen würden, oder daß dort kein Raum für sie vorhanden sei; es war Raum geschafft für alle. Dennoch traten auch an dieser Einrichtung bald so wesent­liche Übelstände hervor, daß man schon nach wenigen Jahren eine neue Umgestaltung des Schulwesens vorzunehmen sich veranlaßt fand.

 

   Zum ersten Mal gab es einen Schulvorstand, in welchem neben Pastor, Bürgermeister und Rektor der Kaufmann Wagenknecht sen., Färbermeister Albrecht und Töpfermeister Matz gewählt wurden.

 

   Der Kaufmann Schröder vermietete zwei Stuben (heute Straße des Friedens 7) als Schulzimmer für die beiden neuen Klassen der Lehrer Wagner und Harloff.

 

   Eine umfangreiche neue Schulordnung wurde erarbeitet, die am 14.2.1851 vom Ministerium, Abteilung für Unterrichtsangelegenheiten in Schwerin bestätigt wurde.

 

   "Anzahl der Schüler der hiesigen Stadtschule zu Ostern 1852:

            1. Klasse 59 (davon 9 Freischüler) viertelj. Schulgeld je 36 Schilling

            2. Klasse 71 (davon 26 Freischüler) viertelj. Schulgeld je 32 Schilling

            3. Klasse 92 (davon 17 Freischüler) viertelj. Schulgeld je 24 Schilling

            4. Klasse 90 (davon 15 Freischüler) viertelj. Schulgeld je 20 Schilling

            5. Klasse 121 (davon 55 Freischüler) viertelj. Schulgeld je 18 Schilling"

 

   Trotz mancherlei Veränderungen im Schulwesen, konnte bei dieser Anzahl der Kinder und den beengten Räumlichkeiten kein ausreichender Unterricht erteilt werden. Ein Protokoll des Schulvorstandes vom 6.11.1854 läßt uns die Probleme der damaligen Zeit deutlich erkennen:

 

   "Nachdem am heutigen Tage eine Inspection der hiesigen Stadtschule durch den Schulrath Schröder aus Schwerin, den Supe­rintendenten Schmidt aus Malchin und sämmtliche Mitglieder des städtischen Schulvorstandes statt­ge­funden hatte, traten eben dieselben zusammen zu einer Berathung über diejenigen Maßregeln welche nöthig sein möchten, um die Schule in einen den Bedürfnissen entsprechenden Zustand zu bringen. Als Hinderniß einer gedeih­lichen auch nur den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Wirksamkeit wurde von allen Seiten die Ueberfüllung anerkannt. Die in die Augen fallenden Uebelstände wären, daß in mehreren Klassen die aufgenommenen Kinder keinen Platz finden, in die unterste Klasse nicht weniger als 131 Schulkinder aufgenommen sind und dennoch eine Anzahl von etwa 60 Kinder schulpflichtigen Alters die Aufnahme hat versagt werden müssen. Demnach wurde auch von allen Seiten die Anstellung eines sechsten Lehrers als wahrhaftes Bedürniß anerkannt. Man zog deshalb sogleich in Erwägung, wie die Mittel zu solcher Anstellung aufzubringen sein müßten. Von den verschiedenen Möglichkeiten empfahl der Schulrath Schröder vorzugsweise die, die Beiträge zur Armenkasse um 1/3 zu erhöhen und die dadurch entstehenden Mehreinnahmen aus der Armenkasse an die Schulkasse auszuliefern. Andere Möglichkeiten, welche noch angeregt wurden, schienen weder eben so empfehlenswerth noch ausführ­bar. Dem Vorschlage des Schulraths Schröder stimmten auch die Anwesenden bei mit Ausnahme des Bürgermeisters Mau, welcher die Erhöhung der Beiträge zur Armenkasse nicht für thunlich hielt, daher auch erklärte, eine darauf gerich­tete Proposition weder im Magistrat empfehlen, noch vor dem B. A. [Bürgerausschuß] vertreten zu können. Nach dieser Erklärung, welche inhäriren zu müssen, der BM Mau wie­der­holt erklärte, mußte der Schulvorstand einen etwanigen Antrag der von ihm selbst auf Anstellung eines 6. Lehrers bei dem Magistrat und der Bürger­schaft eingebracht werden möchte, zum Voraus als abgelehnt ansehen. Es war dann Aufgabe des Schulvorstandes in Erwägung zu ziehen, ob und wie mit den vorhandenen 5 Lehrern den schreiensten Uebelständen abzuhelfen sein möch­te. Als den schreiensten bezeichnete der Schulrath Schröder den, daß eine ver­hältigst so große Anzahl von Kindern, welche einen Rechtsanspruch auf Auf­nah­me in die Schule haben dieselbe dennoch versagt wird. Aus diesem Grunde erklärte er, daß alles beim Alten bliebe, für völlig unzulässig. Es blieb dann nur übrig, eine Anzahl von nahezu 200 Kindern auf halbtägigen Unterricht zu setzen. Er verhehlte nicht, daß davon schwere Uebelstände unzertrennlich sein werden, sehe aber unter den obwaltenden Umständen keinen anderen Ausweg, und der Schulvorstand erklärte sich damit unter der Voraussetzung daß die An­stel­lung eines 6. Lehrers als schließlich abgelehnt angesehen werden möchte, einverstanden. Der Schulrath Schröder hält jedoch für nöthig, daß die Modalität der Halbtagsschule und das Verhältniß derselben zu den Klassen mit ganztä­gigen Unterrichte genauer bestimmt wird. Er stellte zu diesem Zwecke 2 Mög­lich­keiten hin.

   1, sämmtliche schulpflichtige Kinder werden zuerst in die 2. Abtheilung der Halbtagsschule aufgenommen, aus dieser je nach ihren Fortschritten in die erste Abtheilung derselben Schule, und weiter nach Zeit und Fortschritt aus der ersten Abtheilung in die 4. Klasse mit ganztägigem Unterrichte versetzt.

   Der Proponent verhehlt jedoch nicht, daß diese Einrichtung sehr erheb­liche Nach­theile mit sich bringen würden, voraussichtlich würde jede Abtheilung der Halbtagsschule von ca. 100 Kindern besucht werden. Es würde schon alles Mögliche oder doch irgend Wahrscheinliche erreicht sein, wenn von diesen die Hälfte alljährlich versetzt würde. Demnach würden die Kinder durchschnittlich 2 Jahre in jeder Abtheilung zubringen, mithin im Alter von 10 Jahren nur noch halbtägigen Unterricht und in dem durch die Zeit bedingten Anfange gehabt, also namentlich noch sehr wenig Schreiben gelernt haben. Aus diesem Grunde glaubte der Proponent sich für diese Modalität nicht entscheiden zu können; um so weniger, da dann fast gar keine Aussicht wäre, die Kinder dann noch in eine 1. Klasse, die den schulordnungsmäßigen Standpunkt einnehme, zu bringen.

   2, Die Schule wird in eine Hauptschule von 4 gemischten Klassen mit ganztägigem Unterrichte und in eine Unterschule von 2 Klassen mit halbtägigem Unterrichte getheilt. In die Hauptschule werden alle diejenigen Kinder aufgenom­men, für welche das Schulgeld von ihren Eltern bezahlt wird, in die Unterschule alle diejenigen, für welche das Schulgeld entweder als inexigibel erlassen, oder aus kirchlichen Stiftungen bezahlt wird.

   Der Proponent glaubte zwar, dieser Modalität als dem geringern Uebel den Vorzug geben zu müssen, doch verhehlte er nicht, daß auch sie große Inconvenienz haben würde. Namentlich müßten dann auch diejenigen Kinder, welche jetzt schon in der ersten oder 2. Schulklasse säßen, aber welche das Schulgeld nicht bezahlen könnten, in die Halbtagsschule gesetzt werden; und wenn dann für diese Kinder, deren jetzt etwa 160 sind, zum Theile doch das Schulgeld aufgebracht würde, so würde die Rechnung wieder nicht stimmen und die Hauptschule für die Kinder nicht Raum gewähren.

   Der Schulvorstand pflichtete den Ansichten des Schulraths Schröder bei, und da wiederholte Versuche, auf die Anstellung eines 6. Lehrers mittels Erhö­hung der Beiträge zur Armenkasse oder einer Schulanlage nach dem Modus dieser Beiträge an der ebenso oft wiederholten Ablehnung des Bürgermeisters Mau scheiterten, so beschloß der Schulvorstand, einen Antrag auf Einrichtung einer zweiklassigen Halbtagsschule unter den vorstehend sub 2. angegebenen Modalitäten an den Magistrat und B. A. zu bringen. Der BM. Mau verfügt eine Versammlung, an welcher auch der Schulrath Schröder theil nehmen würde, zu morgen Vormittag zu berufen.

   Schröder     WSchmidt     Mau     Breuel     Billenberg     Fischer     Paul

 

 

   Actum Neukalden in Curia am 7. Novbr. 1854 in Gegenwart

   des Herrn Schulraths Dr. Schröder aus Schwerin und

   des Herrn Bürgermeisters Mau

   der Herren Senatoren Dr. Willgohs und Stüdemann

   so wie des versammelten Bürgerausschusses

   mit Ausnahme der Viertelleute Wollenzien und Schumann

   Nachdem am gestrigen Tage eine Inspection der hiesigen Stadtschule durch den Herrn Schulrath Schröder aus Schwerin, den Herrn Superintendenten Schmidt aus Malchin und die sämmtlichen Mitglieder des städtischen Schul­vorstandes stattgefunden hatte, waren eben die selben wieder zu einer Bera­thung darüber zusammengetreten, wie den bemerklich gewordenen Uebelstän­den am leichtesten und beßten abgeholfen werden möchte. Das Ergebniß solcher Berathung referirte in der heutigen Sitzung des Magistrats und Bürger­aus­schusses der Herr Schulrath Schröder und gab dazu die nöthige Erläute­rung. Er ging dahin, daß zwar die Anstellung eines 6. Lehrers als ein wirkliches Bedürfniß und als das einzige Mittel zu einer befriedigenden Gestaltung der Schulverhältnisse allseitig anerkannt war, aber die Herbeischaffung der nöthi­gen Mittel in der Art, wie sie im Schulvorstande zur Sprache gekommen war entschiedenen Wiederspruch gefunden hatte, daß dann als das geringere Uebel erschienen war, die Stadtschule in eine 4klassige Oberschule mit ganztägigem Unterricht und in eine 2klassige Unterschule mit halbtägigem Unterrichte und nur einem Lehrer zu theilen, und in die Unterschule alle diejenigen Kinder zu verweisen für welche das Schulgeld von den Eltern nicht bezahlt werden könnte. Nachdem auch andere anscheinende Möglichkeiten zum Vortrag ge­bracht, besprochen und gewürdiget waren, forderte der Herr Schulrath Schröder die Anwesenden auf, sich darüber auszusprechen.

   Die allgemeine Meinung ging dahin, daß die Anstellung eines 6. Lehrers wegen Mangels an Mitteln in der That unthunlich wäre, und daß man dann auch Seitens der Bürgerschaft nicht zu einem andern Ergebniß kommen könne, als zu dem welches der Schulvorstand unter dieser Voraussetzung für das gerin­gere Uebel erkannt hatte. Demnach mußte auch der Schluß gemacht werden, daß nach dieser Proposition die Schulverhältnisse demnächst geordnet werden sollten.

   Vorgelesen, genehmigt und geschlossen.

   In fidem

   CWJTimm

   Secr. civit."

 

   Ab Ostern 1855 wurde dann eine einklassige sogenannte Volksschule für die Kinder deren Eltern das Schulgeld nicht bezahlen konnten oder aber auch für Kinder, die in der Bürgerschule mehrmals das Klassenziel nicht erreichten, und eine sogenannte Bürgerschule für alle anderen Kinder eingerichtet.

 

   Pastor Schliemann schrieb in einem Beitrag zur Geschichte der Stadt Neukalen, veröffentlicht im "Archiv für Landeskunde in den Großherzogtümern Mecklenburg", 13. Jahrg., S. 416 - 442, u.a. folgendes über das Schulwesen:

 

   "Ja, es ließ sich zur Not machen, aber Notwerk mußte es doch immer bleiben, mehr als 100 Kinder konnte man in die untersten Klassen nicht wohl hineinbringen, die obern Klassen hingegen durften schon deshalb nicht so viele Kinder in sich fassen, weil man sonst keine bedeutenden Leistungen von ihnen erwarten konnte, und doch mußten, bei der vorhandenen Kinderzahl, durchschnittlich reichlich 100 Kinder in jede Klasse gebracht werden. Dazu kam noch der Übelstand, daß in der 4. Klasse die Knaben noch zwei, die Mädchen nur noch eine Klasse vor sich hatten. Man mußte deshalb aus ihr so viele von den größeren Knaben entlassen, daß zwei Klassen reichlich gefüllt wurden; die Mädchen dagegen mußte man mehr zurückhalten, konnte man deren doch nicht mehr versetzen, als in einer einzigen Klasse Platz fanden. Es war das ein Unrecht gegen die Mädchen, die doch nicht langsamer, sondern, der Erfahrung gemäß, rascher im Lernen sind, als die Knaben. Noch ein anderer Umstand ließ die getroffene Einrichtung auf die Dauer unzulänglich erscheinen. Das Proletariat wächst in den Städten von Jahr zu Jahr, im gleichem Grade steigt der Luxus und die Verfeinerung, die Kluft zwischen dem wohlhabenderen Bürger und seinem armen Mitbürger, der wenig oder nichts an die Erziehung seiner Kinder wenden kann, wird immer größer und damit tritt zugleich immer mehr das Bedürfnis zu Tage, daß die beiderseitigen Kinder auch in besonderen Schulen oder Klassen unterrichtet werden.

   Die Einrichtung von 1855 hatte die vorhandenen Übelstände einer­seits nur halb, nicht ganz und gründlich beseitigt, andererseits hatte sie neue Übelstände zur Folge. Zu den nicht gründlich beseitigten Übelständen gehörte besonders die Überfüllung der Klassen und Mangel an Raum. Wenn man auch 140 Schüler in die beiden Halbtagsklassen der Volksschule hineinbrachte, - mehr konnte man nicht dahin versetzen, denn es wurde kein Schulgeld bezahlt, und fanden also nur Kinder Aufnahme, deren Eltern wirklich zahlungsunfähig waren oder dafür galten, dann blieben immer noch an 400 Kinder für die vier Klassen der Bürgerschule übrig. Für diese fehlte es aber schon an dem nötigen Raume, die erste Klasse faßte höchstens 60 Kinder, und in die übrigen ließen sich beim besten Willen, wenn auch nahe an 100, doch nicht mehr Kinder hineinbringen, genug die Zahl der schulpflichtigen Kinder, welche, wegen Mangels an Raum, nicht aufgenommen werden konnten, wurde jährlich größer. Als ein neu hinzugekommener Übelstand konnte das angesehen werden, daß Mädchen und Knaben auch in der ersten Klasse gemeinschaftlich unterrichtet wurden. In ähnlicher Weise wie der wohlhabendere Bürger heutzutage seine Kinder, abgesondert von den Kindern ganz armer Leute, unterrichtet haben will, begehrt er auch, daß seine Söhne und Töchter, wenigstens in der ersten Klasse, voneinander getrennt unterrichtet werden. Und es läßt sich nicht leugnen, daß dieses Begehren wo nicht mehr doch mindestens eben so viel Berechtigung hat als jenes. Ein offenbar, neu hinzugekommener Übelstand aber ist die Beförderung der Vagabondage und Bettelei durch die Halbtagsschulen. Die Kinder der Volksschule benutzten zu einem guten Teile die schulfreie Hälfte des Tages zum Vagiren und zum Betteln, und ist auf die Art den Bewohnern der Umgegend Neukalens mehr als genugsam bekannt geworden, daß es zu Neu­kalen nur den halben Tag Schule gibt. Das ist schon an sich sehr zu beklagen, ganz abgesehen noch davon, daß, wo nur einen halben Tag unterrichtet wird, der Unterricht kaum die wünschenswerte Gründlichkeit und Umfänglichkeit haben kann."

 

   Conrector Simonis starb am 1.4.1856. Seine Stelle wurde mit einem Seminaristen besetzt. Den Titel Conrector gab es dann nicht mehr.

 

   Beim Gastwirt Bruger (Markt 18) waren zwei Schulklassen untergebracht. Er erhielt dafür eine jährliche Miete von 54 Rthlr.

 

   Bürgermeister Mau notierte:

   "Neukalen den 25 März 1858

   Heute war das Schulexamen u zwar am Vormittag hinsichtlich der 1. 2. Classe u der 1. Abtheilung der s. g. unteren Schule. Als der Lehrer Tegetmeyer seine Schüler der 2t Classe wieder nach dem Schulhause zurückgebracht hatte, klagte derselbe bei seiner Rückkehr nach dem Rathhause, daß inzwischen in seiner Classe großer Unfug angerichtet worden, indem mehrere Bänke zer­schnitten u die Tintenfäßer auf die Plätze der Mädchen ausgegossen wurden. Seiner Vermuthung nach sollen diesen Unfug Schüler der I Classe angerichtet haben. Den Rector Billenberg setzte er hievon in Kenntniß u verhieß derselbe sofortige Untersuchung.

   Heute Nachmittag erklärte der Rector Billenberg im Rathhaussaale mir, daß die Schüler der II Classe Glamann, Franz Krüger (Sohn des Schusters) u Westphal (Sohn des Arbeitsmanns) solchen Unfug gemacht und alle 3 in diesem Ostern confirmirt würden ..."

   Daraufhin wurden die betreffenden Schüler vom Pastor Breuel gehörig ermahnt.

 

   "Es war schon mehrfach die Anzeige gemacht, daß die Lehrer Schlüns und Köster lange Zeit in den Zwischenstunden auf dem Markt sich aufhalten sollten.

   Heute ergab sich nun, daß Schlüns ein Gespräch mit dem Kaufmann Lippmann bis 6 Minuten vor halb 11, dagegen der Lehrer Köster nach dem Fortgang des Schlüns noch ein Gespräch mit dem Postmeister Paschen bis 2 Minuten vor halb 11 zubrachte und sich dann erst nach dem Brugerschen Hause fortbegab. Vor 10 Uhr waren die Schulkinder bereits schon aus der Klasse heraus. Drei Minuten vor 11 kamen die Kinder schon wieder aus dem Bruger­schen Hause und erschien auch alsbald der Lehrer Schlüns vor der Bruger­schen Hausthür. Kurz vor 11 Uhr erschien auch nach Schlüns der Lehrer Köster.

   Neukalen, 8. April 1859

   LMau     Stüdemann     C.W.F.Timm

 

   Auf Veranlassung des Unterschriebenen sind in Gemäßheit der Bestim­mung der Schulordnung § 64 sub 4. die Lehrer Köster und Schlüns von dem Herrn Rector an die pünctliche Abwartung ihrer Schulstunden erinnert, insbe­son­dere auch darauf hingewiesen worden, daß schulordnungsmäßig nur nach je zweistündigen Unterricht eine viertelstündige Erholungszeit eintreten soll.

   Neukalen, den 26 Mai 1859   FBreuel" [Pastor]

 

   "Friederich Zarpentin, Sohn des hiesigen früheren Akkersmannes Christi­an Zarpentin, hat von Ostern 1851/55 die erste Klasse der hiesigen Stadtschule regelmäßig besucht. Derselbe zeigte recht gute geistige Anlagen, besonders ein schnelles Auffassen des Gedächtnisses u. des Verstandes, eine ungemein lebendige Einbildungskraft, dagegen weniger Urtheilskraft, Witz u. Scharfsinn, sehr häufig ein träumerisches Dahinleben in seinen oft kinderhaften Einbildun­gen. Dann bewies er sich größtentheils thätig, fleißig, aufmerksam u. ängstlich bemüht, sich die Zufriedenheit des Lehrers zu erwerben, mehr aber aus eigen­nützigen Absichten, als aus lauteren Beweggründen, mehr um Strafen zu entge­hen, als um tüchtig zu werden, mehr zu scheinen u. zu täuschen, als aus wirk­licher Lust am Lernen u. Erkennen. Dabei blickte nicht selten ein lügnerisches, verstellerisches Wesen durch, welches er mit ungewöhnlicher Schlauheit zu verdecken sich bestrebte; dann zeigte er einige Neigung zu Prahlereien u. Aufschneiderei u. Täuscherei gegen seine Mitschüler, wobei er überaus still u. unschuldig, gemüthlich u. ernst erschien, zu kleinen Betrügereien u. Übervor­theilungen seiner Mitschüler. Seine Neigung zum Lügen, Verstellen u. Betrügen blieb trotz herber Züchtigungen u. äußerte sich in Diebereien u. Unterschlagen von kleinen Geldsummen. So stahl er dem Kaufmann Seemann vom Laden­tische kleine Gewichte u. bot sie dem Kaufmann Lippmann zum Verkaufe an; unterschlug er, als er Laufbursche des Tischlers Rugenstein war, sehr oft einzelne Schillinge, einmal sogar 6 Schillinge von dem Gelde, womit derselbe ihn zu Kaufleuten geschickt hatte, um Colonialwaren oder Firniß - beim Einkaufe des Letzteren die 6 Schilling - für ihn einzukaufen; behielt er ihm zur Bezahlung von Backgelde von einem Mädchen eingehändigte 4 Schilling u. leugnete, nachdem sich die Zahlung als nicht geschehen unwidersprechlich herausgestellt hatte, diese Nichtbezahlung sehr hartnäckig unter Erfindung u. Erzählung von langen Unterredungen mit dem Bäckergesellen Carl Wiprecht, u. war weder durch gütliche Vorstellungen, noch durch ernste Ermahnung, noch durch stren­ge Strafe zum Geständniß zu bringen. Diese drei Fälle sind übrigens allein dem Lehrer desselben bekannt geworden u. kann derselbe dem Zarpentin bezeugen, daß derselbe sich in der letzten Hälfte der Zeit, die er in der ersten Klasse saß, sich seines Wissens keines Vergehens schuldig gemacht hat. Nach seiner Confirmation wurde derselbe zum Kaufmann Harder in Teterow in die Lehre gegeben. Er lernte dort nicht aus, sondern wurde aus dem Hause desselben entlassen. Als Grund wurde angegeben von Einigen starke Trunkliebe, von Anderen Liebeswahnsinn u. - Raserei u. zwar so hohen Grades, daß mehrere Männer zu seiner Bewachung angestellt wären. Der Vater brachte ihn nach einiger Zeit bei einem Kaufmann in Goldberg zur Auslernung der Handlung unter. Auch dort blieb er nicht sehr lange. Als Gründe wurden gerüchteweise Trunksucht u. Unehrlichkeit angegeben. Nach einem längeren Aufenthalte bei den Eltern kam er zur Beendigung seiner Lehrjahre zu einem Kaufmann Bohm - wenn ich nicht irre, war dies sein Name - zu Rostock. Von diesem wurde er ebenfalls wegen Trunksucht fortgejagt, welche, wie man sagte, ihm Geist u. Körper so sehr geschwächt habe, daß er selbstmörderische Vorsätze habe ausführen wollen u. am Delirium tremens leide. Die Eltern brachten denselben dann nach vielfältigem vergeblichen Bemühen wieder in Rostock unter, wie der Vater sagte, als Rechnungsführer eines großen Geschäftes, wie man sonst hörte, als Hausknecht bei einem Kaufmann.

   Die Eltern dieses jungen Menschen waren sehr wohlhabend. Sie trieben seit ungefähr 18 - 20 Jahren den Akkerbau. Weil sie, der Mann denselben nicht zu betreiben verstand, die Frau aber, wenn sie denselben gleich besser kannte, doch zu träge war, darin etwas Rechtes u. Tüchtiges mit Arbeitsamkeit u. Aus­dauer zu thun, nahmen sie Leute in den Dienst u. überließen diesen den Betrieb desselben gänzlich. Von der Zeit an verfielen die Vermögensumstände zuse­hends durch Trägheit, Nachlässigkeit, Unkenntniß u. hauptsächlich ein ver­schwen­derisches Leben. Es fanden sich bald große u. häufige Geldver­legenheiten. Des Mannes Thätigkeit erstreckte sich ganz auf die Anschaffung von Geldern selbst zu hohen Zinsen. Das Vermögen von Schulden angefressen nahm mehr u. mehr ab u. verminderte sich auf ein Geringes. Dabei lebte die Frau in alter Weise üppig u. verschwenderisch fort. Der Mann von unendlicher Gutmüthigkeit, aber sehr geringer Einsicht u. Willenskraft, in immer größerer Noth schlau u. verschlagen, - die Frau prahlsüchtig, voll Lügengeist, Täuscherei u. Verstellungskunst, wie man glaubte, nur bemüht, das frühere Leben fortzu­führen, mochten wohl wenig Zeit u. Mühe auf die Erziehung ihrer Kinder wenden; u. wenn sie diese auch nicht zu Lüge u. Betrug anleiteten u. es wird nicht leicht Jemand ihnen irgend eine Unehrlichkeit vorwerfen dürfen, mochten wohl nicht verhüten, daß der Sohn Friederich ihnen Lügen u. Verstellen abler­neten. Doch ist der älteste Sohn ein treuer, redlicher, aufrichtiger, fleißiger, achtungswerther Mensch, ein gehorsamer u. dankbarer Sohn in derselben Fa­mi­lie u. unter gleichen Verhältnissen wie sein Bruder Friederich aufgewachsen; auch sind die jüngeren Brüder in allen Stücken diesem wohl ganz unähnlich. Man darf daher wohl in den unglückseligen Verhältnissen des elterlichen Hauses u. der nachlässigen Kindererziehung darin nicht allein den Grund zu den Fehlern des Friederich Zarpentin suchen; vielmehr wohl u. mit Recht einen stärkeren Grund dazu, bei dem eigenthümlich ungleichmäßigem Verhältnisse seiner Geisteskräfte zu einander, in seinem sinnlichen, genußsüchtigen, über­wiegend mächtigen angebornen Hange zur Sünde, u., bei seinem leichtfertigen Sinne u. schwachen Character u. stets mehr u. mehr gestörtem Geiste, in dem Verkehre mit der Welt, in welche ihn seine Verhältnisse hineinführten.

   Neukalen, den 15ten Nov. 1859                          

   H. Billenberg   Rector."

 

   "An den verehrlichen Schulvorstand hieselbst.

   Auf die gegen mich erhobene schriftliche Beschwerde des Färbers Herrn Zingelmann, und die mündliche Aussage der Madame Zingelmann beim Herrn Bürgermeister habe ich dem verehrlichen Schulvorstande Folgendes zu erwi­dern:

   Etwa vierzehn Tage vor Ostern kam der Sohn des Färbers Herr Zingel­mann nach meiner Klasse und fragte mich, ob er bis Ostern meine Schule besuchen könne, da Fräulein Brinckmann beim Umzug sei und deshalb keine Schule halte. Da ich nun damals mehrere Kranke hatte, und folglich einige Plätze frei waren, so erlaubte ich ihm das. Aber schon den ersten Tag war er dermaßen unruhig und versuchte fortwährend mit den beiden Nachbarn zu plaudern, daß ich ihn, da ich ihn nicht bestrafen mochte, von dem Platz weg­nehmen und nach einer andern Bank, wo auch ein Platz frei war, an die Wand setzen mußte, und nun seinem Nachbar das Plaudern mit ihm aufs Strengste untersagte; dennoch erreichte ich dadurch meinen Zweck nicht ganz. In der Ansicht, daß der Knabe Zingelmann sehr unartig ist, wurde ich durch sein Betragen in der Klasse nach Ostern noch mehr bestärkt; auch ist dies die Ansicht des Lehrers Herr Schlüns, der den Knaben in Privatunterricht hat. In der mündlichen Aussage der Mutter beim Herrn Bürgermeister nimmt dieselbe an, mir sei bekannt, daß ihr Sohn "außerordentlich reizbaren Gemüthes" sei; das ist nicht der Fall; wohl aber ist mir das besonders seit Ostern von den Eltern be­kannt, weshalb ich den Knaben in den ersten sechs Wochen so zart und nach­sichtsvoll wie möglich behandelte, um mit den Eltern keine Unannehmlichkeiten zu haben, bis ein Fall eintrat und ich den Knaben bestrafen mußte. Es war am Montag d. 13. d. M. Nachmittags, als ich beim Zuhausegehen der Kinder auf´m Gang an der Thür stehe, und darauf achte, daß die Schüler still und ordentlich die Klasse verlassen, als ich Tumult in der Klasse höre, hineinsehe, und gewahr werde, daß der Knabe Zingelmann mit der Faust ganz unbarmherzig auf den Rücken eines andern Schülers losarbeitet. Auf meine Frage, warum er das thue, bekam ich nach kurzem Stillschweigen die Antwort: er hätte ihn gekniffen. Meine Antwort war; das hätte er mir sagen sollen, dann würde der die Strafe bekommen haben; er aber wüßte, daß er am allerwenigsten in der Klasse durchaus keine Kinder schlagen dürfe. Und als er nun sah, daß ich den Stock hervorholte, sagte er, er hätte ihn garnicht geschlagen. Die Lüge war etwas frech; indeß rechnete ich sie ihm so hoch dennoch nicht an, weil er sie als augenblickliche Waffe benutzte. Er kam mit einer sehr gelinden Züchtigung davon. Am andern Morgen wollte ich ihn nun in Gegenwart des von ihm ge­schla­genen Knaben der Lüge überführen, ihn zum Geständniß bringen, und ihm sein Unrecht vorhalten. Statt dessen log er aber hartnäckig, und behauptete noch in Gegenwart der ganzen Klasse, er hätte ihn garnicht geschlagen. Ich war also gezwungen, so ungern ich es that, ihn wegen grober, hartnäckiger Lüge hart zu bestrafen. Daß dies durchaus auf die rechte Art und Weise geschehen, beweist die Erfahrung aller Pädagogen, und daß es durchaus nicht zu hart geworden, beweist mir das ärztliche Zeugniß des H. Dr. Buschmann, welches doch weiter nichts besagt, als daß der Knabe vier kleine rothe Streifen gehabt, von denen der eine wie Schillingsgröße blutrünstig gewesen, und dies an sol­chen Stellen des Körpers "auf der linken Schulter" und "in der Gegend der kurzen Rippen", wo der geringste Schlag roth wird.

   Dies ist einfach der Thatbestand der Sache. Es sind hierdurch also schon die Unwahrheiten in der Beschwerde des Färbers H. Zingelmann widerlegt. Es ist nämlich nicht wahr, daß ich den Knaben Zingelmann deshalb "der Art gemiß­handelt" habe, weil er mir am Dienstag (14. Mai) Morgen gesagt, der Knabe Fritz Lübke habe ihn gekniffen. Er hat am Dienstag deshalb bei mir gar keine Klage geführt; und auf mein Befragen antwortete mir Lübke, daß er ihn nicht, weder diesmal, noch vorher gekniffen habe, und die Nachbarn und Umher­sitzenden bezeugen demselben einstimmig, daß sie solches nie gesehen haben. Auch glaube ich das aus dem Grunde, weil Lübke einer der stillsten und artigsten Schüler der Klasse ist, welches wiederum auch die Ansicht des Lehrers Herr Schlüns ist, der den Knaben ein Jahr in seiner Klasse gehabt hat.

   Wenn nun der Färber Herr Zingelmann noch nachträglich in seiner Be­schwerde anführt, daß sein Sohn seit dem ersten Pfingsttage krank ist (ich kann indeß beweisen, daß er seitdem öfter im Freien gesehen worden), und die Madame Zingelmann, daß ihr Sohn "über Kopfschmerzen geklagt und den Appetit verloren habe", so weiß ich überhaupt garnicht, was dies mit der Beschwerde zu thun hat; so wie mir ferner unklar ist, warum der Färber Herr Zingelmann seine Beschwerde acht Tage nach geschehener That einreicht, und einen ärztlichen Schein beilegt, da das Veranlassen eines ärztlichen Scheines nach § 87 unserer Schulordnung doch Sache des verehrlichen Schulvorstandes ist. Und wenn endlich der Färber Herr Zingelmann den Antrag stellt, daß sein Sohn "einstweilig in eine andere Schulklasse aufgenommen werde und Herr Lehrer Koester zur Strafe zu ziehen", so vermag ich darüber gewiß keine Er­klärung abzugeben, sondern muß es dem Ermessen des verehrlichen Schulvor­standes überlassen, ein solches Ansinnen gebührend zurückzuweisen.

   Dies meine Erklärung hinsichtlich der wider mich erhobenen Beschwerde des Färbers Herr Zingelmann.

   Mit größter Ergebenheit verharre ich als

      des verehrlichen Schulvorstandes

      ganz gehorsamer

      Emil Koester.

   Neukalen, d. 24 Mai 1861."