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Peenestadt Neukalen Vernetzt
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100 Jahre Strom in Neukalen

Stadt Neukalen, den 06.11.2020
Guten Morgen Freunde!
Heute ist ein besonderer Tag für unsere Stadt. Lest und laßt ruhig ein Gefällt mir da. Ich persönlich bedanke mich bei den vielen Neukalener Firmen, sie sind der "Strom" der Peenestadt, bei Andreas Ulbricht für einen Teil der Bilder und bei Wolfgang Schimmel für die historische Vorarbeit.
Auf den Tag genau, vor 100 Jahren, am 6.11.1920, gab es für Einwohner der Stadt Neukalen den Strom aus der Steckdose, der Ort wurde offiziell an das elektrische Stromnetz angeschlossen. Eine wirklich interessante Geschichte die wir heute für Euch haben.
Bis 1905 wurden die Straßen Neukalens von 36 Petroleumlampen erleuchtet, die der Nachtwächter von Ende März bis zum Oktober täglich anzünden und auslöschen mußte. Nachdem viele Städte in der Umgebung für Beleuchtungszwecke Gaswerke errichtet und hiermit gute Erfahrungen gemacht hatten, kam auch im Winter des Jahres 1904/05 in Neukalen der Wunsch auf, ein Gaswerk zur Erzeugung von Leuchtgas zu schaffen. Der Aufbau der Gaswerke, zur Erzeugung von Leuchtgas für Beleuchtungszwecke, war im Wesentlichen in den größeren Städten des heutigen M-V schon abgeschlossen. Die günstige Lage zum Antransport der Steinkohle aus den schlesischen Kohlerevieren, dem Ruhrgebiet oder auch aus England über das Binnenwassernetz, die Seehäfen oder das Eisenbahnnetz war die Voraussetzung zum Betrieb der Gaswerke. Das älteste Gaswerk Mecklenburgs wurde 1851 in Güstrow errichtet. Um 1900 beginnt nochmals für wenige Jahre der Aufbau von Gaswerken in den kleinen mecklenburg-vorpommerischen Städten, zwischen 1900-1907 wurden 17 Gaswerke gebaut (z.B. Neukalen, Dargun, Gnoien, Woldegk, Torgelow, Tessin u.a.). Dieser Aufschwung lag im Wunsch begründet, die städtische Straßenbeleuchtung und Wohnraumbeleuchtung modern und preiswert zu betreiben. Dies war möglich geworden durch die Erfindung des "Auerlichtes". Es kam ein völlig neuer Leuchtkörper in den Gaslampen zur Anwendung. Der Gasverbrauch reduzierte sich auf 1/5 der alten Lampen, bei gleicher Lichtausbeute. Somit brauchten auch keine so großen Steinkohlemengen mehr per Pferdefuhrwerk antransportiert werden. Der Aufbau der Nebenstrecken der Eisenbahn löste weitere Transportprobleme. Bis zur Fertigstellung des Eisenbahngleises Malchin-Dargun (1907) erfolgte die Kohleversorgung von Malchin per Fuhrwerk und vermutlich per Kahn nach Neukalen. Zu dieser Zeit wurde der Elektroenergie weniger Verbreitungschancen eingeräumt, da die Gleichstromversorgung größere Strecken nicht überwinden konnte. Es lohnte sich plötzlich, in Städten von bis zu 2000 Einwohnern, noch Gaswerke mit Rohrnetzen bei konzentrierter Wohnbebauung zu errichten, dazu waren seit 1895 auch die ersten Kochgeräte auf dem Markt.
So bekam Neukalen am 2.12.1905 sein städtisches Gaswerk mit großem Bürogebäude. Dieses Industriedenkmal steht heute noch in seiner Größe da, nur weit ab von der alten Pracht. Alle Versuche, sei es Hotel, Firma, Museum, etc., alle scheiterten. Das Gas konnte auch bei der Straßenbeleuchtung und kleinen Gewerbebetrieben für Gasmotoren, Wohnraumbeleuchtung der Bürgerhäuser gut abgesetzt werden. Der erzeugte Koks fand Verwendung für die Raumheizung größerer Räume, in passenden Gussöfen oder Zentralheizungen. Solche Beheizung stellte etwas modernes, gut bürgerliches dar.
Aber der Fortschritt machte auch vor Neukalen nicht halt, wenn auch die wohl oft zitierten Jahre später. Elektrizitätswerke schossen wie Pilze aus dem Boden. 1900 sind 652 Kraft­werke mit einer Leistung von 230 Mega­watt am Netz. In den 1920er-Jahren kommt die Elektrizität auch in den ländlicheren Gebieten an. Dafür sorgen 3.372 Kraft­werke mit einer Leistung von 5.683 MW und Hoch­spannungs­leitungen, die den Strom mit immer höherer Spannung über immer größere Distanzen transportieren. Die Elektrizität war abseits der Mecklenburger Schweiz schon voll unter Strom. Die Hochspannungsleitungen aus Rostock gingen nahe an Neukalen vorbei. Bereits 1913 gab es den Plan eines Anschlusses an diese, das scheiterte aber an den Kriegswirren. Im April 1920 wurde ein Elektrizitätsausschuß gebildet und es begann.
Zur Vorbereitung der Stromanschlüsse sollte zuerst einmal der Bedarf ermittelt werden: Im "Neukalener Tageblatt" vom 15.4.1920 war zu lesen:
"Elektrizitäts - Versorgung.
In den nächsten Tagen werden in allen Häusern der Stadt Listen herumgebracht werden, in welche seitens der Hauseigentümer oder der Verfügungsberechtigten Eintragungen darüber zu machen sind, wer einen Anschluß an die zu errichtende städtische Elektrizitäts - Zen¬trale beabsichtigt, unter Angabe der Zahl der anzulegenden Lampen oder der Pferdestärken der geplanten Kraftmaschinen (Motore).
Es sind nicht nur diejenigen Anschlüsse anzugeben, die jetzt nach Fertigstellung des Ortsnetzes sofort, sondern auch diejenigen, die im Laufe der nächsten Jahre beabsichtigt sind.
Die Einwohnerschaft wird gebeten, sich über die beabsichtigten Hausanschlüsse bald im Klaren zu sein, damit die Eintragungen in die Listen ein möglichst richtiges Bild von dem Gesamt - Umfange des zukünftigen städtischen Ortsnetzes ergeben.
Es wird noch bemerkt, daß die Anschlüsse bis an die einzelnen Häuser von Seiten der Stadt gelegt werden, während die Kosten der Leitungen in den einzelnen Häusern von den Eigentümern zu tragen sind.
Neukalen, den 15. April 1920.
Der Rat."
Es wurden insgesamt 201 Hausanschlüsse mit ca. 670 Brennstellen und ca. 6 Motoren gemeldet. Darauf wurde eine Vereinbarung aufgesetzt:
zwischen der Hochspannungsleitungs - Genossenschaft Malchin GmbH. in Malchin i/Mecklenburg einerseits und den Städtischen Elektrizitätswerken und Überlandzentrale Rostock i/Meckl. Betrieb der Allgemeinen "Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin" zum Bau einer Hochspannungsleitung von Levin, Dargun bis Malchin. Am 26.5.1920 war der Ingenieur Otto Berndt aus Rostock in Neukalen anwesend, der als Gutachter und Berater für elektrische Anlagen die Arbeiten leiten sollte. Der Stromanschluß war an die Hochspannungsleitung der Überlandzentrale Rostock geplant. Den Zuschlag zur Ausführung der Arbeiten erhielten die Gebrüder Wraske und die Norddeutsche Elektrizitätswerke – Unternehmungen. Die Stadtverordnetenversammlung vom 11.6.1920 stimmte dem Vorhaben zu. Daß nun eine Hochspannungsleitung bereits an Neukalen vorbei führte, erleichterte den Anschluß. Im Pachtgarten des Zimmerers Koch wurde ein Transformatorenhaus errichtet (zwischen der ehemaligen Gasanstalt und der Wallstraße an der rechten Seite der Wallpforte). Die Firma Wich & Co Hamburg lieferte die Projektunterlagen für 500,- Mark. Im Juli kamen die ersten Materiallieferungen verschiedener Firmen in Neukalen an.
Auf der Stadtverordnetenversammlung am 10.9.1920 wurde beschlossen, die städtischen Gebäude an das Stromnetz anzuschließen. Es waren gemeint: Rathaus, Schule, Krankenhaus, Spritzenhaus und die städtischen Neubauten. Im November 1920 waren die Hausanschlüsse größtenteils fertig. Am 6.11.1920 wurde erstmals Strom zugeschaltet.
August Voss aus Rostock arbeitete als Elektromonteur der Firma Wraske in Neukalen. Am 6.9.1920 stellte er den Antrag an den Magistrat, sich hier niederzulassen und selbständig zu machen. Laut Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 26.11.1920 wurde dem Monteur August Voss die Beaufsichtigung über das Transformatorenhaus und das Ortsnetz übertragen. Dafür sollten alle anstehenden Aufgaben der elektrischen Stromanschlüsse an ihn gehen. Aber dazu im nächsten Jahr mehr, wenn wir den 100.Geburtstag der Firma Elektro Voss feiern.
Fotos:
August Friedrich Ludwig Voss (1891-1967)
Trafo Wallpforte
 

Bild zur Meldung: 100 Jahre Strom in Neukalen

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100 Jahre Strom in Neukalen (06.11.2020)