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Der Galgen auf dem Gerichtsberg

 

Wolfgang Schimmel

 

Der Galgen als Triangel aufgebaut


   Das Stadtgericht in Neukalen leiteten ursprünglich ein vom Landesherrn berufener Stadtrichter und zwei Beisitzer aus dem Rat. Bis in das 18. Jahrhundert hinein wurden jährlich drei Rechtstage gehalten. Die Urteile konnten im Mittelalter weiter nach Rostock und Lübeck zur Entscheidung gegeben werden (bezeugt 1351 und 1360). Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts erscheint das fürstliche Amt in Neukalen als Berufungsinstanz. 1782 wurde dieses Befugnis aufgehoben, und die Berufung ging seitdem unmittelbar an die Landesgerichte.
   Christian Schwowius, der erste Stadtrichter, der uns genannt wird, tritt in den Visitationsprotokollen von 1647 und 1662, wo er erscheint, zugleich als Organist, Stadtsekretär, auch als gewesener Ökonomus und Kirchenvorsteher auf. Von seinem Gehalt als Richter allein konnte er wohl nicht leben, so bekleidete er noch ein städtisches und zwei kirchliche Ämter. Er starb 1685. Sein Nachfolger wurde Friedrich Wilhelm Embsighoff (1685 ... 1705). Danach waren Hinrich Ulrich Bischoff (1705 ... 1726) und August Wilhelm Christoph Hilgendorf (1726 ... 1748) als Stadtrichter tätig. Etwa 1748 wurde Friederich Ludwig Christoph Bischoff, Sohn des Hinrich Ulrich Bischoff aus zweiter Ehe, als Stadtrichter in Neukalen eingesetzt (bis 1785). Außerdem arbeitete er noch als Stadtsekretär, Steuereinnehmer, Postbeamter und wurde ab 13.6.1757 zum Bürgermeister gewählt. Ab dieser Zeit war die Funktion des Stadtrichters mit der des Bürgermeisters verbunden: Hans Joachim Christian Bischoff (1786 ... 1801), Johann August Wachenhusen (1801 ... 1811), Bernhard Johann Christian Petri (1812 ... 1832), Christian Friederich Wilhelm Görbitz (1832 ... 1847) und Johann Gottfried Ludwig Mau (1848 ... 1859).
   Als Strafe für ein widerrechtliches Vergehen kam in Frage:
- ein Geldbetrag, der je zur Hälfte an das fürstliche Amt und an den Rat der Stadt zu zahlen war,
- eine Gefängnisstrafe, die im Fangelturm abgesessen werden mußte,
- das Anbinden am Schandpfahl auf dem Markt,
- die Prügelstrafe, vollzogen vom Gerichtsdiener,
- die Todesstrafe am Galgen bei schweren Vergehen, wie Mord, Brandstiftung oder Pferdediebstahl.

 

   Die Namen von zwei Scharfrichter sind überliefert: Albrecht Steen, gestorben 1697 und Johann Rentzhausen, genannt 1697 ... 1709. Sie haben vielleicht noch Todesurteile am Galgen vollstreckt.
   Richtstätten mit einem weit hin sichtbaren Galgen befanden sich immer in der Nähe bedeutender Verkehrswege. Ein Gehenkter blieb zur Abschreckung von unverbesserlichen Räubern und anderem bösen Gesindel vor den Toren der Stadt mehrere Tage am Galgen hängen, bevor er an unwürdiger Stelle vergraben wurde. Der Neukalener Galgen befand sich auf der östlichen Seite des Weges nach Salem auf halber Anhöhe zur Mühle hin und war weithin zu sehen. Es gibt noch drei Karten aus der Zeit von 1762, auf welcher der Galgen eingezeichnet ist. Der Salemer Weg war in früheren Zeiten die maßgebliche Landstraße nach Malchin. Hier kamen zahlreiche Reisende, Händler, Handwerksburschen, Schausteller, aber auch umherstreunende Vagabunden entlang.
   Es sind nur wenige Nachrichten überliefert, die den Galgen auf dem Gerichtsberg betreffen, an welchem so mancher sein Leben lassen mußte.
   1738 beschwerte sich der Stadtrichter August Wilhelm Christoph Hilgendorf bei der Justizkanzlei in Güstrow über verschiedene Mißstände des Gerichtswesens in Neukalen. So beklagte er auch, daß der Pferdedieb Wiegmann nicht gehängt werden konnte, da der Galgen nicht mehr zu gebrauchen ist.
   Amt und Stadt hatten den Galgen bis dahin gemeinsam genutzt. Als der Magistrat 1741 den zerfallenen Galgen wieder herrichten ließ, gefiel das dem Amtmann Heinrich Ludewig von Wenckstern überhaupt nicht. Er fühlte sich übergangen und beschwerte sich beim Landesherrn:

   "Durchlauchtigster Hertzog.
   Sr Römischen Kayserlichen Majestät, allerhöchst verordneter Herr Commissair!
   Gnädigster Fürst und Herr!
   Ich habe albereit, und zwar so gleich bey Meiner hiesigen Ankunfft, Nemblich bey Übergabe dieses Hochfürstl. Ambts, Unterthänigst angezeiget, wie das hiesige Ambts - Gericht, gantz Niedergefallen, dahero ein Neues, Müste gebauet werden, aber darüber keine resolution erhalten.
   Es ist nun dieses Gericht, von der Beschaffenheit gewesen, das so woll, das Hochfürstl. Ambt, als die hiesige Stadt, Ihr Gericht, an einen Ohrt gehabt, und zwar dergestalt, das der Galge, als ein Trieangel gemacht gewesen, die Stadt ihr auch so weit, bis auf einen Post noch, umbgefallen. So ist nun Bürgermeister und Rath, nebst der Bürgerschafft in meiner abwesenheit, wie nach Schwerin, bey Hochfürstl. Cammer, Ambts - Geschäffte halben zu berichten, eigenseitig zu gegangen, ihr Gericht neu Bauen zu laßen, und verwichenen Freytage, mit Großen Sollenitäten und Zuziehung der gantzen Bürgerschafft auffgerichtet.
   Ob nun zwar Ambts - Seiten per Notarium protesstiren laßen, sie solten mit auffrichtung dieses Gerichts, so lange warten, bis man darüber referiret, und resolution von Ihro Hochfürstl, Durchl. eingeholet, ob das Ambts - Gericht nicht solte so gleich mit auffgeführet werden, weill man in der sichern erfahrung gekommen, das alter Observance nach, solches Gericht Conjunctim wäre gebauet, und zu gleicher Zeit aufgerichtet worden, und allezeit damit also verfahren worden. So hat dennoch die hiesige Stadt damit fortgefahren, wie bey gehendes Documentum Notarii sub Lit: A: zeiget: Muß solches demnach Meiner Schuldigkeit gemäs, nicht allein Ew: Hochfürstl. Durchl. anzeigen, als auch mir eine Gnädige resolution erbitten, wie es mit dem Ambts - Gericht soll gehalten und ob solches, nicht Gleichfals neu gebauet werden, weil erstlich, sonsten das Ambt kein Gericht hat, vors 2te zu befürchten stehet, das wann es lange dauert, die hiesige Stadt, mit der Zeit dem Hochfürstl. Ambte, den ohrt gar disputiren mögte, welches dann dergestalt nicht allein zu einer geringen praejuditz dermahleins gereichen könte.
   Ich übersende derowegen einen Vorschlag, sub Lit: B: was an Bau-Holtz, und Unkostung darzu erfordert werden wird.
   Womit übrigens Zeit lebens in Tieffster Submission verharre.
   Ew: Hochfürstl: Durchl.
   Meines Gnädigsten Fürsten und Herrn.
   Nienkalden                    Unterthäniger Knecht,
den 22ten Marty 1741                 H. L. von Wenckstern.

 

   Lit: A:
   Anno 1741: den 17ten Marty hora sexta Matutina ad requisitionem Ihro Hochwollgebohrnen des Herrn Ambts - Hauptmanns von Wenckstern habe ich Subscripty Notarius dem Worthabenden Bürgermeister Herr Ahrens die Ambts - Gemäße anzeige thun sollen, daß der Herr Ambts - Hauptmann mit vielen Befrembden vernommen, daß die Stadt Neuenkalden einseitig Schlüßig geworden, daß mehrst Nieder gefallene Gericht außerhalb der Stadt, wieder aufzubauen, da doch der Herr Ambts - Hauptmann Gesicherte Nachricht hätte, daß vor Zeiten solches vom Hochfürstl. Ambte und der Stadt Conjunctim errichtet worden: Als nun der Herr Ambts - Haubtmann solches als eine wiedersinnigkeit ansege, daß sie damit in seiner abwesenheit nach Schwerin verfahren, und Ihm, als sie den Auff - Bau vorgenommen, nicht die gehörige anzeige gethan; So verhoffeten Sr Hochwolgeb. daß sie damit einhalten würden, so lange bis Ers der Hochfürstl. Cammer gemeldet, und dahero zur Vollenziehung den würcklichen Consens erhalten hätte, wiedrigenfals, sie in Verantwortung sich setzen, und ohnbeliebige Verordnung dürfften zu gewärtigen haben.
   Herr Bürgermeister Ahrens Antwortete, ich möchte negst - dienstl. Empfehlung, dem Herrn Ambts - Hauptmann, darauff hinterbringen, daß sie solche auff - Bauung des Gerichts - lange vorhero dem Herrn Ambts - Hauptmann wißend gemachet, und als sie so wenig es zu des Herrn Ambts - Hauptmanns Verdrus, als praejuditz resolviret, so segen sie nicht wo sie solcherwegen sich in Verantwortung setzen könten. Weil nun heutiger Tag dazu bereits determiniret, und alle anstalt gemachet worden, so sege er nicht, wo sie es füglich differiren könten, Er wolte aber nach einigen Stunden mit den Collegio sprechen, und dem Herrn Ambts - Hauptmann Nachricht durch 2 Bürger geben laßen.
   Hierauff kahm der Schuster Meister Christoph Kirch-Hoff und der Schuster Jochim Hasse, beyde Stadtsprecher, mittelst vermelden, sie würden mit der Errichtung des Gerichts heute verfahren, weiln die dabey zuhaltende Wachte, der Stadt Bürgerschafft zu lästlich fielen, repetirten anbey, das es zu keinen praejuditz noch Verdrus des Fürstlichen Ambtes geschege, weil so woll das Ambt, als Stadt - Gerichte von einen Herrn dependirte, hätten auch die auffzurichtende Pöste des neuen Gerichts also machen laßen, daß das quer - Holtz mit leichter Mühe von Ambts - seiten könte eingeschoben, und der 3te Post auffgerichtet werden.
   Weiln ich nun das Gewerbe von diesen Bürgern annahm, weil der Herr Ambts - Hauptmann sich nicht wol befand; So müste sie in antworth melden, daß da sie de Facto verfahren wolten, müste es der Herr Ambts - Hauptmann protestando geschehen laßen, jedennoch würde Er es gehöriges Ohrtes zu referiren wissen. Womit diese Stadt-Sprecher dimittiret würden, und ich habe gegenwärtiges Documentum Sr Hochwolgebohrn darüber ertheilen sollen. Nienkalden utc supra.
   Samuel Ludwig Schulte Notar

 

   Lit: B:
   Anschlag.
   Was das Hochfürstl. Ambts - Gericht zu Nienkalden, so woll an Bau - Holtz, als übrigen Unkosten, Neu zu erbauen kommen wird.
Eichen - Holtz
Zu einen gantzen Galgen wird erfordert     75 Fues Eichen Holtz
Wenn aber nur ein halber, mit
einen Arm, so ist nur nöhtig             51 Fues Eichen Holtz
Die Zimmer - Leute, verlangen, Zimmerlohn     10 Rthlr.
1 Neue Axt, gerechnet zu                  1 Rthlr.
1 Schurtz - Fell zu                       1 Rthlr.
Richtel - Bier 1 1/2 Tonnen,
a Tonne 1 Rthlr. 32 Schilling             2 Rthlr. 24 Sch.
                                 ---------------------------------------
                           Summa 14 Rthlr. 24 Sch.
   Nienkalden
den 22ten Marty 1741            H. L. von Wenckstern.“


   Es gibt keine weiteren Nachrichten über den neu erbauten Galgen. Ob er tatsächlich zum Einsatz kam oder nur noch als Abschreckung diente, ist mir nicht bekannt. Spätestens am Ende des 18. Jahrhunderts war er jedenfalls verschwunden. Vielleicht wird man eines Tages in der Nähe seines früheren Standortes die Skelette der Gehenkten in der Erde entdecken.
   Auch den Schandpfahl auf dem Markt brauchte man nicht mehr. Er wurde am 27.11.1800 weggeräumt.

 

Kartenausschnitt 1762 (1)

 

Kartenausschnitt 1762 (2)

 

Kartenausschnitt 1762 (3)

 

Auf diesen Kartenausschnitten von 1762 zum Gefecht zwischen preußischen und schwedischen Regimentern ist noch der Galgen auf dem Mühlenberg zwischen Mühle und Salemer Weg eingezeichnet.

 

 

 

In Anlehnung eines Gedichtes von Heinrich Seidel

schrieb Carl Voß zu diesem Thema:

 

        "Dei olle Kahlsche Galgen!

        In dei slichte olle Tied
        wier dat in Kahlen mal so wiet,
        dat ein oll Pierdeiw bammeln süll ...
        Dei Galgen harr bi Hitt un Küll
        all lang´n in Wind un Weder stahn
        un wier tauletzt tau´n Deuwel gahn.
        Hei wier in´n Dutt tausamen schaten.
        Wo süll´n sei nu den´n Pierdeiw laten?
        Ein nigen Galgen wier tau dühr,
        un´t wier trotz Awgaw un trotz Stühr
        ok gor kein Geld nich in dei Kass.
        Dat kem ehr bannig slicht tau Pass.
        Doch Ratsherr Voß wüßt ümmer Rat
        un harr ok hier gliks einen prat.
        Hei säd: "In Tetrow hebbens ´n nigen,
        dor kann hei Reigersdochder friegen.
        Dei hebben dor kein Kosten schugt
        un einen mächtig groten bugt.
        Dor könn´n sick nägen an versammeln.
        Hei kann dor in Gesellschaft bammeln."
        Nah Tetrow schreben´s nu ´nen Breiw.
        Doch mit dei Sak, dor güng dat scheiw:
        Dei Tetrowsch Rat, dei wull nich ran,
        un wier´n dorgegen alle Mann:
        "Wie hebbt dat swere Geld nich schugt
        un uns den ´n schönen Galgen bugt.
        Dor is kein Platz för frömde Sünner,
        dei is för uns un för uns Kinner!"


Und so lautet das Gedicht in hochdeutscher Fassung:

 

        Der alte Kahlsche Galgen!

        In der schlichten alten Zeit
        war das in Kahlen mal so weit,
        daß ein alter Pferdedieb aufgehängt werden sollte...
        Der Galgen hatte bei Hitze und Kälte
        schon lange in Wind und Wetter gestanden
        und war zuletzt zum Teufel gegangen.
        Er war in einen Haufen zusammen geschossen.
        Wo sollen sie nun den Pferdedieb lassen?
        Ein neuer Galgen war zu teuer,
        und es war trotz Abgabe und trotz Steuer
        auch gar kein Geld mehr in der Kasse.
        Das kam ihnen sehr schlecht zu passen.
        Doch Ratsherr Voß wußte immer Rat
        und hatte auch hier gleich einen parat.
        Er sagte: "In Teterow haben sie einen neuen,
        dort kann er Reigerstochter heiraten.
        Die haben dort keine Kosten gescheut
        und einen mächtig großen gebaut.
        Dort können sich neun an versammeln.
        Er kann dort in Gesellschaft hängen."
        Nach Teterow schrieben sie nun einen Brief.
        Doch mit der Sache, da ging es schief:
        Der Teterow´sche Rat, der wollte nicht ´ran,
         und waren dagegen alle Mann:
        "Wir haben das schwere Geld nicht gescheut
        und uns den schönen Galgen gebaut.
        Dort ist kein Platz für fremde Sünder,
        der ist für uns und für unsere Kinder!"