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Vor 100 Jahren begann der I. Weltkrieg

Wolfgang Schimmel

(2014)


   1914 - also in diesem Jahr vor 100 Jahren - begann der I. Weltkrieg. Wenn unsere Stadt auch nicht durch Kriegseinwirkungen direkt betroffen war, so gab es viele Familien, in welchen Gefallene zu beklagen waren. Die anfängliche Begeisterung schlug auf Grund der Verschlechterung der Versorgung und der Lebensbedingungen bald in eine tiefe Depression der Bevölkerung um. Pastor Wilhelm Hohmann schrieb am Ende des Krieges in die Kirchenchronik: "Die lange Dauer des Krieges und die Abwesenheit der Väter übt einen ungünstigen Einfluß auf die Schuljugend und auf die aus der Schule entlassene Jugend aus. Wegen Gewalttätigkeiten und Diebstahl sind Kinder und Jugendliche mehrfach bestraft. Auch bei uns macht sich der Mangel an Lebensmitteln mehr und mehr fühlbar. Daher wurde auch hier gehamstert, Schleichhandel getrieben, heimlich geschlachtet. Der Krieg verwirrt das sittliche Empfinden und bringt sittliche Grundsätze zu Fall."

 

Mobilmachung 1914



   Wie begann der I. Weltkrieg für die Bevölkerung in Neukalen?
   Am 1.8.1914 um 6.20 Uhr traf hier folgendes Telegramm ein:
   "Mobilmachung befohlen, erster Mobilmachungstag der 2. August. Dieser Befehl ist sofort ortsüblich bekanntzumachen."
   Die Mobilmachung wurde dann sogleich durch den Ausrufer Friedrich Glasow in der Stadt bekanntgegeben.
   Schon am 3.8.1914 gab es eine Bekanntmachung, die die ausländischen Arbeiter betraf:
   "Mit Rücksicht darauf, daß die im Lande befindlichen ausländischen Arbeiter sich bisher während des Kriegszustandes ruhig verhalten haben, wird zwar von einer allgemeinen Ausweisung dieser Arbeiter abgesehen. Es werden jedoch im Einvernehmen mit dem Großherzoglichen Kontingentskommando die nachstehenden Bestimmungen getroffen:
1. Die ausländischen Arbeiter dürfen ihre jetzige Arbeitsstelle nicht verlassen. Arbeiter, welche die Arbeitsstelle verlassen haben, sind sofort an dieselbe zurückzuführen.
2. Den ausländischen Arbeitern sind etwaige in ihren Händen befindliche Waffen abzunehmen.
3. Geistige Getränke dürfen den ausländischen Arbeitern nicht verabfolgt werden.
4. Die Ortsobrigkeiten und Gemeindevorstände haben zu veranlassen, daß die ausländischen Arbeiter durch zuverlässige bewaffnete Leute bewacht werden. Der Gehorsam ist auf alle Fälle zu erzwingen.
5. Der Besuch der Städte ist den auf dem Lande befindlichen ausländischen Arbeitern gänzlich untersagt. Für etwa notwendige Einkäufe in den Städten haben die ausländischen Arbeiter die Vermittlung anderer Personen, nötigenfalls der Ortsobrigkeiten und Gemeindevorstände in Anspruch zu nehmen.
6. Ausländische Arbeiter, welche sich im Lande umhertreiben, sind festzunehmen.
7. Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Anordnungen werden nach Maßgabe der Bestimmungen über den Kriegszustand auf das strengste bestraft.
8. Zur Durchführung dieser Bestimmungen wird nötigenfalls die Gendarmerie, eventuell das nächste Militärkommando, um Hilfeleistung zu ersuchen sein.
   Die ausländischen Arbeiter sind von den Ortsobrigkeiten und Gemeindevorständen mit den vorstehenden Bestimmungen alsbald bekannt zu machen.
   Schwerin, den 3. August 1914.
   Großherzoglich Mecklenburg. Ministerium des Innern."
 
   Laut Anordnung mußten Sicherheitsdienste eingerichtet werden. In Neukalen erklärten sich dazu bereit:
1. Friseur Hermann Struck
2. Schneidermstr. Albert Rothenhäuser
3. Ackerbürger Heinrich Tessmann
4. Stellmacher Friedrich Glewe
5. Schuhmacher Helmuth Pagels
6. Schmiedemstr. Fritz Heuer
9. Ackerbürger Adolf Röpcke
10. Arbeiter Fritz Tück
12. Schuhmacher Carl Eggert
13. Schneider Ernst Zingelmann
15. Schuhmacher Wilhelm Sonntag
17. Ackerbürger Carl Freitag
18. Schuhmacher Ernst Grass
19. Rentner Carl Daewel
21. Ziegeleibesitzer Johann Olms
22. Schuhmacher Jacob Krüger
27. Ackerbürger Ernst Sass
28. Schuhmacher August Stein
29. Klempnermeister Otto Stein
30. Steinmetz Georg Behrendt sen.
   Den Vorgenannten wurde auf der Beratung am 4.8.1914 vom Bürgermeister Barten eröffnet, daß ihnen Beamteneigenschaft beigelegt werde. Aus ihrer Mitte wählten sie als Wortführer: Olms, Röpke, Grass, Zingelmann und Pagels. Es wurde beschlossen, daß immer 6 Mann 8 Stunden Dienst übernehmen. Der Dienst begann am 4.8.1914 abends 9 Uhr.

 

Neukalener Tageblatt vom 8.8.1914 (2)

 

 

Neukalener Tageblatt vom 8.8.1914


   Sehr viele junge Männer wurden schon bald nach der Mobilmachung eingezogen, so daß ein großer Arbeitskräftemangel bei den Erntearbeiten eintrat. Im "Neukalener Tageblatt" vom 8.8.1914 war zu lesen:
   "Erntearbeiter gesucht!!!
   Auf Veranlassung des großherzoglichen Ministeriums hat sich ein Ortsausschuß zur Behebung der durch die Kriegsgefahr bedingten landwirtschaftlichen Notstände gebildet. Der Ausschuß fordert alle hiesigen Einwohner einschließlich der jungen Kaufleute, Gewerbegehülfen, Lehrlinge und älteren Schüler, deren Zeit und Arbeitskraft nicht oder nicht voll durch ihren eigenen Beruf in Anspruch genommen wird, auf, sich für die freie Zeit und insbesondere auch an den arbeitsfreien Sonntagen der Landwirtschaft zur Einbringung der Ernte zur Verfügung zu stellen.
   Es ist patriotische Pflicht eines jeden deutschen Mannes, Jünglings und Knaben, in diesen schweren Zeiten nach seinem Können und Kräften dem Vaterlande zu helfen und zu nützen. Daß die Ernte gut hineinkommt, ist gerade in diesem Jahre für unser ganzes deutsches Vaterland von ungeheurem Werte.
   Darum helft rasch und energisch unsern Landleuten, und zwar sowohl denen in Neukalen als denen in der Umgegend Neukalens.
   Arbeit vermittelt der unterzeichnete Ausschuß, bei wem daher Arbeitswillige und solche, die Arbeiter suchen, sich beschleunigt melden wollen.
   Neukalen, den 7 August 1914.   
   Der Ortsausschuß.
   I. A. Barten."
 
   "Zu berichten an die Geschäftsf. des Landesausschusses zur Behebung der durch die Kriegsgefahr bedingten landw. Notstände.
   Ein Ortsausschuß hat sich hier gebildet. Vorsitzender ist der Bürgermeister Barten. Der 0. Ausschuß hat mehrmals den rot angestrichenen Aufruf in der hieselbst erscheinenden Zeitung veröffentlicht. Gesuche um Überweisung von Arbeit oder Überweisung von Arbeitern sind bisher bei uns nicht eingegangen, wir haben aber die Überzeugung, daß der Aufruf insofern gewirkt hat, als sich sämtliche Personen, die irgendwie Zeit haben, in den Dienst der Landwirtschaft gestellt haben. Nach Auskunft von Landwirten der hies. Gegend wird die Hereinbringung der Ernte, gutes Wetter vorausgesetzt, mit den jetzt vorhandenen Kräften möglich sein.
   N. 12.8.14"

 

Rote Kreuz - Sammlung 1914
 
   Die erste "Rote Kreuz" - Sammlung in Neukalen ergab einen Betrag von 1772,65 Mk. "Dies hocherfreuliche Ergebnis stellt der Opferwilligkeit und dem Patriotismus der Neukalener Einwohnerschaft ein schönes Zeugnis aus," hieß es im Neukalener Tageblatt. "Allen Gebern herzlichen Dank. Wir hoffen, daß, wenn wir uns in nächster Zeit aus Veranlassung des Krieges wiederum an die hiesigen Einwohner mit der Bitte um Spenden wenden werden, wir ebenso bereitwillige Hülfe finden werden.
   Neukalen, den 17. August 1914
   Der Ortsausschuß
   J. A. Barten"
 
   Es wurde beschlossen, für die Familien, aus welchen Männer zum Krieg eingezogen waren, eine Unterstützung in Höhe von 80 bis 140 Mark jährlich zu zahlen.
   Laut kaiserlicher Verordnung vom 15.8.1914 mußte zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in allen Städten eine Bürgerwehr gebildet werden. Sie sollte sich vor allem aus wehrdienstuntauglichen Männern zusammensetzen. Besonders die Krieger- und Schützenvereine sollten dazu herangezogen werden. In Neukalen wurde eine Bürgerwehr mit 65 Mann gebildet.

 

Neukalener Tageblatt vom 18.8.1914


   "Neukalen, 24. August. Wie überall so ist auch in unserer Stadt das Stricken von Soldatenstrümpfen in die Wege geleitet. Von der Heeresverwaltung wird gebeten, dieselben durchzuwaschen, da dies dringend nötig ist, erstens aus hygienischen Gründen, zweitens, weil neue Wolle juckt -, wäre also für unsere Soldaten lästig.


Liebesgaben - Sammlung.

   Auf Veranlassung des Mecklenburgischen Landesvereins vom Roten Kreuz fordern wir die Einwohnerschaft Neukalens dringend und herzlichst auf, uns für unsere im Felde stehenden Soldaten Liebesgaben möglichst zahlreich zugehen zu lassen.
   Als Liebesgaben werden erbeten: Nahrungsmittel, Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände aller Art, sowie bares Geld. Annahmestelle ist im Rathause.
   Auch wird eine Sammelliste zwecks Zeichnung von baren Geldbeiträgen in Umlauf gesetzt werden, indem wir beabsichtigen, für die gesammelten Beträge nach näherer Beschlußfassung Bedarfsartikel für die Krieger bei hiesigen Geschäftsleuten zu kaufen und als Liebesgaben der hiesigen Einwohnerschaft abzuliefern.
   Möge jeder nach seinem Teil und Kräften zu dieser Sammlung beitragen. Das Ergebnis der Sammlung wird demnächst veröffentlicht werden.
   Neukalen, den 9. September 1914.   
   Der Magistrat. Barten."
 
   Laut einer Bekanntmachung im Regierungsblatt vom 14.9.1914 mußten zur militärischen Vorbereitung "Jugendtruppen" gebildet werden, der alle männlichen Jugendlichen, die das 15. Lebensjahr vollendet hatten, beitreten sollten. Bis zur Gründungsversammlung am 31.10.1914 hatten sich nur zehn Jugendliche gemeldet.